«Spezialitäten haben immer einen Platz»

Die Kolonialwarenhandlung Schwarzenbach im Zürcher Niederdorf ist eine Institution. Im Interview spricht Geschäftsführer Heini Schwarzenbach über alpine Gewürze, seinen neuen Schokoladenladen und über die Zukunft des über 150-jährigen Geschäfts.
Interview: Tobias Hüberli – Fotos: Njazi Nivokazi
Veröffentlicht: 01.09.2020 | Aus: Salz & Pfeffer 5/2020

«Fakt ist, dass wir bereits relativ viel Schokoladenprodukte verkaufen, und ich glaube, auf diesem Gebiet liegt noch einiges brach.»

Im Oktober eröffnen Sie im Zürcher Niederdorf ein auf Tafelschokolade spezialisiertes Geschäft. Wie kamen Sie dazu?
Heini Schwarzenbach: Eigentlich entstand die Idee aus Platzmangel. Wir hatten bei uns im Laden keinen Platz für ein grösseres Schokoladenangebot. Nach einigem Hin und Her beschlossen wir, unser Café dementsprechend umzubauen.

Sie opfern also die Gastronomie?
Ich brachte es nicht übers Herz, den Kaffee ganz zu streichen.

Wie lautet das Konzept?
Es wird keine Pralinen und keine Confiserie geben, sondern ausschliesslich Tafelschokolade und Trinkschokolade. Es existieren in der Schweiz und im nahen Ausland viele spannende Kleinproduzenten, die nach dem Prinzip «bean to bar» von der Kakaobohne bis zur Tafel beste Schokoladen herstellen. Die wollen wir zeigen. Ich rechne mit etwa 25 bis 35 Herstellern und vielleicht 120 bis 150 verschiedenen Produkten. Man wird bei uns aber weiterhin auch einen Kaffee oder eine heisse Schokolade trinken können. Tee allerdings ist im neuen Angebot leider nicht mehr vorgesehen.

Sie sind ins Zürcher Start-up La Flor, das Schokolade herstellt, involviert.
Und das ist wohl auch der Grund, wieso ich stärker ins Thema hineingerutscht bin. Fakt ist, dass wir bereits heute relativ viel Schokoladenprodukte verkaufen, und ich glaube, dass auf diesem Gebiet noch einiges brach liegt.

Erzählen Sie.
Für uns sind Produkte spannend, die über eine grosse Aromavielfalt verfügen. Zum Beispiel Kaffee, Tee, aber auch Gewürze oder eben Schokolade, die zwischen 600 und 1000 Aromastoffe beinhaltet. Das macht das Thema so vielfältig. Eine Erdbeere verfügt über 300 Aromastoffe und ist entweder gut oder eben nicht. Bei der Schokolade kommt es auf alle Beteiligten an, vom Produzenten über den Verarbeiter bis zum Verkäufer, ob sie schmeckt.

Was ist die Grundidee von La Flor?
Wir wollten zum Ursprung gehen und den Kakao direkt einkaufen. So wissen wir, was wir zahlen und was dort auch ankommt. Gleichzeitig sind wir hartnäckig in der Qualität, sagen also: Wir können nur eine gute Schokolade machen, wenn wir ein hochwertiges Grundprodukt haben. Und nur dann können wir den Kakaobauern den doppelten oder den dreifachen Preis bezahlen. So ist es gut für uns und für den Produzenten.

Ihr Kolonialwarengeschäft ist über 150 Jahre alt. Wo hat es heute seinen Platz?
Spezialitäten haben immer einen Platz. Klar, es ist eine Herausforderung geworden. Wir arbeiten mit ausländischen Produkten, in einer Welt, die von der Erreichbarkeit immer kleiner wird. Gleichzeitig entdecken wir unsere eigene kulinarische Identität wieder neu. Es bleibt also spannend. Wir sind immer noch mit «Kolonialwaren» angeschrieben, das ist zurzeit etwas schwierig. Mein Ururgrossvater verkaufte zu 90 Prozent Produkte, die aus der Gegend stammten. Aber er führte auch Gewürze und Spezialitäten, die von weiter her kamen.

Wie ist das Verhältnis heute?
Rund zwei Drittel unserer Produkte stammen aus dem Ausland, einen grossen Anteil daran hat natürlich der Kaffee.

Wie stehts mit regionalen Spezialitäten?
Auch da sind wir immer auf der Suche. Neu haben wir zum Beispiel Mohnsamen von einem Bauern aus dem Emmental, meiner Meinung nach der einzige in der Schweiz mit einer nennenswerten Produktionsmenge. Das finde ich spannend und muss man unterstützen.

Im Oktober halten Sie im neu eröffneten Culinarium Alpinum in Stans ein Referat über alpine Gewürze. Worum gehts?
Gewürze, insbesondere aus dem Alpenraum, sind hochspannend. Allerdings, finde ich, darf man das Thema nicht zu eng fassen. In der Schweiz haben wir viele Gewürzmischungen mit Bestandteilen, die zwar nicht alle bei uns wachsen, die aber zu unserer Tradition gehören. Ich will es unter diesem Aspekt betrachten.

Haben Sie ein Beispiel?
Im Lebkuchen etwa sind Gewürze drin, die man bei uns rein klimatisch nicht anpflanzen kann, der Geschmack wird aber als einheimisch empfunden. In alten Schweizer Rezepten ist oft Langpfeffer drin. Da ist die Rispe des Pfeffers selbst das Gewürz. Geschmacklich ist dieser Pfeffer etwas holziger. Die runden Körner, die wir heute kennen und schätzen, sind eher etwas Neuzeitliches.

