Als Jüngster im erlauchten Kreis
Der Gault & Millau hat in Ascona seine Auswahl 2025 vorgestellt. Marco Campanella mischt die Spitze auf – und für Mitja Birlo gibts eine eigene Kategorie.
«Im Mittagsgeschäft werden wir digitale Konzepte in Zukunft vielleicht häufiger sehen. Abends käme das für mich nicht infrage.»
Auf den ersten Blick wähnt man sich in einer Gaststätte, wie sie sich in urbanen Zentren oft präsentiert: loungig, luftig, ein bisschen puristisch. In der Data Kitchen im Herzen Berlins gibt es Stühle, Tische und Sofas, aber weder Speisekarten, Bargeld noch Kellner. Hinter der Bar stehen zwar ausgebildete Servicemitarbeiter, die schenken aber keine Drinks aus, sondern erläutern dem Gast das System. Dieses ist durchaus erklärungsbedürftig, wenn nicht gar revolutionär, denn die Data Kitchen ist das erste digitale Restaurant Europas. Wer hier speist, bestellt im Vorfeld per App, tippt die gewünschte Ankunftszeit ein und erfährt per Mail, wann es Zeit ist, sich auf den Weg zu machen. Einmal im Restaurant, entnimmt der Gast das auf seinen Username lautende Essen der «Foodwall», einer gläsernen Wand, unterteilt in Boxen, die aussehen wie aufeinandergestapelte Bildschirme und sich – natürlich – via App öffnen lassen. Dann folgt der analoge Teil: Speisen am Tisch, mit Gabel, Messer und Gesellschaft, wie es im Restaurant eben üblich ist. Bloss muss hier niemand warten, weder auf die Bestellung noch auf die Rechnung. Bezahlt wird über Paypal oder mit der Kreditkarte.
Geistiger Vater der Data Kitchen ist Heinz «Cookie» Gindullis, eine Berliner Clubgrösse, die vor ein paar Jahren unter die Gastronomen ging und sich in dieser Rolle erfolgreich behauptet. Zu Gindullis' Betrieben gehört unter anderem das Cookies Cream, der vegetarische Fine-Dinig-Pionier Berlins, jüngst mit seinem ersten Michelin-Stern ausgezeichnet. Für die Data Kitchen hat der umtriebige Gastronom mit SAP zusammengespannt. Vor knapp einem Jahr eröffnete der Software-Riese in Berlin-Mitte seinen Data Space, wo sich die Start-up-Szene der Hauptstadt zum Arbeiten, Austauschen und Networking trifft. Inmitten dieses Zukunftslabors hat Ende 2016 die Data Kitchen den Betrieb aufgenommen. Sie bietet Platz für rund 50 Gäste, zusätzliche 70 Plätze gibts im Sommer auf der Terrasse.
Anfangs seien die Gäste skeptisch, sagt Gindullis. Sich registrieren, durchs Menü blättern, vorauszahlen – «das alles stellt schon eine gewisse Hürde dar». Aber: «Wers einmal macht, wird es lieben.» Er sei sehr zufrieden mit dem ersten Geschäftsjahr, sagt Gindullis, und freue sich über viele Stammgäste. Diesen dürfte gefallen, dass sich die Data Kitchen allen technischen Schnickschnacks zum Trotz nicht als futuristische Kantine präsentiert, sondern im Kern auf durchaus traditionelle gastfreundschaftliche Werte setzt. Auch wenn kein Kellner die Bestellung aufnimmt, hat Gindullis nicht an Personal gespart, das Gästen einen freundlichen Empfang bereiten, etwas zu den Gerichten erzählen und stets nach dem Rechten sehen kann. Küchenchef Alexander Brosin, der seine Sporen bei diversen Spitzenköchen abverdient hat, bezieht seine Rohstoffe nach Möglichkeit von Produzenten aus der Umgebung. Kritiker überzeugt er mit einer bodenständigen, von den Berliner Kiezen inspirierten Küche, der es nicht an der nötigen Raffinesse mangelt.
Zeitersparnis, so lautet das schlagende Argument für digitale Restaurantkonzepte, die ihren Ursprung in den USA haben. «Die Mittagspause ist ohnehin kurz», sagt Gindullis, «wer will da noch Zeit mit Warten verlieren?» Sieht so also die Gastronomie der Zukunft aus? Digitalpionier Gindullis relativiert: «Im Mittagsgeschäft werden wir solche Konzepte in Zukunft vielleicht häufiger sehen. Abends käme das für mich nicht infrage. Da will ich meinen Gästen ein Erlebnis bieten, bei dem die Zeit keine Rolle spielt, sondern bestenfalls vergessen geht.»
Mehr Informationen zur Data Kitchen gibts hier.