«Die Angebote, die wir schaffen, sind niederschwellig.»
Sagen Sie mal: Sitze ich hier zwei Weltverbesserern gegenüber?
Andreas Handke: Für mich steht in meinem Tun schon die Frage im Zentrum, welche Möglichkeiten wir über die Gastronomie haben, den Menschen, die Landwirtschaft und die Natur in eine positive Richtung zu lenken – im Bewusstsein, dass wir als Branche etwas bewegen können. Das hat sicher etwas Weltverbesserndes.
Patrick Honauer: Ich sehe mich persönlich nicht mehr als Weltverbesserer. Früher, in den Achtzigerjahren, war das noch etwas anders. Aber heute bin ich schlicht Unternehmer, und als solcher trage ich nicht mehr nur Verantwortung für mich selbst, sondern richte mich an ein grösseres Kollektiv. Das zwingt mich gewissermassen zu einem Handeln, von dem ich durchaus hoffe, dass es die Welt in eine gute Richtung entwickelt. Und ich bin zuversichtlich, wenn ich sehe, wie viele junge, initiative Gastronomen und Bäuerinnen es gibt, die etwas bewegen möchten. Ich fungiere da in erster Linie als Ermöglicher: Ich bringe Menschen zusammen, weil ich sehe, welche Kraft wir gemeinsam entwickeln können. Netzwerk ist unser grösstes Kapital.
Genau darauf beruht das Konzept von Gastro Futura. Was haben Sie konkret vor?
Honauer: Nüchterne Analysen zeigen, welchen Einfluss das Ernährungssystem auf die Umweltbelastung hat. In der Schweiz werden 2,9 Millionen Mahlzeiten pro Tag ausser Haus konsumiert, Tendenz steigend. Dieser hohe Anteil überträgt unserer Branche viel Verantwortung. Wenn wir als Gastroprofis wissen, wie es nachhaltiger ginge, können wir dieses Know-how weitergeben – und eine Wirkung im grossen Ganzen entfalten. In diesem Sinne wollen wir Gastronominnen und Gastronomen mobilisieren und zu einem Praxisnetzwerk zusammenführen, um miteinander und voneinander zu lernen.
Handke: Wir denken bereits seit zwei, drei Jahren über das Thema nach und haben gesehen, dass da ein grosser Acker zu bearbeiten ist – aber auch, dass bereits viel Gutes passiert …
Lassen Sie mich hier einhaken: Es gibt doch schon einige Initiativen, Projekte und Netzwerke. Warum braucht es ein zusätzliches?
Honauer: Im Kontext von Gastronomie und Nachhaltigkeit versuchte man bisher hauptsächlich, mit Labels etwas zu erreichen. Wir glauben aber, dass es nicht einfach ein Gütesiegel braucht, genauso wenig wie nur Beratung oder nur Schulung. Wir setzen stattdessen auf Begegnung, holen die Leute persönlich ab, fragen sie direkt an. So gibt es das in der Schweiz bislang nicht.
Und wie schaffen Sie diese Begegnungen?
Honauer: Wir haben verschiedene Instrumente definiert. Zum Beispiel das Format Open Kitchen: Da öffnet ein Betrieb für eine Stunde oder zwei Tür und Tor, damit Branchenkollegen und -kolleginnen einen Einblick erhalten – in ein neues Arbeitszeitenmodell vielleicht oder in ein spezielles ökologisches Konzept. Hauptsache ist, dass Gespräche entstehen. Ein weiteres Tool sind von Gastro Futura moderierte Erfa-Gruppen, in denen sich Hoteliers und Restaurateurinnen über Themen der sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit austauschen. In einem nächsten Gefäss bieten wir ein Coaching im Sinne einer Begleitung an. Dafür holen wir Gastronominnen und Gastronomen an dem Punkt ab, an dem sie stehen.
Wie kann ich mir das vorstellen?
Honauer: Wir haben einen Pool mit Expertinnen und Experten, darunter Gastronomen, aber beispielsweise auch Ernährungswissenschaftlerinnen, die gezielte Beratungen anbieten können. Des Weiteren bauen wir eine Kommunikations-Toolbox auf, die wir den Leuten an die Hand geben können, damit sie den Gästen ihre Nachhaltigkeitsstrategie so vermitteln können, dass diese authentisch wirkt. Und nicht zuletzt sehen wir unsere Website als Instrument von Gastro Futura: Dort bilden wir die Nachhaltigkeits-Reise jedes Betriebs, der Teil unseres Netzwerks ist, individuell ab – zeigen also konkret auf, in welchem Rahmen und mit welchen Massnahmen ein Ziel erreicht wurde.
Handke: Die Angebote, die wir schaffen, sind niederschwellig. Wir sind überzeugt, dass in der Branche ein Paradigmenwechsel stattfindet, dem sich Beizen nicht verschliessen können. Wer also aktiv werden möchte, den nehmen wir an der Hand und führen ihn durch den Prozess. Handeln können alle – auch am Kebabstand, in der Landbeiz oder beim Take-away.
Sie sprechen von mehreren Hebeln, bei denen die Gastronomie in der Nachhaltigkeitstransformation ansetzen könne. Welche sind das?
Honauer: Wir legen den Fokus bei Gastro Futura auf die Ernährung als Ganzes: Sie macht einen Drittel der Umweltbelastung aus und birgt ein riesiges Potenzial für Veränderungen. Einen Hebel sehen wir beim Thema Foodwaste: Wir werfen einen Drittel unseres Essens weg, in der Gastronomie liegt der Anteil bei 14 Prozent. Dann bei der pflanzenbasierten Ernährung: Wir müssen mehr pflanzliche als tierische Proteine auf den Teller bringen. Und bei der Suffizienz.
Was heisst das?
Honauer: Weniger ist genug. In diesem Punkt provozieren wir eine Wertediskussion, weil es die Frage zu klären gilt, wie viel genau denn nun genug ist. Gastronominnen und Gastronomen, die noch drei Vorspeisen, drei Hauptgänge und drei Desserts auf die Karte setzen, exponieren sich und müssen sich allenfalls erklären. Aber die Wirkung einer solchen Reduktion ist enorm. Einen letzten Hebel sehen wir schliesslich in der Beschaffung. Woher kommt unser Essen? Da geht es dann um Themen wie Landwirtschaft, Biodiversität, Bodengesundheit.
Handke: Wenn man schaut, wo die Ernährung im Hinblick auf die globalen Nachhaltigkeitsziele überall Einfluss hat, erkennt man, wie wertvoll unsere Branche ist. Am Ende ist es doch grossartig, wenn wir als Gastronominnen und Gastronomen sagen können: Wir sind Teil der Lösung. Viele grosse Player, zum Beispiel in der System- oder Gemeinschaftsgastronomie, denken bereits so und geben Gas.