Doppelt im Spagat

Nadja Schulers Küche ist ehrgeizig und bescheiden zugleich. Damit schafft sie den Spagat zwischen gutbürgerlicher Küche und ihrem eigenen kulinarischen Anspruch. Wie lange sie noch im Hirschen in Villigen wirkt, steht allerdings in den Sternen.
Text: Sarah Kohler – Fotos: Christine Benz
Veröffentlicht: 23.11.2018 | Aus: Salz & Pfeffer 8/2018
Rindstatar | Bärenkrebs | Rande | Crèpes | Garam masala

«Ich wollte nie, dasss Even im Restaurant aufwächst»
Dass Nadja Schuler mehr als etwas gleichzeitig tun kann, steht ausser Frage: Stück für Stück hievt sie die Komponenten für ihre Tatarkreation mit Bärenkrebs auf den Teller, zupft hier ein bisschen, schiebt dort etwas – und plaudert aller Konzentration zum Trotz munter aus dem Nähkästchen. Nun, besonders erstaunlich sind die Multitasking-Fähigkeiten der 33-Jährigen nicht, wenn man bedenkt, was sie im Alltag unter einen Hut bringt.

Rückblick: Im Februar 2013 eröffneten Schuler und ihr Mann Stéphane Wirth im aargauischen Villigen den frisch renovierten Landgasthof Hirschen mit Restaurant, Weinkeller, Terrasse und zehn Gästezimmern. Ende 2014 kam Söhnchen Even zur Welt. Schuler, die im Hirschen die Küchenchefin gibt, während Wirth als Gastgeber amtet, hatte von Anfang an klare Vorstellungen, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft. «Ich wollte nie, dasss Even im Restaurant aufwächst», sagt sie. Deshalb lebt die Familie «auf der anderen Seite des Hügels» und nehmen sich die Eltern abwechselnd Zeit fürs Kind. Unterstützung in der Betreuung gibts von den Grosseltern und einer Tagesmutter. «Das passt prima», sagt Schuler, lacht entspannt und schiebt nach: «Überhaupt gehts sehr gut.» Der Hirschen brummt, die Hotelzimmer sind ausgelastet, die Tische gut besetzt.

Routine indes kommt bei Schuler keine auf, und gerade das nächste Jahr verspricht turbulent zu werden. Im Frühling bekommt Even eine Schwester, zudem läuft der Pachtvertrag für den Hirschen Ende Februar 2020 aus und suchen die Besitzer einen Käufer. «Wir wissen nicht, wie sich das entwickeln wird», sagt Schuler. «Wir haben, unterstützt von einem privaten Investor, ein Gebot abgegeben, das liegt aktuell aber unter dem Preis, den die Inhaber verlangen.» Schuler und Wirth würden den Hirschen liebend gern übernehmen.

Dass es im Villiger Gasthof rund läuft, mag am kargen gastronomischen Angebot der Region liegen, ist aber sicher auch Schulers Küche geschuldet: Ehrgeizig und bescheiden zugleich gelingt ihr der Spagat, verschiedene Gäste glücklich zu machen. Auf der Karte stehen der Fitnessteller und das Cordon bleu in ordentlichen Portionen, wie sie der Beizengänger fordert, genau wie kulinarisch komplexere Kreationen, die vom handwerklichen Können der mit 14 Punkten dotierten Küchenchefin zeugen.

Restaurant & Hotel Hirschen
Hauptstrasse 42
5234 Villigen
056 284 11 81
www.hirschen-villigen.ch

Duo vom Reh | Dörrbirnen-Brioche | herbstliche Beilage
Koriander-Yuzu-Eismousse |Safran-Nashi | grüner Apfel | Sauerrahm

Rindstatar | Bärenkrebs | Rande | Crèpes | Garam masala

Rindstatar
200 g Rindsfilet, fein gewürfelt | 1 EL Feigensenf | 2 EL Sud von den Pickles | Salz und Pfeffer | Koriandersamen, gemahlen, gemörsert und geröstet | Haselnussöl

Randenpickles
200 g Himbeeressig | 140 g Wasser | 50 g Zucker | 40 g Blütenhonig | Sternanis | Lorbeer | Kardamom | Pfefferkörner | Salz | 1 Stk. Zitronengras, fein geschnitten | 2 Randen, roh, in beliebige Dicke geschnitten und ausgestochen

Alle Zutaten ausser Rande vermischen und aufkochen, 10 Minuten ziehen lassen, noch heiss über die Randenstücke giessen und ziehen lassen (mindestens 1 Woche).

Bärenkrebs
4 Stk. Bärenkrebse, geschält | Salz und Pfeffer | Rapsöl | Butter

Bärenkrebse beidseitig langsam anbraten und für 3 Minuten auf der Seite ziehen lassen. Sie müssen noch glasig sein.

