Teller ablecken? Nicht verboten.

Sein Pop-up Anoah geht in die dritte Runde: Im Interview spricht Noah Rechsteiner, mutmasslich jüngster Gastronom der Schweiz, über Veganuary, Experimente und Verantwortung im Gastgewerbe.
Interview: Simone Knittel – Fotos: Larissa Schneider
Veröffentlicht: 13.01.2022

 «Ich kann meine Ideen verwirklichen, ohne dass mir Grenzen gesetzt werden.»

Was dürfen die Gäste von der dritten Ausgabe Ihres Pop-ups Anoah erwarten?
Noah Rechsteiner: Ich probiere gerne Neues aus und will, dass meine Gäste Spass haben. Mein Gericht «Lick me up» etwa ist ziemlich verspielt: Ein Dhal- und Kürbispüree wird ohne Besteck serviert. Das Püree darf ausnahmsweise vom Teller geschleckt werden. Ich bin gespannt auf die Reaktionen. Neben meinem Signatur Dish «Purple Rain» – einem Trüffelrisotto im Rotkohlblatt – gibt es auch einen Gang, der Kindheitserinnerungen wecken soll. Ein Fischstäbchen wie früher, als man über Mittag in Grossmutters Küche ass. Natürlich ist das Fischstäbchen rein pflanzlich – wie meine ganze Küche.

Veganuary ist zurzeit in aller Munde. Merken Sie das an den Reservierungen?
Wir sind seit unserem Start im Dezember sehr gut gebucht, doch das liegt auch daran, dass man unser Pop-up bereits kennt und die Zürcherinnen und Zürcher gerne Neues ausprobieren. Privat fällt mir aber durchaus auf, dass vor dem veganen Kühlregal im Supermarkt mehr Kundschaft steht als sonst.

Das saisonale Angebot an Gemüse und Obst ist im Januar im Vergleich zu den Sommermonaten karg. Haben Sie einen Tipp für etwas mehr Spielraum?
Ich peppe die bekannten Wintergemüse gerne mit neuen Zubereitungsarten auf. Wir servieren im Anoah zum klassischen Kartoffelstock unsere süss-sauer eingelegten Pastinaken. Dafür die Pastinake halbieren, in Streifen schneiden und für einige Stunden oder Tage in eine Mischung aus Wasser, Essig und Zucker zu gleichen Teilen einlegen. Auch andere Gemüse bieten sich für solche Pickles an. Falls man einmal zu viele Karotten im Kühlschrank hat, kann man diese einmachen und so länger aufbewahren. Auch Gemüse, das nicht mehr ganz frisch ist, lässt sich so noch verwerten. Wir legen übrigens auch Topinambur ein und rösten ihn danach in der Pfanne. Das ergibt ganz neue Geschmacksnoten.

Mal abgesehen von der veganen Küche, was zeichnet Sie als Gastronom aus?
Mit 21 Jahren bin ich ein junger Chef, doch trotz meines Alters kann ich mich in meinem eigenen Restaurant voll und ganz entfalten. Ich kann meine Ideen umsetzen, ohne dass mir Grenzen gesetzt werden. Damit ist unsere Küche dynamischer als andere. Wenn etwas gut ankommt, kann ich es ausbauen. Wenn etwas nicht funktioniert, wird es gestrichen. Der Austausch mit meinen Gästen ist mir diesbezüglich sehr wichtig. Diese wiederum schätzen es, dass ich mich ehrlich erkundige, wie es ihnen geschmeckt hat. Diese Art zu arbeiten liegt mir sehr.

Auch beim Angebot an Getränken denken Sie vieles neu.
Genau. Wir servieren ausdrücklich keine klassischen Softgetränke. Sie passen schlicht nicht zu unserem Essen. Neben unserem Winepairing, für das wir hauptsächlich auf Naturweine setzen, bieten wir das Juicepairing an. Wobei Juicepairing eigentlich das falsche Wort ist: Wir haben für jeden Gang eigene, spannende Getränke entwickelt. Wir kombinieren Schwarztee mit Minze auf Eis zum indischen Gang. Die Vorspeise wird begleitet von einer Miso-Sesam-Brühe oder einem Apfel-Karotten-Randensaft, der wirklich wie ein Wein schmeckt. Das Dessert kombinieren wir mit einer hausgemachten Hafermilch mit weissem Schokosirup.

Welche Bedeutung hat die vegane Küche für Sie?
Ich denke nicht mehr in den Kategorien «vegan» oder «tierisch». Die pflanzliche Küche ist schlicht zu meinem Alltag geworden. Mir ist aber Nachhaltigkeit als ganzheitlicher Ansatz  wichtig: Dazu gehört auch die soziale Komponente. Als Arbeitgeber will ich meinem Team gute Bedingungen bieten. Wir testen aktuell die Viertage-Woche, weil wir gemerkt haben, dass wir auch an durchschnittlichen Arbeitstagen immer länger arbeiten. Mit drei Freitagen fallen diese langen Tage viel weniger ins Gewicht. Aber soziale Nachhaltigkeit geht auch über die Küche hinaus. Wir spenden pro Menü jeweils zwei Franken an Organisationen wie Smiling Gecko oder Sea Shepherd. Mir ist es wichtig, der Welt etwas zurückzugeben

Das Pop-up Anoah in der Zürcher Brauerstrasse 37 im Kreis sechs ist noch bis am 27. August geöffnet. Die Küche verwendet ausschliesslich pflanzliche Lebensmittel, die nach Möglichkeit biologisch angebaut werden und saisonal sind. Das Fünf-Gänge-Menüs kostet 95 Franken, optional mit Wein- oder Juicepairing ab 35 Franken. Weitere Informationen gibt es hier.



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