Premiere beim zweiten Mal

In St. Moritz haben sich die beiden Drei-Sterne-Köche Emmanuel Renaut und Julien Royer einen Abend lang die Küche geteilt. Im Interview verraten sie, warum sie das persönlich weiterbringt.
Interview: Sarah Kohler – Fotos: David Hubacher, z. V. g.
Veröffentlicht: 31.01.2024
Emmanuel Renaut hält seinen dritten Stern im Flocons de Sel in Megève seit 2012.
Julien Royer ist im Odette in Singapur mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet.

«Ach, wir führen hier doch keinen Wettbewerb!»

Sagen Sie mal: Mögen Sie das Konzept des Four Hands Dinners eigentlich?
Julien Royer: Unbedingt! Daraus ergibt sich ein guter Austausch. Man erlebt Neues, trifft auf andere Geschmäcker und bricht mit der eigenen Routine. Ich finde, ich lerne dabei immer etwas.

Haben Sie ein konkretes Beispiel im Kopf?
Royer: Vor kurzem kochte ich gemeinsam mit einem mexikanischen Küchenchef. Ich war bis dahin ein regelrechter Novize, was die mexikanische Küche und Kultur betrifft, hatte kaum Ahnung von den Zutaten. Also war das für mich sehr spannend: Ich erfuhr so viel über Mais und Tacos, über die mexikanische Tradition, Ameisen zum Kochen zu verwenden, oder darüber, dass man Kakteen in der Küche weniger fürs Aroma, sondern vielmehr für die Textur einsetzt. Man lernt wirklich immer etwas! Essen und Gastronomie bringen Menschen zusammen – das gilt auch für uns Köche.
Emmanuel Renaut: Das ist wahr. Es geht immer auch darum, etwas zu teilen. Wir haben in unseren Positionen das Glück, viel herumzukommen und spannende Köchinnen und Köche zu treffen. Es ist schön, dabei die Perspektive des Gegenübers kennenzulernen. Ausserdem können wir im Rahmen von Four Hands Dinners auch unsere Kontakte pflegen. Ganz ehrlich: Wir arbeiten alle viel und haben wenig Zeit, uns nebenher noch zu verabreden. Events wie das St. Moritz Gourmet Festival – insbesondere an so einem tollen Ort und mit so einem tollen Format – sind eine willkommene Gelegenheit, einander zu sehen.

Sie beide haben allerdings noch nie zusammen gekocht.
Royer: Wir haben uns schon mal die Küche geteilt, am Event eines gemeinsamen Freundes. Tatsächlich ist das sogar erst zwei Wochen her.
Renaut: Aber da waren ganz viele verschiedene Köchinnen und Köche beteiligt und wir steuerten beide einfach einen Gang bei. Dass wir zwei zusammen ein Menü bestreiten, ist hier in St. Moritz eine Premiere. Ich freu mich drauf!

Nun sind Sie es beide ja gewohnt, in der KĂĽche den Ton anzugeben. Ist das kein Problem?
Royer: Ach, wir führen hier doch keinen Wettbewerb! Wir wollen uns nicht messen, sondern teilen – und etwas Schönes für die Gäste kreieren, voneinander lernen und Spass haben.
Renaut: Wir tauschten uns im Vorfeld ganz entspannt über Zoom aus und besprachen, wer sich worum kümmert. Null Druck!

Am St. Moritz Gourmet Festival sind zehn Drei-Sterne-Köche versammelt – und Sie, Monsieur Renaut, sind offiziell als Special Guest gelistet. Wie fühlt sich das an?
Renaut: Ich glaube, wie für alle anderen auch. Es ist einfach ein grossartiger Event, eins der bekanntesten kulinarischen Festivals der Welt – und das seit 30 Jahren. Als ich vor zehn oder zwölf Jahren das erste Mal mit von der Partie war, war ich vom Konzept der Kitchen Party dermassen inspiriert, dass ich ein ähnliches Format seither auch bei mir im Flocons de Sel durchführe.

Emmanuel Renaut beim Four Hands Dinner im Suvretta House.
Felche aus dem Genfersee, leicht geräuchert und gesalzen, mit Bärenklau-Saft – von Emmanuel Renaut
Julien Royer beim Four Hands Dinner im Suvretta House.
Taschenkrebs aus der Normandie mit Apfel-Gelee, Ingwer, Apfelsorbet und Avocado – von Julien Royer

Auch Sie, Monsieur Royer, waren bereits einmal Teil des Line-ups.
Royer: Genau, vor sieben Jahren war ich ebenfalls als Gastkoch hier. Und mir gehts ähnlich: Ich finde das Festival mit seinen Anlässen wie der Kitchen Party oder den Kitchen Safaris einzigartig.

Inwiefern ist es fĂĽr Sie als KĂĽchenchefs wichtig, aus der gewohnten Umgebung rauszukommen?
Royer: Ich halte das für entscheidend. Wer zu lang an einem Ort bleibt, verliert seine Offenheit der Welt gegenüber. Wer hingegen reist und rausgeht, erkennt, wie viel es zu lernen gibt – über verschiedene Kochtechniken zum Beispiel. Und am Ende kann man von dem, was einem begegnet, ja einfach mitnehmen, was man möchte.
Renaut: Und wohin man auch geht: Irgendwas bringt man in seinem Koffer immer nach Hause!

Apropos mitbringen: Hatten Sie bei Ihrer Ankunft hier viel für die Gastauftritte im Gepäck?
Royer: Nicht wirklich. Weil sich alles, was wir brauchen, in guter Qualität auch hier organisieren lässt.
Renaut: Wir hingegen haben alle Zutaten mitgebracht. Aber wir hatten von Megève her auch eine relativ kurze Anreise. Je nachdem, wo ich koche, bringe ich ebenfalls möglichst nichts mit. Das ist immer vom Ort abhängig – und davon, ob das, was ich brauche, verfügbar ist.
Royer: Deshalb passen wir die Gerichte ja immer auch an die Gegebenheiten vor Ort an. Anders gehts nicht, das muss man sehen. Es ist schlicht nicht möglich, auswärts das gleiche Menü zu kochen wie im eigenen Restaurant, dafür fehlt einfach zu vieles.

Und was ist für Sie insgesamt die grösste Herausforderung am Kochen auswärts?
Renaut: Ach, manchmal ist es ganz einfach, und manchmal ist es sehr schwierig. Ich habe ein paar regelrecht albtraumhafte Erfahrungen gemacht… Einmal in Indien beispielsweise, da hatten wir im Vorfeld zugesichert bekommen, dass alles auf unserer Einkaufsliste verfügbar sein wird. Nichts war da. Ein anderes Mal in Marokko erhielten wir sämtliche Zutaten etwa eine Stunde vor dem Dinner. Da muss man dann schon sehr tief durchatmen.
Royer: Und einfach weiter sein Bestes geben!

Im Rahmen der 30. Ausgabe des St. Moritz Gourmet Festival, das in diesen Tagen stattfindet, stand auch das Four-Hands-Dinner von Emmanuel Renaut (Flocons de Sel, Megève, Frankreich) und Julien Royer (Odette, Singapur, Singapur) auf dem Programm. Wir haben die beiden Drei-Sterne-Köche im Vorfeld zum gemeinsamen Gespräch getroffen.
stmoritz-gourmetfestival.ch, suvrettahouse.ch



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