Als Jüngster im erlauchten Kreis
Der Gault & Millau hat in Ascona seine Auswahl 2025 vorgestellt. Marco Campanella mischt die Spitze auf – und für Mitja Birlo gibts eine eigene Kategorie.
«Pfeffer ist nicht gleich Pfeffer.»
Sie sind frisch diplomierter Gewürzsommelier. Wie kam es dazu?
Jan Reimann: Gewürze und Kräuter bieten uns ein riesiges Spektrum an Geschmackserfahrungen. Auch Wildkräuter, die nun immer mehr Köche entdecken, finde ich spannend. In unseren Wäldern und auf Wiesen, ja selbst am Wegrand wachsen Pflanzen, die nicht nur essbar, sondern auch kulinarisch interessant sind. Ich wollte also tiefer ins Thema eintauchen, fand aber in der Schweiz kein entsprechendes Angebot. Der Gewürzsommelier-Lehrgang an der Genussakademie Bayern ist im deutschsprachigen Raum der einzige seiner Art.
Was lehrt er Köche?
Eine Menge! Ein Hauptaugenmerk gilt beispielsweise der Sensorik. Man lernt, Gewürze und Kräuter olfaktorisch, haptisch und gustatorisch zu erfassen. Es geht also ums Riechen und Schmecken, darum, seine Eindrücke professionell zu dokumentieren. Dann spielt natürlich auch eine Rolle, wie Aromen miteinander korrespondieren, worauf es beim Kombinieren von Gewürzen mit anderen Lebensmitteln ankommt – Foodpairing war ein grosses Thema. In der Gewürzkunde vermittelten sie uns Basiskenntnisse über Botanik, Herkunft, Veredelung und Inhaltsstoffe.
Sommelier-Lehrgänge schiessen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Zertifizierte Sachverständige sind längst nicht mehr dem Wein vorbehalten, mittlerweile gibt es sie für Bier, Käse, Tee oder Mineralwasser, um ein paar Beispiele zu nennen. Warum braucht der Gastronom einen Gewürzsommelier?
Von brauchen soll jetzt mal nicht die Rede sein, es geht offensichtlich auch ohne. Allerdings gibt es in der Gastronomie durchaus Luft nach oben, wenn es darum geht, das Potenzial von Gewürzen und Kräutern besser auszuschöpfen. Ein Kurstag war zum Beispiel allein dem Pfeffer gewidmet. Wir lernten 20 verschiedene Sorten kennen und professionell verkosten. Pfeffer ist ja nicht gleich Pfeffer, nicht nur, was die Sorten betrifft. Sein Aroma variiert je nach Verarbeitung. Ob gebrochen, gemahlen, fermentiert oder geräuchert, das Geschmackserlebnis ist ein anderes. Das ist bei Ingwer, Zimt und anderen Gewürzen nicht anders. Aber nicht nur exotische Gewürze, auch heimische Kräuter eröffnen unserer Küche ein neues Spektrum. Da gibt es manch verkannte – oder eben: unbekannte – Gaumenfreude.
Zum Beispiel?
Vogelmiere finde ich etwa ein spannendes Gewächs. Es spriesst als Unkraut zwischen Feldern und Beeten hervor. Im Gaumen schmeckt das Kraut nach Mais und macht sich prima in Salaten. Spaziergänge in der Natur sind für mich spannender geworden, seit ich besser Bescheid weiss. Man nimmt bewusster wahr, was links und rechts wächst, sucht nach Möglichkeiten, Pflanzen in die Küche zu integrieren. Auch das Thema Heilkräuter fasziniert mich: So besuchten wir zusammen mit einem Apotheker den Botanischen Garten in Bayreuth, er klärte uns über die Wirkungsweise verschiedener Heilpflanzen auf. Das war unglaublich lehrreich – als Koch ist das Thema eine durchaus heikle Geschichte.
Warum?
Kräutern werden verschiedene Wirkungen auf die Gesundheit nachgesagt, davon ist einiges erwiesen, manches aber auch frei erfunden. Da muss der Betrieb sehr aufpassen, wie er dem Gast gegenüber kommuniziert, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Und natürlich muss auch die Lebensmittelsicherheit von Wildkräutern gewährleistet sein. Darum, was man in dieser Hinsicht tun kann oder eben lassen sollte, ging es unter anderem auch im Kurs.
Mit ihrem Lehrgang zum Gewürzsommelier will die Genussakademie Bayern unter anderem Köche, Restaurationsfachleute und Fachkräfte aus der Lebensmittelindustrie ansprechen. Während des 15-tägigen Kurses lernen die Teilnehmer, Gewürzsorten und -mischungen zu unterscheiden, einzusetzen und zu kombinieren. Schwerpunkte der Ausbildung sind Basiswissen über Kräuter und Gewürze, Sensorik, Kommunikation gegenüber dem Gast und Konsumenten, Foodpairing sowie Gesundheitswirkung und Qualitätssicherung. Der Lehrgang kostet 1800 Euro pro Person, abgeschlossen wird er durch eine schriftliche sowie eine mündliche Prüfung. Mehr Informationen gibt es hier.