Eintrittskarten für Tublen

Restaurant Camino zum Kotzen, 19. Juli um 10.59, auf Facebook: «Dann hat man eine Reservation von 11 Personen, sie rufen noch an, dass sie erst um 20 Uhr kommen werden. Und was passiert???? Niemand kreuzt auf!!!!! Es ist echt zum.... Anderen Gästen die kommen wollen sagt man ab, und dann bleiben die Tische einfach leer!!!! Danke mein lieber Telefon- und Internetanbieter....»
Text: Monsieur Tabasco
Veröffentlicht: 21.08.2018

Sie sind einfach nur tami hässig. Zu Recht.
Emojis sind Unglückssache. Wenn eine Beiz sich auf Facebook über einen Tubel ärgert, der für elf Personen reserviert hat und dann nicht erschienen ist, dann ist das Erbrech-Emoij nicht zwingend erste Wahl. Sonst heisst es dort nämlich «Restaurant Camino zum Kotzen». Und das ist Fake News. Das Camino ist für fröhliches Erbrechen denkbar ungeeignet, man isst prima, das Team ist herzlich, man fühlt sich gut aufgehoben.

Auch Satzzeichen sind öfter Unglückssache. Vor allem, wenn sie herdenweise aufkreuzen. Vier Fragezeichen machen eine Frage nicht viermal fragiger, und fünf Ausrufezeichen schreien sich nur Wutbürger aus dem Leib, Dschihadisten oder Anarchisten oder Hooligans oder ver- und entliebte Teenager. Die Gastgeberinnen vom Camino sind nichts von alledem. Sie sind einfach nur tami hässig. Zu Recht. No-Shows sind respektlose Tublen, und elf leere Stühle gehen ins Geld.

Aber ist es klug, öffentlich über Gäste abzulästern? Bei persönlich Bekannten weckt man solidarisch Mitwut. Bei andern allenfalls Verständnis. Aber selbst bei denen bleibt eine diffuse Negativität kleben, und der Name Camino wird in dieser oder jener Erinnerung noch eine gewisse Zeit lang begleitet sein von einer Note Pulverdampf in der Luft. Unsichtbar, unbewusst, aber existent.

Einen Vorteil hat der Wutausbruch auf Facebook: Wenn der No-Show-Tubel hier selber präsent ist, wird ihm definitiv klar, dass er künftig eine Persona non grata ist. Seine zehn Mit-No-Shows womöglich aber auch. Vielleicht auch ihre Männer oder Frauen. Öffentliche Wutausbrüche können grössere Kreise ziehen oder sogar viral gehen, und vielleicht kommen dann mehr Leute nicht mehr, als den Gastgeberinnen lieb ist.

Vor allem rufen solche öffentliche Wutausbrüche den Gästen ins Bewusstsein, dass auch sie bewertet werden. Und das hassen sie. Schliesslich bezahlen sie dafür, Könige zu sein. Im Coop und Migros kaufen Leute das in Plastik verpackte Fleisch von der Vitrine, weil sie Angst haben, sich an der Frischfleischtheke vor dem Metzger mit Ahnungslosigkeit und dummen Fragen zu blamieren. Ausschlaggebend für das Kaufverhalten ist nicht nur das Produkt, sondern auch die persönliche Begegnung mit dem Anbieter oder Dienstleister. Für die Gastronomie gilt dasselbe. Empirisch ist das nicht, nur wahr.

Der Camino-Wutausbruch auf Facebook wurde unter anderem von Ruedi Brander kommentiert, und zwar (zusammengefasst) wie folgt: «Es wird für solche Fälle wohl nie eine befriedigende Lösung geben. Was will man machen, wenn jemand verunfallt, die Strasse überflutet, die Oma auf den Notfall muss oder eine Ehekrise ausgebrochen ist und der Zufall es will, dass kein Handynetz zu finden ist oder der Akku leer. Es gibt viele zwingende Gründe, um einem Restaurantbesuch fernzubleiben. Als Wirt und Gastgeber bitte nur immer volles Verständnis für solche Gegebenheiten. Niemand macht sich Gedanken über den geprellten Wirt, schliesslich hatte der Gast ja keine bösen Absichten und ist sich keiner Schuld bewusst.»

Ein ernsthafter Post, aber man glaubt, im Abgang eine Note Ironie wahrzunehmen. Ein zäher Gastgeber hält sich am Leben, indem er ans Gute im Menschen glaubt. Vielleicht muss man sich bei No-Shows die Menschheit schönlügen und sich fest vorstellen, der vermeintliche Übeltäter liege tatsächlich in einem Strassengraben. Alles schon vorgekommen.

Der Post ist insofern bemerkenswert, als sein Verfasser Ruedi Brander selber während seiner Jahrzehnte als Spitzenkoch oft wie der Sidian durch die Küche «gsirachet» ist und seinen Pfannen unzählige Ausrufezeichen entgegenschleuderte. Aber er hat es geschafft, sein Publikum nicht mit Negativem zu kontaminieren, sondern sich in der Freizeit auf dem Bike so viele Kilometer lang auszukotzen, bis seine Welt wieder in den Angeln war.

Was also tun gegen die Tublen? Rabiat wäre der Gegenangriff, also eine öffentliche Blacklist. Ein Pranger. Name & Shame. Es muss tami guttun, die Tublen so zu bestrafen. Aber was darauf wohl folgt, sind Lamentos, Ausreden, Empörung und womöglich Ehrverletzungsklagen. Vor allem von jenen, die tatsächlich im Strassengraben lagen. Weniger Kollateralschäden brächte eine nicht öffentliche, branchenweite Blacklist mit sich.

In einer bestimmten Liga könnte man auch darüber nachdenken, Tische mittels Eintrittskarten zu verkaufen. Wie ein Theater seine Plätze. Bis dahin bleibt einem nicht viel anderes übrig, als No-Shows nach 20 Minuten anzurufen und den Tisch allenfalls für spontane Besucher oder wartende Gäste an der Bar freizugeben. Oder eben das, was Ruedi Brander in seinem Post vorschlägt: eine obligatorische und landes- sowie branchenweite verpflichtende Vorauszahlung ab einer bestimmten Anzahl Personen.

Anfangs wird der Gast das als Misstrauensantrag empfinden, aber das ist eine Frage der Gewöhnung. In andern Branchen wird eine solche Absicherung selbstverständlich akzeptiert. Gastrosuisse müsste eine entsprechende Regelung mit einer klugen Kampagne begleiten – und erst loslegen, wenn man sich gut überlegt hat, wie man kommunizieren und was man auslösen will. Ohne Ausrufezeichen.



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