Was der Boden hergibt
Am diesjährigen Symposium besinnt sich Soil to Soul auf seine Wurzeln – und holt einen Star der portugiesischen Küche nach Zürich, dessen Konzept perfekt zur Veranstaltung passt.
Die Erfüllung des grossen Traums entpuppte sich als Katastrophenszenario.
«Versprochen.» Fast scheint es, also wolle sich Christoph Hunziker in erster Linie selbst überzeugen. «Das ist mein letzter Wettbewerb, im Ernst.» Der 40-Jährige nickt nachdrücklich und lacht.
Es ist so eine Sache mit Hunziker und den Wettbewerben. Er stieg zwar spät in den Zirkus ein, mit 24 erst, seither aber widmet er sich diesem «fast schon fanatisch». Premiere feierte er beim Swiss Culinary Cup 2010. «Da wurde ich im Finale voll abgesägt», erinnert er sich. «Ich filetierte meine Forelle, während alle anderen das vorbereitet hatten.» Hunziker nahm einen zweiten Anlauf: Auch im Swiss Culinary Cup 2011 reichte es nicht zum Sieg. Ein Jahr später versuchte sich der ambitionierte Berner beim Goldenen Koch, zog in die Endrunde ein, musste sich aber mit dem zweiten Platz begnügen. Immerhin knüpfte er die richtigen Kontakte – und lernte nicht zuletzt seine heutige Frau Sarah kennen, die die Kandidatinnen und Kandidaten betreute. 2012 war auch das Jahr, in dem sich Hunziker erstmals an die Schweizer Ausscheidung des Bocuse d'Or wagte – und eben- falls auf dem zweiten Platz landete. «Ich hatte definitiv Lunte gerochen.»
Zwei Jahre später trat Hunziker in beiden Wettbewerben wieder in den Ring, und ausgerechnet der Bocuse d'Or Suisse bescherte ihm seinen ersten Sieg. Mehr noch: Im europäischen Finale in Stockholm qualifizierte er sich für die Endrunde in Lyon. Die Erfüllung des grossen Traums entpuppte sich als Katastrophenszenario. Hunziker hatte sich zu viel vorgenommen, in den Herbst 2014 parallel zum Wettbewerbstraining auch noch die Vorbereitung für die Abschlussprüfung zum eidgenössisch diplomierten Küchenchef sowie den Kauf und die Konzeption des Schüpbärg-Beizli gepackt. «Ich dachte, ich schaffe alles.» Er wurde eines Besseren belehrt: «Wir hinkten nach einer halben Stunde hinterher, der Ravioliteig kam nicht aus der Maschine, ich hatte eine Auseinandersetzung mit dem Commis – und der Fisch ging gar nicht.» Platz 16, Hunziker hängte seine Wettbewerbskarriere an den Nagel.
2018 jedoch nahm die Lust am Kompetitiven wieder überhand. Hunziker kochte sich im Schweizer Bocuse d'Or einmal mehr auf den zweiten Platz. Zwei Jahre später, im aktuellen Wettbewerbszyklus also, entschied er das Rennen dafür wie- der für sich – und verdiente sich vergangenen März in Budapest in der europäischen Ausscheidung ein zweites Mal einen Finalplatz in Lyon.
Diesmal, in seinem letzten Wettbewerb – «wirklich!» –, soll alles besser laufen. Und warum auch nicht? Hunziker ist in all den vielen Wettbewerbsjahren zum erfahrenen Routinier gereift, und auch die Organisation des Schweizer Bocuse-d'Or-Teams wurde mit der Zeit professioneller. Unter dem Dach der Académie Culinaire Suisse steht dem Finalisten heute nicht nur ein gut aufgestelltes Kernteam zur Seite, sondern, wenige Autominuten vom Schüpbärg-Beizli in einer grossen Halle untergebracht, sogar eine mobile Trainingsküche.
Hier können sich Hunziker und sein Commis Céline Maier unter realistischen Bedingungen vorbereiten. Die Küchenbox, in der 2020 schon Ale Mordasini für den grossen Tag trainierte, entspricht der originalen Wettbewerbsumgebung in Lyon und ist modular konzipiert, damit sie an individuelle Bedürfnisse angepasst werden kann. Zum Beispiel hat Hunziker die Doppel-Scanbox seines Vorgängers auf eine einfache reduziert und das Wagensystem mit Gastronormblechen durch eines mit offenen Tablaren ersetzt. Von seinem Vorgänger übernehmen will er indes dessen Strukturiertheit. «Ich bin eher einer, der den Spachtel nicht immer an den gleichen Platz legt.»
Ansonsten möchte Hunziker vor allem sich selber bleiben. «Ich will mein Ding durchziehen, vielleicht braucht es für eine Superplatzierung ja genau das», sagt er, der sich selbst weniger Kreativität, dafür viel Fleiss und eine geschickte Hand in der Umsetzung attestiert. Wichtig sei diesmal auch die Analyse der Konkurrenz: «Wir haben in Budapest gesehen, dass es sich lohnt, das Reglement gut zu studieren und die Grauzonen auszuloten.» Das liege einem typischen Schweizer zwar nicht unbedingt, weil er damit Strafpunkte riskiere, so Hunziker, «aber die Topnationen kalkulieren so.»
Wie weit er im Januar in Lyon tatsächlich zu gehen bereit ist, wird sich zeigen. Bis dahin sind auf jeden Fall sorgfältige Denkarbeit und ein knochenhartes Training angesagt. Seit dem ersten grossen Meeting mit Coach Dominic Bucher Mitte August steht Hunziker zwei Tage pro Woche in der Trainingsbox, ab November doppelt so oft und in den letzten drei Wochen vor dem Wettbewerb «eigentlich immer». Währenddessen wird Küchenchef Lukas Schär die Küche im Schüpbärg-Beizli stemmen. «Ich nehme zwar am Bocuse d’Or teil, aber der Wettbewerb betrifft uns eben alle», sagt Hunziker. Ein letztes Mal. «Versprochen.»
Die Organisation
Die 2007 von Philippe Rochat und Lucien Mosimann ins Leben gerufene Académie Culinaire Suisse (bisher Académie Bocuse d’Or) verantwortet unter anderem die Schweizer Teilnahme am Kochwettbewerb Bocuse d’Or. Die Organisation wurde kontinuierlich professionalisiert, nicht zuletzt mit dem Bau einer mobilen, modular konzipierten Trainingsküche. La Cuisine Philippe Rochat steht dem jeweiligen Kandidaten respektive der Kandidatin seit 2020 am eigenen Wohnort zur Verfügung und sorgt dafür, dass das Schweizer Team sich unter realistischen Bedingungen vorbereiten kann.
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Die Endrunde
Am 22. und 23. Januar geht in Lyon das Weltfinale des Bocuse d’Or über die Bühne. Unter den 24 Nationen, die sich dafür qualifizierten, ist auch die Schweiz. Sie wird von Christoph Hunziker und seinem Commis Céline Maier vertreten, die in der europäischen Ausscheidung letzten März in Budapest auf dem neunten Platz landeten. Zu ihrem Kernteam gehören ausserdem Coach Dominic Bucher sowie Sarah Hunziker, die sich unter anderem ums Marketing kümmert. Das Wettbewerbsprogramm fürs Weltfinale erscheint Ende September.
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