Was sind, historisch betrachtet, unsere wichtigsten Gewürzmittel?
Man hat immer Schärfe, Salziges und Süsses gesucht. Schärfe fand man in Ingwer, Knoblauch und Pfeffer, der allerdings fast unerschwinglich war. Salz existiert in der Schweiz, wenn auch zu wenig. Und für die Süsse verwendete man Birnel oder Honig. Zucker war früher eher ein Apothekerprodukt. Dazu kamen die Kräuter: Anis, Thymian, Rosmarin oder Bohnenkraut. Eine lange Tradition hat auch der Zigerklee.

Inwiefern?
Zuerst einmal, weil er bei uns wächst. Und für das Glarnerland war er wichtig für die Herstellung des Schabzigers. Zigerklee ist aber auch sonst ein spannendes Gewürz. In Österreich nennt man es Brotklee, weil damit Brote aromatisiert werden. Ich finde, es passt auch zu Gemüse oder zu süssen Sachen, gerade weil es etwas sehr Kräftiges, Authentisches hat.

Wie wichtig ist die Gastronomie für Ihr Geschäft?
Ein Koch kauft bei uns kein Olivenöl, dafür sind wir der falsche Partner. Aber er findet bei uns etwa spezielle Hülsenfrüchte oder seltene Gewürze. Das sind umsatzmässig keine grossen Posten. Für uns ist das aber trotzdem interessant. Wenn ein Gastronom im Frühling Spargel mit eigener Mayonnaise macht und dafür einen Schuss von unserem Leindotteröl verwendet, dann schmeckt die anders. Die Gäste merken das, fragen nach, so fällt ab und zu unser Name.

Was raten Sie Gastronomen?
Das, was ich auch versuche. Wenn ich freihabe, gehe ich vielleicht nach Luzern, St.Gallen oder Bern, sehe mir andere Geschäfte an, schaue, wie es bei denen aussieht, wie sie es machen. Den Horizont immer wieder aufzumachen, ist für einen Gastronomen, so glaube ich, genauso wichtig wie für mich.

Wo sehen Sie das Unternehmen Schwarzenbach in zehn Jahren?
Seit den Selbstbedienungsläden in den Siebzigerjahren wurde alles fortlaufend automatisiert. Ich sehe aber auch einen Gegentrend. Viele Leute schätzen es sehr, bedient und beraten zu werden. Darum sind auch die Wochenmärkte so erfolgreich. Ich weiss nicht, wo wir in zehn Jahren stehen werden, aber ich kann mir gut vorstellen, dass im edukativen Bereich mehr passieren wird.

Werden Sie dann noch dabei sein?
Ich habe ganz sicher noch zehn Jahre vor mir. Allerdings führen wir innerhalb der Familie mittlerweile erste Gespräche, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll. Meine Schwester hat, wie ich auch, zwei Kinder. Der Sohn meiner Schwester arbeitet nun ab Herbst drei Tage pro Woche bei uns. Er könnte sich das gut vorstellen. Bei den anderen wissen wir es noch nicht so genau. Ich glaube aber, für die Zukunft sind viele Türen offen. Ich erhoffe mir natürlich, dass jemand aus der Familie das Geschäft übernehmen wird. Andernfalls gibt es aber sicher auch Alternativen.

Seit 33 Jahren führt Heini Schwarzenbach (54) die Kolonialwarenhandlung Schwarzenbach sowie (seit 22 Jahren) das angrenzende Café in fünfter Generation. Unter seiner Ägide haben sich die Parameter des Spezialitätenhandels grundlegend verändert. Die Grossverteiler übernahmen Marktanteile und lösten mit ihren Selbstbedienungsläden ab den Siebzigerjahren ein «Lädelisterben» aus. Das Unternehmen Schwarzenbach überlebte dank eines konsequenten Fokus auf Nischenprodukte in den Bereichen Tee, Kaffee, Dörrfrüchte und Gewürze. Zurzeit beschäftigt Schwarzenbach 15 Mitarbeiter.
schwarzenbach.ch

Dem kulinarischen Erbe der Alpen verpflichtet

Diesen Monat öffnet in Stans das Culinarium Alpinum seine Pforten. Das Kompetenzzentrum für die Kulinarik des Alpenraums ist in einem ehemaligen Kapuzinerkloster angesiedelt und bietet neben einer Herberge und einem Restaurant vor allem ein hochinteressantes Kurs- und Schulungsangebot. Hier ein kleiner, nicht vollständiger Vorgeschmack:

Am 28.September spricht die renommierte Gastroberaterin und Autorin des Buchs «Die neue Trinkkultur», Nicole Klauss, über die vielfältigen Möglichkeiten der alkoholfreien Speisebegleitung.

Patrick Marxer braucht man in der Branche nicht mehr vorzustellen. In Stans hält der Fermentationsfachmann gleich zwei Referate, beide Male gehts um die Wurst: am 5.Oktober um die Wurst des Alpenraums und am 19.Oktober um die Kunst der Bratwurstherstellung, nach Marxer das neue Edelstück.

In seinem Referat am 12.Oktober stellt Heini Schwarzenbach, Inhaber von Schwarzenbach Kolonialwaren, Zürich, einige der wichtigsten Gewürztraditionen der Schweiz vor und präsentiert Gewürzspezialitäten, die in der Gastronomie noch längst nicht angekommen sind.

Wie man eine spannende Speisekarte konzipiert, weiss Markus Burkhard (ehemals Restaurant Jakob, Rapperswil). Am 26.Oktober gibt der Spitzenkoch sein Wissen in Stans exklusiv weiter.

Zusätzliche Informationen zur Anmeldung sowie das vollständige Kursangebot gibts im Internet.

culinarium-alpinum.com



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