Der Weltmeister im Altersheim

Yanick Mumenthaler ist bescheiden im Wesen, klar im Kopf und absolut sicher am Herd. In der Stiftung für Betagte in Münsingen beweist er eindrücklich, was in der Gemeinschaftsgastronomie möglich ist, wenn man es sich nicht zu leicht macht.
Text: Tobias Hüberli – Fotos: Njazi Nivokazi
Veröffentlicht: 04.02.2019 | Aus: Salz & Pfeffer 1/2019

Im September 2017 tauchte die Stiftung für Betagte Münsingen erstmals in einer Rangliste auf. Sie stand an oberster Stelle, hinter dem Namen von Alexandra Knutti, die den Nachwuchskochwettbewerb La Cuisine des Jeunes auf Anhieb für sich entschieden hatte. So weit, so normal. Köche aus der Gemeinschaftsgastronomie schneiden an Wettbewerben immer mal wieder gut ab.

Ein gutes Jahr später erschien die Stiftung erneut auf einer Rangliste, und zwar auf jener des Swiss Culinary Cup. Bettina Jenzer und Sandra Aebi hatten sich überlegen auf die Ränge eins und zwei des renommierten, vom Schweizer Kochverband ausgerichteten Wettbewerbs gekocht. Dass es gleich zwei Frauen aufs Podest schaffen, ist selten, dass zudem beide im gleichen Haus arbeiten, kam in der langen Geschichte des Swiss Culinary Cup noch gar nie vor.

Nun, massgeblichen Anteil an den bemerkenswerten Erfolgen seines Personals hat Küchenchef Yanick Mumenthaler. Der 25-jährige Berner ist selbst wettkampferprobt. Unter anderem war er sechs Jahre lang Teil der Schweizer Kochnationalmannschaften, mit den Junioren wurde er 2014 in Luxemburg gar zum Weltmeister gekürt.

Mumenthaler, der übrigens auch Lukas Heller, den aktuellen Sieger des Nachwuchswettbewerbs Gusto, coachte, weiss, wie man Wettkämpfe gewinnt. Vor allem aber ist er ein Koch mit Leib und Seele. Die Zeiten, in denen das Economat der Stiftung für Betagte mit Covenience-Produkten überquoll, sind längst passé. Dafür sorgte bereits Mumenthalers Vorgänger Daniel Reichenpfader.

Heute blubbert im Kipper frisch angesetzter Kalbsfond vor sich hin, das Fleisch liefert die Dorfmetzgerei, die Pralinen und selbst die Pommes frites sind hausgemacht – Letztere aus Münsinger Kartoffeln. «Ich bin nicht der Typ, der es sich gäbig einrichtet», sagt Mumenthaler lakonisch.

Dreierlei vom Hornochs (Wagyu x Limousin) mit Kohl, Münsinger Kartoffeln und Zwiebeln auf Wettkampfniveau
Bettina Jenzer, Siegerin des Swiss Culinary Cup, und Yanick Mumenthaler
Dreierlei vom Hornochs (Wagyu x Limousin) mit Kohl, Münsinger Kartoffeln und Zwiebeln in Burgerform

Ähnlich tickt seine Stellvertreterin Bettina Jenzer. «Ich kannte die Gemeinschaftsgastronomie vorher nicht und wollte sie mir einmal angucken, unter der Bedingung, dass wir frisch und mit Anspruch kochen.»

Das freut zuallererst die Senioren, die sich an der Menüzusammensetzung rege beteiligen. «Wir machen hier eine urchige Schweizer Küche mit Emmentaler Einschlag», so Mumenthaler. Ab und zu gelinge es ihm aber auch, einen Meeresfisch auf die Karte zu hieven.

Etwas weniger Freude an diesen Entwicklungen haben die Lieferanten von Fertigprodukten. So sprang der Konfitürenvertreter letzten Herbst nicht unbedingt vor Freude in die Luft, als er hörte, dass man in Münsingen gerade eine halbe Tonne Marmelade herstelle.

Unterstützt wurde die Küchenbrigade hingegen von einem 91-jährigen Konserventechniker, der sie in die Geheimnisse der Konfitüren-Grossproduktion (der pH-Wert sowie der Anteil Zucker in der Trockenmasse sind entscheidend) einweihte.

«Die Küche hat einen grossen Einfluss auf das Wohlbefinden unserer Bewohner», sagt Heimleiter Adrian Junker. Als langjähriger Küchenchef des Berner Inselspitals weiss er, was sein Bereichsleiter Gastronomie braucht – und was nicht. So hat Junker zum Beispiel die Küchenmannschaft und den Service als gemeinsames Team organisiert. «Die Kommunikation zwischen Service und Küche ist oft ungenügend.»