Randencrèpes
130 g Mehl | Salz und Pfeffer | 1,5 dl Milch | 1,5 dl Randensaft | 2 Eier | Butter

Alles ausser die Butter vermengen und zu einem glatten Teig rühren. Für 30 Minuten ruhen lassen, danach dünne Crèpes braten.

Randenmousse
100 g griechischer Joghurt | 250 g Rahm, geschlagen | 1 TL Garam masala | wenig Ingwer, gerieben | 1 Stk. Gelatine | Salz und Pfeffer | Randensaft

Rahm und Garam masala halbsteif mixen. Randensaft erwärmen und eingeweichte Gelatine darin auflösen. Joghurt unter den Saft rühren und nach und nach den geschlagenen Rahm zugeben. Abschmecken. Zirka 1 Stunde ruhen lassen.

Fertigstellung

Crèpes zu Rechtecken schneiden und mit Mousse bestreichen, satt einwickeln und erneut kaltstellen. Danach können die Crèpesrollen nach Wunsch geschnitten werden.

Alles auf einem Teller anrichten. Dazu passt ein kleiner Zupfsalat oder Shisokresse; das Dressing dafür kann mit dem Picklesud hergestellt werden.

Duo vom Reh | Dörrbirnen-Brioche | herbstliche Beilage

Rehentrecôte im Speck
Rehentrecôte | Bratspeck | Rehabschnitte | Cognac | Salz und Pfeffer | Rahm

Die Abschnitte mit Cognac, Salz, Pfeffer und Rahm im Pacojet zu einer homogenen Farce cuttern. Den Speck schneiden und mit der Farce bestreichen. Anschliessend das Entrecôte in den Speck einwickeln. Anbraten und im Ofen bei 150 °C für 7 Minuten fertig garen. 10 Minuten ruhen lassen.

Reh-Wacholder-Burger
500 g Rehfleisch, durch den Wolf zu Hackfleisch gelassen | 2 Stk. Weissbrot, eingeweicht | 2 TL Wacholder, gemahlen | Salz und Pfeffer | Zimt | 10 EL Mehl | 1 EL milder Senf | 100 g Joghurt | gehackte Zwiebel und Knoblauch | 3 Eier

Brioche
1 kg Mehl | 40 g Hefe, in 100 g Milch aufgelöst | 720 g Eier | 30 g Salz | 1 Bd. Thymian, gehackt | 80 g Zucker | 600 Butter, weich

Die Zutaten auf höchster Stufe 10 Minuten kneten, dann die Butter nach und nach zugeben, mit Salz und Eigelb bestreichen und bei 175 °C 30 Minuten backen. Auskühlen lassen, in Tranchen schneiden und mit hausgemachter Dörrbirnenmasse bestreichen. Die Würfel in Butter braten.

Koriander-Yuzu-Eismousse | Safran-Nashi | grüner Apfel | Sauerrahm

Eismousse
130 g Rahm | 1 Bd. Koriander | 130 g Zucker | Vanillestängel, ausgekratzt | 50 ml Wasser | 3 Stk. Yuzu-Limetten, inklusive Schale abgerieben | 2 Stk. Eiweiss, steif geschlagen | 70 ml Yuzu-Limetten-Saft

Rahm und Koriander auf zirka 60 °C erwärmen und für 24 Stunden ziehen lassen. Abpassieren und steif schlagen. Zucker, Wasser und Yuzu-Saft aufkochen bis 125 °C. Abkühlen um 4 °C, danach vorsichtig nach und nach zum geschlagenen Eiweiss geben. Rahm unterheben und in gewünschte Form abfüllen.

Nashis
4 Nashis, geschält | Safran | 100 g Zucker | Vanillestängel | 2 Zimtstangen | 2 dl weisser Portwein | 1 dl Wasser | 2 Orangen, Saft und Abrieb

Sud aufsetzen und für 10 Minuten köcheln. Anschliessend die Nashis beigeben und bei kleinster Hitze zirka 1 Stunde ziehen lassen, bis sie weich sind.

Grüner Apfel
1 Apfel, in Brunoise geschnitten | Limoncello | Koriander

Die Brunoise mit Limoncello
vermengen und fein geschnittenen Koriander beigeben.

Sauerrahmcrème
150 g Sauerrahm | 1 Stk. Zitronenabrieb | Vanillestängel | 100 g Vollrahm, geschlagen | 1 Bl. Gelatine | 30 g Puderzucker

Macaron
240 g Eiweiss | 120 g Zucker | 500 g Puderzucker | 270 g Mandelpuder, gesiebt | Lebensmittelfarbe-Pulver

Eiweiss und Zucker zusammen zu Merengue schlagen. Rest zugeben, spritzen und bei 145 °C backen.



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