Panettone und Meerwasser

Auf der Madrid Fusión des Jahres 2023 ging es mehr denn je um Kreativität, aber auch um Klassik. Erkenntnisse weiblicher Küchenchefs und mitteleuropäischer Gastronomen blieben Beigemüse.
Text: Wolfgang Fassbender – Fotos: z. V. g.
Veröffentlicht: 14.02.2023 | Aus: Salz & Pfeffer 1/2023
Visionär in Sachen Produktwahl: Iván Domínguez

Altbewährtes ist ja nicht schlecht.

Freundlich kann man es betrachten. Oder kritisch. Aber der Eindruck, dass einige Stars der Gastronomie immer und immer wieder Platz auf der Bühne bekommen, lässt sich nicht wegschieben. Ohne Oriol Castro (Disfrutar, Barcelona), die Roca-Brüder aus Girona und Andoni Luis Aduriz (Mugaritz, San Sebastián) wäre eine Madrid Fusión unvollständig. Was zu sagen haben die drei, keine Frage, aber dass die weiblichen Köche auch diesen Januar wenig Raum bekamen, ist bedauerlich. Ob die Frauen der Branche, aber auch die Deutschen, Schweizer und Franzosen einfach kaum Lust haben, sich auf die Bühne im Madrider Messegelände zu stellen (oder auch nur als Publikum anzureisen), oder ob die Verantwortlichen nicht lang genug suchen und überzeugen, muss offenbleiben.

Zum Glück sprangen den einheimischen und mittelamerikanischen Köchen Protagonisten Skandinaviens oder Italiens bei. Und da war auch, als einsamer Vertreter des deutschsprachigen Raumes, der Zwei-Sterne-Koch Konstantin Filippou, der als Sohn einer österreichischen Mutter und eines griechischen Vaters ungeheure Komplexität, spannende Texturen und unverwechselbare Finesse in seine Gerichte zaubert. Kaum ein anderer Koch legt, ohne den Geschmack zu vernachlässigen, so viel Wert aufs Anrichten wie der Wahl-Wiener. Es brauche manchmal zwei bis drei Monate, um die richtige Plattform für ein Gericht zu finden, sagte Filippou. Auch über Kindheitserinnerungen sprach er, und ja, das hatte man zwar schon mal gehört, aber es wirkte in seinem Falle verdammt ehrlich.

Einsamer Vertreter aus dem deutschsprachigen Raum: Konstantin Filippou
Stammgast: Jordi Roca

Altbewährtes ist ja nicht schlecht. Nach der Pandemie scheint die Klassik wieder etwas mehr ins Bewusstsein der Köchinnen und Köche zu rücken. Über italienische Süsswaren wie Panettone und Cannoli wurde geredet, und der Italiener Massimiliano Alajmo (Le Calandre nahe Padua) machte nicht nur Pasta und Reis zum Thema, sondern auch eine Rückbesinnung auf die Vergangenheit. Dass neue Techniken wie das Kochen mit Meerwasser (vorgetragen von Iván Domínguez vom Nado in La Coruña) eine Rolle spielten oder Meereslebewesen, die bisher kaum einer isst, die man aber im Zeitalter von Überfischung und Nachhaltigkeit mal einer genaueren Betrachtung unterziehen sollte, gehört zu den Gründen, weshalb die Madrid Fusión nach wie vor ein Ziel für Köchinnen und Gastronomen ist.

Nachher, beim Abendessen im zweifach besternten Restaurant Deessa von Quique Dacosta, gab es trotz aller Moderne Babyaale und im Mund zerplatzende Sphären. Ohne all die Stars, die Liebe der Spanier zu molekularen Spielereien und die Selbstverständlichkeit, mit der man einmal im Jahr in Madrid Gastronomie zelebriert, wäre die Welt ein Stück ärmer.

Trends der Madrid Fusión 2023

  • Ein unverwechselbares Plating ist wichtiger denn je.

  • Klassik ist zurück – auch im Dessertbereich.

  • Geschichte und Geschichten sollten ins Essen integriert werden.

  • Das richtige Brot spielt eine bedeutende Rolle im Menü.

  • Desserts mit Persönlichkeit und klassischem Ansatz haben Zukunft.

  • Muss es immer Steinbutt sein – oder tun es auch weniger bekannte Fischarten?

  • Aromen aus Süd- und Mittelamerika bereichern die Küche.

  • Auch als Koch sollte man sich um die Getränke kümmern. Warum nicht Natural Wines oder Sidra statt üblicher Klassik?



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