Beispielloser Alleingang

Fehlende Gäste, volle Restaurantmiete? Die Antwort lässt auf sich warten. Jetzt kommt Basel-Stadt Bundesbern mit einem Rettungspaket für Gewerbetreibende zuvor.
Text: Virginia Nolan – Foto: z.V.g. / Michael Gaida / Pixabay
Veröffentlicht: 18.05.2020
Wenn die Gäste fehlen, muss die Miete sinken: Das in Basel-Stadt beschlossene Dreidrittel-Rettungspaket sieht für Gewerbebetriebe, die aufgrund der Coronakrise behördlich geschlossen oder stark eingeschränkt wurden, eine Mietzinsreduktion um fast 70 Prozent vor.

«Das Rettungspaket ist für Betriebe nicht nur eine finanzielle Hilfe. Es bringt die Zuversicht zurück.»

Ein dringliches und weitgehend ungelöstes wirtschaftliches Problem der Coronakrise sind die Gewerbemieten. Die Frage, ob sie trotz Lockdown und behördlich angeordneter Betriebseinschränkungen ihre volle Miete zahlen müssen, ist für viele Ladenbetreiber und Gastronomen existenziell. Während beim Bund die Diskussion über einen Mieterlass für Gewerbetreibende in die nächste Runde geht, kommt Basel-Stadt einer nationalen Lösung zuvor: Gemeinsam erarbeiteten der Hauseigentümerverband, der Immobilientreuhänderverband SVIT, der Mieterverband und der Wirteverband das sogenannte Dreidrittel-Rettungspaket, das vom Stadtbasler Parlament vergangene Woche einstimmig angenommen worden ist und die Monatsmieten von April bis und mit Juni betrifft. Demnach bezahlen Gewerbetreibende ein Drittel der jeweiligen Monatsmiete, die Vermieter verzichten auf ein Drittel – und das letzte Drittel schiesst, ohne Forderung auf spätere Rückzahlung, der Kanton ein.

Für diese Einigung zwischen Mietern und Vermietern, die auf freiwilliger Basis beruht, wirft Basel-Stadt 18 Millionen Franken auf. Die Regierungsvorlage berücksichtigt Netto-Monatsmieten bis maximal 20 000 Franken, der kantonale Beitrag beläuft sich damit auf höchstens 6700 Franken pro Betrieb und Monat. Das Hilfspaket bedingt gemäss Vorlage, dass ein Betrieb keine Mitarbeiter krisenbedingt kündigen oder zu schlechteren Bedingungen beschäftigen darf. Diese Selbstdeklaration kann gemäss Finanzdirektorin Tanja Soland nicht kontrolliert werden, man gehe jedoch davon aus, dass Unternehmer dahingehend Wort hielten.

«Das Rettungspaket ist für Betriebe nicht nur eine finanzielle Hilfe», sagt Maurus Ebneter, Präsident des Wirteverbands Basel-Stadt. «Das klare Bekenntnis der Politik, dass die Last dieser Krise auf mehrere Schultern verteilt gehört, hebt die Moral und bringt die Zuversicht zurück.» Was dem Kanton nun kurzfristig viel koste, werde sich in der langen Frist um ein Vielfaches auszahlen, ist Ebneter überzeugt: «Die Miete macht für viele Betriebe einen Grossteil der Fixkosten aus. Die Frage, ob es hier eine Entlastung gibt, entscheidet über Existenzen. Es ist zudem im Interesse der Allgemeinheit, eine hohe Verschuldung oder den Konkurs vieler bisher gesunder Unternehmen abzuwenden.» Das in Basel-Stadt beschlossene Rettungspaket sei ein schönes Beispiel dafür, wie Einigung im Kleinen gelinge: «Gespräche funktionieren besser, wenn man einander kennt.» Er spielt damit auf die von Bundesrat Guy Parmelin eingesetzte Taskforce «Arbeitsgruppe Geschäftsmieten» an, die, wie Ebneter moniert, «vor allem aus Juristen besteht, die an den Herausforderungen im Gewerbe vorbeidebattieren».

Die Sozialpartner hinter dem Rettungspaket (v.l.n.r.): Andreas Zappalà und Helmut Hersberger (Hauseigentümerverband), Andreas Biedermann (SVIT), Maurus Ebneter (Wirteverband), Kathrin Bichsel, Beat Leuthard und Patrizia Bernasconi (Mieterverband Basel)

Das nächste Treffen besagter Taskforce ist auf den 28. Mai veranschlagt. Lösungsvorschläge sind bis zur Sommersession Anfang Juni keine zu erwarten. Dann erst will das Parlament voraussichtlich die Motion behandeln, die die Wirtschaftskommission (WAK) des Nationalrats vergangene Woche beschlossen hat. Demzufolge sollen Gewerbetreibende, deren monatlicher Mietzins maximal 20 000 Franken beträgt, ihrem Vermieter für die Dauer der behördlich angeordneten Betriebsschliessung nur 40 Prozent der Miete schulden, die restlichen 60 Prozent müsste demnach der Vermieter tragen. Einer Mitteilung der Parlamentsdienste zufolge sollen auch Betriebe, die ihre Aktivitäten reduzieren mussten, in begrenztem Umfang von einer Ermässigung profitieren. Bei einem Mietzins zwischen 15 000 und 20 000 Franken können Mieter und Vermieter im Bedarfsfall auf eine einvernehmliche Lösung verzichten und vor Gericht gehen. Die ursprüngliche Motion der Nationalratskommission sah für vom Bundesrat geschlossene Betriebe eine Mietzinsreduktion von 70 Prozent vor. Sie scheiterte jedoch im Ständerat, der die Forderungen stark anpasste – und mit seinem Änderungsvorschlag im Nationalrat wiederum auf Granit biss.

Seither warten Gastronomen und andere Gewerbetreibende auf ein Zeichen aus Bern. In Genf, Waadt und Freiburg hatten Verbände und Kantone im Hinblick bereits im April Einigungen erzielt. Was den Umfang der Mietzinsreduktion und die damit verbundene Beteiligung des Kantons angeht, ist das Stadtbasler Beispiel jedoch einzigartig – noch: Am Donnerstag hat auch der Baselbieter Landrat die Regierung nach einer langen Debatte beauftragt, ein Hilfsmodell nach baselstädtischem Vorbild zu schnüren. Der Vorschlag aus Baselland soll in einem Monat auf dem Tisch liegen. Dass die Lösung in weiteren Kantonen Schule machen wird, hofft Ebneter vom Stadtbasler Wirteverband: «Die Stimmung unter den Gastronomen ist angespannt. Gleichzeitig spüre ich in der Branche den entschiedenen Willen, der Krise die Stirn zu bieten, das Beste zu geben. Die meisten wollen weitermachen – aber eben nicht ausbluten.»



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