Als Jüngster im erlauchten Kreis
Der Gault & Millau hat in Ascona seine Auswahl 2025 vorgestellt. Marco Campanella mischt die Spitze auf – und für Mitja Birlo gibts eine eigene Kategorie.
«Ich saugte alles auf wie ein Schwamm und machte viele Fotos.»
«Die sechs Wochen hier im Grand Hyatt in Hongkong sind wie im Flug vergangen. Trotz der kurzen Zeit konnte ich in fast allen der sieben Restaurants im Haus arbeiten. In der traditionell kantonesischen Küche des One Harbour Road etwa, wo man mit Englisch nicht so weit kommt und vor allem mit den Augen lernt. Oder in der Patisserie, in der die Desserts für alle Outlets produziert werden. Hierher kam ich sogar in der Freizeit, denn Smita Grosse ist eine super Chefin, die einen mitnimmt und fördert.
Am meisten geprägt hat mich aber die Zeit im italienischen Fine-Dining-Restaurant Grissini mit Alessandro Cozzolino als Küchenchef. Die Stimmung in der Küche packte mich: Die Stille, wenn der Chef etwas sagt, das «Oui, Chef», wenn er fertig ist. Die Perfektion von Anfang an, das Anrichten auf den Millimeter genau. Wie alle Küchen im Hotel passt sich auch das Grissini an den asiatischen Gaumen an; gekocht wird mit wenig Salz und viel Schärfe.
Dass die meisten Küchenchefs im Grand Hyatt Europäer sind, hat man mir mit dem Aus- und Weiterbildungssystem erklärt. In Hong Kong haben die meisten keine Lehre gemacht, sondern einfach irgendwann angefangen, in der Küche zu arbeiten. Das traditionelle Wissen wird mündlich weitergegeben. Der Nachteil ist, dass sich neue Ideen nur langsam durchsetzen. Das Bewusstsein für Foodwaste und Kosten ist wenig ausgeprägt.
Der Wasserhahn läuft eigentlich immer. Alle Lebensmittel werden gewässert, wodurch wertvolle Mineralien und Vitamine verloren gehen. Besonders schockiert hat mich aber der Umgang mit Tieren, insbesondere im Grand Café. Da wurde Hummer, hier ein Billigprodukt, noch lebend in den kalten Steamer geworfen und dann auf 180 Grad erhitzt. Die Köche begründen das mit dem Geschmack, auch wenn das Gegenteil passiert: Der Hummer wird zäh.
Was mich wirklich umgehauen hat, ist, wie offen wir hier empfangen wurden. Dabei wurden wir in der Schweiz noch gewarnt, dass hier niemand auf uns gewartet hat. Das stimmt zwar, aber das war nicht das Gefühl, das man uns gab. Wenn man am Morgen in die Küche kommt, haben alle Köche ein Lächeln im Gesicht. Von der Freude und Motivation am Arbeiten könnten sich Schweizer Köche eine grosse Scheibe abschneiden.
An meinen freien Tagen ging ich oft auf den Markt. Bei manchen Produkten wollte ich gar nicht so genau wissen, was es ist. Bei anderen dafür umso mehr. In der Küche konnten sie mir nicht gross helfen, weil die Köche meist nur die chinesischen Namen der Lebensmittel kennen. Es gab viel Seafood, getrocknet und frisch, zum Beispiel frische Seegurken, verschiedenste Fische, Insekten, Gojibeeren – die sehr verbreitet sind – und Vogelnester, von denen ich noch nicht weiss, was man damit macht. Ich saugte alles auf wie ein Schwamm und machte viele Fotos, um zu recherchieren, wenn ich wieder in der Schweiz bin. Nach meiner Stage hier bin ich noch motivierter als zuvor. Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist.»
Zur Person
Tom Walter ist Koch im zweiten Lehrjahr im Hotel Kettenbrücke in Aarau. Während einer sechswöchigen Stage vom 18. Juni bis 26. Juli, ausgewählt von Gastroaargau und den Schulen BB-Baden und BS-Aarau, erhielt der 18-Jährige Einblick in die vielen Küchen des Hotels Grand Hyatt in Hongkong. In seiner Freizeit streifte er durch die Märkte der Stadt und lernte so die kantonesische Küche noch von einer anderen Seite kennen.
Zur Serie
In Stages im Ausland erweitern junge Köche ihren kulinarischen und kulturellen Horizont, vertiefen das Handwerk und tragen Erinnerungen fürs Leben nach Hause. Anderen hingegen gefällt es so gut, dass sie gleich da bleiben. Weil die dabei gemachten Erfahrungen zu wertvoll sind, um sie nicht zu teilen, lassen wir im Rahmen unserer Webserie «Auf Wanderschaft» Köche zu Wort kommen, die im Ausland gearbeitet haben.