Der Schönling aus Mostindien

Er hat ein tiefrotes Fruchtfleisch, das seine Farbe auch beim Kochen behält. Der Thurgauer Apfel Redlove ist im Ausland ein Hit, Schweizer Konsumenten stehen ihm noch skeptisch gegenüber. Für Gastronomen dürfte die Charakterfrucht allerdings interessant sein.
Text: Virginia Nolan – Fotos: Tina Sturzenegger
Veröffentlicht: 23.11.2016 | Aus: Salz & Pfeffer 7/2016
Äussere Reize und innere Werte – der Thurgauer Redlove

«Alles bekommt diese wunderbare Farbe, und das ganz ohne Zusatzstoffe.»

20 Jahre lang hat Obstzüchter Markus Kobelt aus dem St. Galler Rheintal an seiner Erfindung getüftelt, das Ergebnis, sagt er, sei viel mehr als ein Apfel, wenn nicht gar eine neue Obstsorte. Sein Redlove ist zumindest eine Augenweide, ein Apfel, um es eben doch so zu sagen, dessen Fruchtfleisch rot ist wie das einer Erdbeere. Es behält seine intensive Farbe auch dann, wenn es gekocht, gebacken oder versaftet wird. Dieser Tage wird der Schöne aus dem Thurgau wieder in den Handel kommen, Mitte Oktober wurde er geerntet, seine Früchte sind grosse, von der Herbstsonne verwöhnte Exemplare.

Im Ausland ist der Redlove ein Renner, Kobelt hat Lizenznehmer in Frankreich und Holland, wo der Apfel am häufigsten angebaut werde, aber auch in Belgien, den USA und England. Die Amerikaner machen Apfelsaft aus dem Redlove, die Briten schmücken mit der Züchtung ihre Gärten, denn sie trägt im Frühling Blüten, die an japanische Kirschblüten erinnern. Partnerunternehmen in Australien pflanzen derzeit 100 000 Bäume pro Jahr, in China ging der Schuss nach hinten los, dort wird der rote Thurgauer jetzt schwarz angebaut, nachdem der Lizenznehmer pleitegegangen ist. Ein trauriges Kapitel für Kobelt, der aber nach vorne blicken will, denn seine im Thurgau beheimatete Fruture GmbH, die Kobelt 2007 mit zwei Obstbauern aus der Region gründete, hat mit dem Redlove noch viel vor.

Zum Beispiel will man Gastronomen auf den Geschmack bringen, das Potenzial, sagt Kobelt, sei riesig. Da und dort ist der Redlove bereits in der Küche anzutreffen, etwa bei Klaus Neidhardt im Hotel Gottfried in Moos am Bodensee. Der mit 15 Gault-Millau-Punkten dotierte Küchenchef ist ein erklärter Fan des Apfels, er sorgt damit für Farbakzente auf dem Teller, stellt die Frucht aber auch ins Zentrum kulinarischer Themenabende. Dann gibt es zum Beispiel Entenstopfleber, begleitet von einem knallroten Apfelgelee, das mit seiner frischen Säure Leichtigkeit ins Gericht bringt. Oder ein Apfelsorbet zum Bodenseefelchen. Zum Dessert reicht Neidhardt Variationen des Redlove, backt damit, kreiert Mousse, Sorbet, Saft: «Alles bekommt diese wunderbare Farbe, und das ganz ohne Zusatzstoffe.» Ein weiterer Pluspunkt sei die Bekömmlichkeit des Apfels, im Gegensatz zu weissfleischigen Pendants verfüge er über doppelt so viele Antioxidantien, denen eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt wird. «Das erzähle ich dem Gast gerne», sagt Neidhardt.

In seinem Heimatland hat es der Redlove noch nicht über den Nischenmarkt hinausgeschafft. Ausgesuchte Filialen von Migros und Coop haben ihn zwar saisonal im Angebot, die Schweizer sind jedoch skeptisch, bevorzugen gefälligere Sorten wie den süsslichen Gala-Apfel. Das rotfleischige Kernobst aus dem Thurgau dagegen polarisiert, vor allem aufgrund seiner ausgeprägten Säure. Es sei «ein Apfel mit Charakter», sagt die österreichische Rezeptbuchautorin und Feinkostunternehmerin Véronique Witzigmann. Sie meint es als Kompliment: «Er schmeckt nicht nur nach Apfel, sondern hat auch beerige Nuancen. Die Säure empfinde ich als erfrischend.» Witzigmann macht aus dem Apfel Aufstriche und Chutneys, verarbeitet ihn zu Tartes oder Geleewürfeln, die sie als Farbtupfer auf Desserttellern einsetzt. Oder sie kocht damit einen leuchtend roten Gewürzpunsch. «Der Redlove schmeckt aussergewöhnlich und lässt sich dennoch gut kombinieren», sagt Witzigmann. Das gefalle ihr.

Kein Lob gibts von dem Mann, den Agronomen in unseren Breitengraden als den Apfelsachverständigen schlechthin bezeichnen. Walter Guerra vom landwirtschaftlichen Testzentrum in Laimburg prüft für Südtiroler Produzenten neue Apfelzüchtungen auf ihre Eignung zum kommerziellen Anbau. Der Redlove ist bei ihm durchgefallen. Das habe, sagt Guerra, mit seiner beschränkten Lagerfähigkeit zu tun, die im Gegensatz zu anderen Sorten nur gut zwei statt sechs bis zehn Monate betrage, aber auch mit den Resultaten der Blindverkostungen. Der Apfel sei, zumindest für den Gaumen unserer südlichen Nachbarn, zu sauer. Immerhin: «Das will nicht heissen, dass es anderswo dafür keinen Markt gibt.» Für Apfelzüchter Kobelt bleibt aber auch hierzulande noch einiges zu tun. Seine Innovation sei noch nicht perfekt, räumt er selbst ein. Eine feinere Schale, zarteres Fruchtfleisch, weniger Säure: Wenn der Redlove etwas lieblicher daherkommt, wird ihn auch Otto Normalverbraucher mögen – die Gastronomen lernen ihn vielleicht schon früher lieben.



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