Angezapft

Wer anpackt, verdient Respekt

Letztens durfte ich für einen Bericht in unserer Vereinszeitung eine junge Frau interviewen. Nina Kähli absolviert seit letztem August die Lehre zur Lebensmitteltechnologin EFZ mit Schwerpunkt Bier. Beim Start war sie 15 Jahre alt – und konnte so die Früchte ihrer Arbeit gar nicht selber verkosten. Zum Bier kam Nina über Umwege: Erst hatte sie mit Wein geliebäugelt und daher in einer Weinkellerei geschnuppert. «Der Saft wurde angeliefert, im Keller konnte ich handwerklich nicht mehr viel leisten», sagte Nina mir im Gespräch. Sie hielt die Augen weiter offen und wurde auf die Bierproduktion aufmerksam. Beim Probearbeiten in einer Brauerei kam dann die freudige Einsicht: Hier kann ich handwerklich anpacken, das sagt mir zu.

Ich bewundere die Entschlossenheit der jungen Frau, die mir da vis-à-vis sass. Klar, ich selber wollte in jungen Jahren auch anpacken und selber etwas umsetzen. Doch traute ich mir keine Arbeit zu, bei der ich mit meinen zwei linken Händen gefordert gewesen wäre. Zu unbefriedigend waren meine Bemühungen bei kleinsten Werkarbeiten. Mein Anpacken verstand sich also mehr in einem schöngeistigen Sinn.

Eine aufschlussreiche Begegnung hatte ich beruflich vor Kurzem auch mit einer jungen Handwerkerin. Sandra Fischer erzählte mir, dass sie bereits als Kind am Velo herumgeschraubt hatte. Für sie war daher früh klar, dass sie dereinst mit ihren Händen arbeiten wollte. In der Ausbildung folgte dann die grosse Ernüchterung: Ihre Gspändli fanden eine weibliche Kollegin alles andere als angebracht. Sandra berichtete mir von respektlosem Verhalten ihr gegenüber – von Kollegen, aber auch Vorgesetzten. Beim Lauschen ihrer haarsträubenden Anekdoten wurde mir ganz bange. Unweigerlich dachte ich an Nina und fragte mich, wie es ihr wohl in der Brauerei ergeht. Ich kann nur hoffen, dass in der mir so lieben Bierszene Frauen respektiert und nicht nur knapp toleriert werden.

Wer sich im Namen des Bieres einsetzt, verdient Respekt. Insbesondere diejenigen, die tagtäglich mit ihren Händen dafür sorgen, dass wir dereinst ein formidables Bier geniessen können. Dass es dabei egal ist, welches Geschlecht die zu den Händen gehörende Person hat, versteht sich für mich von selbst.

Carole Gröflin

Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt
Ausgabe: Salz & Pfeffer 3/2022 / Datum: 14.06.2022


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