Seit die Köche regelmässig im Service eingebunden werden, sei nicht nur der Kontakt zu den Gästen unmittelbarer, sondern auch das Verständnis untereinander einiges besser. Das Rezept, um Yanick Mumenthaler, dem er eine «positive Bescheidenheit» attestiert, möglichst lange im Betrieb zu halten, glaubt Junker gefunden zu haben. «Ich lasse ihm weitgehend freie Hand.»

Natürlich müssten die Kosten unter Kontrolle bleiben, noch wichtiger sei aber eine klare Haltung zur Frage: «Was ist uns die Gastronomie wert?» Die Antwort liefert Mumenthalers Brigade jeden Tag. Und seit das Cateringunternehmen Roh & Nobel von Sandro Dubach und Marco Stoos die Küche der Stiftung für ihre Produktionen nutzt, besteht auch ein täglicher Kontakt zur (Gourmet-)Restauration.

Dass in der Stiftung für Betagte in Münsingen überdurchschnittlich gut gekocht wird, hat sich herumgesprochen. Bei den Bewohnern und ihren Angehörigen, aber auch in der Branche. Mittlerweile bekunden Mumenthaler und Junker keine Probleme mehr, wenn es darum geht, Fachpersonal zu finden, im Gegenteil.

«Wir können auswählen und stellen nur noch Profis ein, die wirklich zu uns passen», so Junker. Zum Beispiel für kommenden Sommer, wenn Mumenthaler sechs Monate auf Reisen geht. Für die gastronomische Konstanz in der Stiftung für Betagte ist derweil gesorgt. Mit Stellvertreterin Jenzer hat dann immerhin eine Gewinnerin des Swiss Culinary Cup das Sagen.

Stiftung für Betagte Münsingen
Schlossstrasse 1, 3110 Münsingen
031 720 27 27
www.sfbm.ch

Teamplayer mit Ambitionen
Yanick Mumenthaler (25) wuchs in Belp auf einem Bauernhof mit sieben Kühen und genauso vielen Hektaren auf. Erst wollte er Landwirt werden, dann schnupperte er sich durch zahlreiche Handwerksberufe und blieb in der Küche hängen. «Der Kochberuf beschert schnelle Resultate, das gefiel mir.» Nach der Lehre im Restaurant Casa Novo in Bern wirkte Mumenthaler ab 2012 im Grand Hotel Victoria-Jungfrau als Demi-Chef de Partie und nach dem Militärdienst ab 2015 als Souschef im Hotel Restaurant Schönbühl in Hilterfingen. 2016 heuerte er als stellvertretender Bereichsleiter Gastronomie in der Stiftung für Betagte in Münsingen an. Ein Jahr später übernahm der passionierte Unihockeyspieler die Leitung der Küche von Daniel Reichenpfader. Zwischen 2011 und 2016 war Mumenthaler zudem Mitglied der Schweizer Kochnationalmannschaft, mit den Junioren wurde er 2014 in Luxemburg Weltmeister.

Helvetischer Hornochs mit japanischem Blut
Als Kind wollte Yanick Mumenthaler Landwirt werden, blieb aber nach einem Schnuppermarathon durch diverse Handwerksberufe in der Küche hängen. Als Mitbegründer des Start-ups Hornochs ist er seit Frühjahr 2018 nun doch noch in die Fleischproduktion eingestiegen. Zusammen mit sieben befreundeten Weggefährten kreuzt er Wagyurinder mit einheimischen Rassen. «Das japanische Wagyu ist sensationell, hat für viele Schweizer Konsumenten aber einen zu hohen Fettanteil. Durch die Kreuzung mit Rassen wie Limousin versuchen wir, ein immer noch gut durchzogenes, aber nicht mehr so extrem fetthaltiges Fleisch zu züchten.»

Mitte November wurde das erste Rind des Projekts stressfrei ins Jenseits befördert. Damit sich das Unternehmen rentiert, müssen sämtliche Teile verwertet werden. «Die Edelstücke könnten wir zigmal verkaufen», so Mumenthaler. Für den grossen Rest hat er sich eine Burger-Linie ausgedacht, die mit einem wunderbar fleischigen Aroma überzeugt und vorerst im Grossraum Bern erhältlich sein soll. Mehr Informationen zum Projekt gibts im Internet.

www.hornochs.com



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