Ein bisschen Harmonie
Mit dem spanischen Drei-Sterne-Koch Quique Dacosta feierte Andreas Caminada im März auf Schloss Schauenstein seine Four-Hands-Premiere am eigenen Herd. Und fand Gefallen daran.
«Wir haben nicht die Manpower um gleich morgen irgendwo auf der Welt ein Restaurant aufzusperren. »
Sie wollten eigentlich Musiker werden. Welcher Song entspricht Ihnen am ehesten?
Gaggan Anand: «Come as you are» von Nirvana.
Sie haben die Sous-vide-Technik aus Ihrer Küche verbannt. Wieso?
Gaggan Anand: Weil sie für die indische Küche ein Desaster ist.
Interessant. Immerhin lernten Sie im El Bulli.
Gaggan Anand: Ja, und darum hiess es dann schnell, ich koche so wie Ferran Adrià. Dazu sage ich: fuck off. Klar, habe ich in Spanien viel gelernt. Aber beim Kochen geht es um Progression. Jeder muss irgendwo anfangen, um dann einen eigenen Weg zu finden. Meine Gerichte sind hässlich, schwarz, frittiert, bitter und sie kommen nackt auf den Tisch. Nehmen Sie meinen im Bananenblatt gegarten Fisch. Er repräsentiert eine spezielle Kochtechnik aus meiner Kultur und meiner Küche. Sous-vide funktioniert das nicht.
Wie haben Sie das gemeinsame Kochen empfunden?
Andreas Caminada: Ich dachte, dass Gaggan stärker molekular unterwegs ist. Bei uns kochte er sehr spontan, mit Zutaten, die gerade da waren. Seine Küche ist ein schöner Kontrast zu dem, was wir hier auf Schauenstein sonst machen. Dazu ist er ein sehr guter Entertainer mit einer positiven Ausstrahlung, ein cooler Typ.
Stipendiaten des Nachwuchsförderungsprojekts Uccelin können sich theoretisch auch im Restaurant Gaggan in Bangkok weiterbilden.
Andreas Caminada: Ja, Gaggan gehörte schon vor der Stiftungsgründung zu den ersten Unterstützern von Uccelin und sein Restaurant steht selbstverständlich auf unser Liste.
Wie lautet Ihr Fazit nach drei Jahren Uccelin?
Andreas Caminada: Wir sind immer noch im Aufbau. Es ist extrem viel Arbeit, auch weil wir es richtig machen wollen. Bis heute haben 16 Personen das 20-Wochen-Programm durchlaufen. Und alle konnten in dieser Zeit enorm profitieren. Es melden sich immer noch mehr Köche als Service-Kräfte an. Vielleicht müssen wir stärker kommunizieren, dass auch die Leute an der Front sich bewerben und so in völlig unterschiedliche Betriebe schauen können. Zudem wünschte ich mir, dass noch mehr Frauen mitmachen.
Sie sagen, Sie hätten sich ein Projekt wie Uccelin für Ihre eigene Karriere gewünscht.
Gaggan Anand: Meine Eltern waren arm. Ich hatte keine Hilfe und musste einen Kredit aufnehmen, um das Handwerk zu lernen. Danach musste ich einen Haufen falsche Sachen machen, um das Geld zurückzahlen. Zwei Jahre lang kochte ich für die falschen Leute, in den falschen Restaurants.
Seit 2010 sorgen Sie im Restaurant Gaggan in Bangkok für Furore, meistens ohne Besteck.
Gaggan Anand: Als wir berühmt wurden, kamen plötzlich zahlreiche Foodies zu uns, mit 100 000 Followers auf Instagram, der Rolex am Arm und einer fetten Kamera über der Schulter. Die denken sie seien die Könige der Welt, aber sie wissen nichts vom Essen, so wie ich es seit 22 Jahren koche. Ich überlegte mir, wie ich diese Gäste dazu kriege, sich zu hinterfragen. Also liess ich sie mit den Händen essen. Mit dreckigen Fingern ist es schwieriger, eine Kamera zu bedienen. Man soll keine Fotos aus dem Restaurant nehmen, sondern Erinnerungen. Das ist der eine Grund.
Und der andere?
Gaggan Anand: In Asien haben die Leute keine Zeit für die Gourmetküche. Und sie sind eben erst reich geworden. Es fehlt ihnen an der Kultur. Wenn ich also 25 Gänge serviere und bei jedem Gang zwei Minuten spare, weil ich das Besteck nicht austausche, spare ich dem Kunden 50 Minuten. Und Zeit ist in Asien Geld.
Apropos Asien, gibt es Pläne für ein Restaurant Caminada im Ausland?
Andreas Caminada: Wenn wir etwas machen, dann sicher mit dem Igniv-Konzept, weil es dafür meine Person bei der operativen Umsetzung nicht so stark braucht. Im Igniv im Grand Resort Bad Ragaz ist Silvio Germann der Star, im Igniv im Badrutt’s St. Moritz Marcel Skibba.
Ein Igniv-Restaurant im Ausland ist also durchaus realistisch?
Andreas Caminada: Wir haben nicht die Manpower um gleich morgen irgendwo auf der Welt ein Restaurant aufzusperren. Aber wir werden in den kommenden Wochen an einigen Orten in Asien in Form von Pop-ups testen, ob es überhaupt einen Markt für uns gibt. Marcel Skibba ist mit einem Koch bereits abgereist. Zusammen checken sie vier Destinationen und bereiten alles für die Pop-ups vor, produzieren etwa die nötigen Jus. Ich reise kommenden Montag mit drei Köchen nach.
Wo geht die Reise hin?
Andreas Caminada: Wir kochen für Gäste in Singapur, Bangkok, Shanghai und Kuala Lumpur. Nächsten Frühling sind nochmals zwei Orte geplant. Ich könnte mir auch ein Restaurant in London oder einem südeuropäischen Land vorstellen.
2015 starteten Sarah und Andreas Caminada die Fundaziun Uccelin. Das 20-Wochen-Ausbildungsprogramm richtet sich an Köche wie auch an Servicefachkräfte, die jünger sind als 35 Jahre und mindestens fünf Jahre Berufserfahrung mitbringen. Ziel des Projekts ist es, Talente gezielt in ihren handwerklichen Fähigkeiten zu fördern, um die Qualität in der Spitzengastronomie nachhaltig zu gewährleisten. Dafür steht den Stipendiaten ein weltweites Netzwerk an Restaurants und Produzenten zu Verfügung. Bis heute haben 16 Personen das Programm erfolgreich durchlaufen.
www.uccelin.com