«Es war ein Abenteuer»

Die Ausschreibung für die Swiss SVG-Trophy 2021 läuft noch bis Mitte November. Die Drittplatzierten der letzten Ausgabe erzählen von ihrer einmaligen Erfahrung – und sagen, warum sich die Teilnahme lohnt.
Text: Virginia Nolan – Fotos: Njazi Nivokazi
Veröffentlicht: 13.10.2020 | Aus: Salz & Pfeffer 6/2020

«Dem Finale fieberte der ganze Betrieb entgegen.»

«Damit hätten wir im Leben nie gerechnet», sagt Margret Thöni über den Moment, als klar wurde, dass ihr Team ins Finale der Swiss SVG-Trophy 2019 einzieht. Auch heute noch, über ein Jahr später, sind die Erinnerungen an den Wettkampf lebhaft. «Weisst du noch, als plötzlich das Kartoffel-Feldsalat-Püree ausging?», fragt ihr Kollege Timo Fuchs und lacht. «Das ganze Dorf half mit, Stocki aufzutreiben, damit wir den Engpass umschiffen konnten.» Nicht nur der Wettbewerb, auch die Vorbereitung darauf sei eine einmalige Erfahrung gewesen, sagt Küchenchefin Thöni: «Wir haben viel gelernt – und sind als Team noch stärker zusammengewachsen. Es war ein Abenteuer, an das ich gerne zurückdenke.»

Die Swiss SVG-Trophy ist der einzige Schweizer Kochwettbewerb für die Spital-, Heim- und Gemeinschaftsgastronomie.  «Mitmachen lohnt sich nur schon für die Erfahrung», findet Thöni, die im Altersheim Birgli in Brienz kocht und mit Fuchs sowie ihrer damaligen Lernenden Emma Blöchlinger antrat. «Man darf bloss nicht zu viel Scheu haben. Wir dachten, wir hätten keine Chance, wo wir doch eine vergleichsweise kleine Nummer sind.» In der Tat ist die Brigade im Berner Oberländer Altersheim überschaubar: Sie besteht aus der Leiterin Hotellerie Thöni, dem stellvertretenden Leiter Küche Fuchs, einer weiteren Köchin in Teilzeit und einer Lernenden. Das Team kocht für die 41 Heimbewohner, externe Besucher, die im Haus eingemietete Kinderkrippe, den externen Mahlzeitendienst und die Tagesschule im Dorf – insgesamt über 200 Gerichte pro Tag. «Wir sind ein eingespieltes Team», sagt Thöni, seit 17 Jahren im Betrieb. «Und ihr stellt euer Licht gern mal unter den Scheffel», fügt Geschäftsführerin Kristin Schmidt schmunzelnd an. Es habe etwas Überzeugungsarbeit gebraucht, ihr Küchenteam für den Wettbewerb zu ermutigen.

«Eins war klar», sagt Fuchs, «wenn wir es machen, dann richtig.» Thöni bestätigt: «Es sollte kein 08/15-Dossier werden. Wir wollten etwas Spezielles erarbeiten und unsere Region im Blick behalten.» Die Vorgabe war klar: ein Drei-Gänge-Menü für 80 Personen, wobei der Warenaufwand pro Person maximal 10 Franken betragen durfte. Im Menü enthalten: eine kalte und eine warme Vorspeise mit hellem Mastgeflügel und Saisongemüse, ein Hauptgang aus Schlachtfleisch, gebraten und gedünstet, mit Stärkebeilage und Gemüse sowie ein kaltes und ein warmes Dessert zum Thema Fasnacht. «Die ist bei uns in der Gegend so gar kein Thema», so Thöni, «da mussten wir uns einlesen.»

Das Auge isst mit – auch im Altersheim. Hier der Fitnessteller.
Währschaftes kommt gut an: Siedfleisch, Rahmwirz und Schmelzkartoffeln.

Im Menüvorschlag hingegen sollte die eigene Region gebührend vertreten sein, und zwar mit ihren kulinarischen Schätzen. So spielte in der Vorspeise «Baumgesang mit Hauch von Kaffee fertig» etwa die Rottanne, am Brienzersee reichlich vertreten, eine Hauptrolle. Das Küchenteam kochte Rottannenholz aus und vermählte es mit Geflügelfond und Rahm zu einer Espuma, die mit einem Kürbis-Sesam-Spiess und Geflügelgalantine samt Zwiebel-Chutney unter Blattgold daherkam. Als ein «Aufbäumen der Naturgeister in der Speisekammer» kündigte sich der Hauptgang an, der mit niedergegartem Kalbfleisch, Haslitaler Honig und Brienzer Heuschaum sowie gedünsteten Schulterwürfeln vom Natura-Beef und Ballenberger Holzkohle auftrumpfte. Ein Kartoffel-Feldsalat-Püree und glasierte Schwarzwurzel-Randen-Konfetti rundeten den Teller ab. «Das Kalb- und das Rindfleisch stammten aus dem Betrieb meiner Familie», sagt Thöni. Die Kohle im Kalbsfond kam vom Ballenberg, wo das gleichnamige Freilichtmuseum eine Köhlerei im ursprünglichen Stil betreibt. Fürs süsse Finale sorgte der «Fasnachts(alp)traum», ein Schokoladenküchlein mit roter Zuckerhaube, begleitet von einem Sauerkraut-Apfel-Sorbet und karamellisierten Apfelschnitzen. «Sauerkraut im Dessert», sagt Fuchs, «das sorgte zunächst für Erstaunen, fand aber grossen Anklang.»

Auf die Swiss SVG-Trophy, deren Finale jeweils in den sechs nominierten Betrie ben stattfindet, hat sich im Altersheim Birgli nicht nur die Küche, sondern der ganze Betrieb vorbereitet. Eine begeisterte Hobbyfotografin aus dem Hauswirtschaftsteam schoss die Bilder fürs Wettbewerbsdossier, die Geschäftsführerin organisierte eine interdisziplinäre Weiterbildung zum Thema «Gepflegter Service im Altersheim». «Dem Finale fieberte der ganze Betrieb entgegen», sagt Schmidt. Am grossen Tag selbst sei sie erstaunlich ruhig gewesen, erinnert sich Küchenchefin Thöni: «Zunächst war es etwas irritierend, Juroren im Rücken zu haben, die mir bei der Arbeit über die Schulter blickten. Aber sie waren so entspannt und zugänglich, dass meine Nervosität schnell verflog.»

Die Jury sei überrascht gewesen, dass man den Abwasch als Küchentrio selbst stemme, erzählt Fuchs: «Wir hätten uns dafür eigentlich eine Hilfe organisieren dürfen. Das war uns untergegangen. Es ging aber auch so erstaunlich flott.» Und den kühlen Kopf verloren die Köche eben auch dann nicht, als das Püree auszugehen drohte – und Nachbarn in der Folge mit Stocki herbeieilten. «Dieser Zusammenhalt, der über den Betrieb hinausging», sagt Thöni rückblickend, «das war einmalig.» Und so prangt heute die Trophäe, die sich das Team mit seinem dritten Platz erkochte, gleich beim Empfang des Heims – da, wo sie alle, die zum Spitzenresultat beigetragen haben, sehen können.



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