Ein Saft mit Kraft

Das schweizerisch-ghanaische Start-up Koa hat eine Methode entwickelt, um die Kakaofrucht zu entsaften, bevor sie weiterverarbeitet wird. Davon profitieren Mensch und Umwelt gleich mehrfach.
Text: Nicole Klauss – Fotos: Akos Neuberger / Ben Rotthoff / z. V. g.
Veröffentlicht: 13.10.2020 | Aus: Salz & Pfeffer 6/2020

«Die Kakaofarmer sind bei dem Pressvorgang die ganze Zeit dabei, Transparenz und Arbeit auf Augenhöhe werden bei Koa grossgeschrieben

Kakao, Trink- oder Edelschokolade, Nibs – mit dem Kakaobaum assoziieren die meisten Menschen überwiegend Schokoladiges. Es gibt indes einen Teil der Kakaofrucht, der so gar keine Schokoladenfantasien aufkommen lässt: die Pulpe. Sie ist eine Art verkanntes Genie und hat gleich zwei Jobs: Zum einen schützt sie die einzelnen Kakaobohnen, zum anderen gibt sie bei deren Fermentation den Ton an. Sind diese Aufgaben erledigt, zieht sie sich leise zurück, um in der Hitze des Äquators dezent zu verdunsten. Zudem wird für die Fermentation der Bohnen nur ein Drittel der Pulpe benötigt, der Rest bleibt ungenutzt. Quel dommage!

Hier kommt Koa ins Spiel: Das schweizerisch- ghanaische Start-up entwickelte in Zusammenarbeit mit der ETH und der ZHAW sowie der ghanaischen Universität UCC eine Methode, um den Saft der Kakaofrucht auf nachhaltige Weise zu gewinnen – und zwar nachhaltig für den Menschen und für die Natur. Durch die Reduktion der überschüssigen Pulpe verläuft die Fermentation der Bohnen zirka einen bis zwei Tage schneller als bei nicht entsafteten Bohnen. Damit sinkt das Risiko für Schimmel und Verderb. Eine klassische Win-win-Situation.

Im Fruchtfleisch sind eine Menge gute Inhaltsstoffe enthalten: Proteine, Aminosäuren, Vitamin C sowie Ballaststoffe. Geschmacklich kommt der Saft der Kakaobohne mit viel Frucht und leichter Säure daher, mit viel Litschi und leicht marzipanig-zitrisch.

Die Geschichte von Koa geht so: Einige Mitarbeiter des Teams entwickelten ursprünglich Solarprojekte in Westafrika mit dem Ziel, Solarstrom auch zu Menschen ausserhalb von Städten und Dörfern zu bringen. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Kakaobauern. Bis dahin war Kakaofruchtsaft eher ein brasilianisches Phänomen, das einer der Koa-Gründer, Anian Schreiber, auf einer Reise durch Brasilien hatte probieren können, in Afrika aber nirgendwo sah. In Ghana war die Pulpe (und ist es auf vielen Plantagen immer noch) ein Abfallprodukt der komplexen Kakaoproduktion.

Gemeinsam mit seinem Partner Michael Acquah, der als Kind von Kakaobauern in Ghana aufwuchs, dann die Chance bekam, in der Hauptstadt Accra die Schule zu besuchen, und an der TU Cottbus promovierte, wollte Schreiber die Wertschöpfung in Ghana ankurbeln und nicht nur Solarenergie in die Dörfer bringen, sondern einen wirtschaftlichen Mehrwert für die Kakaobauern schaffen. Dafür lancierte das Koa-Team rund um Schreiber und Acquah sowie Finanzchef und Mitgründer Benjamin Kuschnik die Produktion des Kakaofruchtsafts, baute eine Fabrik und entwickelte eine spezielle Saftpresse.

Der Kakaobaum ist übrigens eher der anspruchsvolle Typ: Als immergrünen Baum findet man ihn in den Regenwäldern in Äquatornähe, er braucht viel Wasser, volle Sonne mag er nicht, und daher sind Schattenpflanzen wie Bananen, Papayas oder Mangos gute Begleiter in Sachen Sonnen- und Windschutz. Diese Agroforstsysteme (Mischkulturen) bringen die erfreuliche Tatsache mit sich, dass der Kakaobaum weniger anfällig für Schädlinge wie die Kakaomotte oder für Krankheiten (verursacht zum Beispiel vom Cacao-swollen-shoot-Virus) ist, was wiederum den Einsatz von Chemikalien reduziert. Ausserdem generiert der Verkauf der Früchte der Schattenspender zusätzliche Einnahmen für die Kakaobauern. Durch die Kooperation mit Koa verbessert sich das Einkommen der mittlerweile rund 1200 Kakaofarmer in Ghana um rund 30 Prozent, und Foodwaste wird ressourcenschonend vermieden.

Überraschend in Farbe und Geschmack: Der Saft der Kakaobohne kommt mit viel Frucht (Litschi!), etwas Säure und leicht marzipanig-zitrisch daher.
Die Kooperation mit Koa verbessert die Situation der Kakaobäuerinnen und -bauern in Ghana: Sie verdienen rund 30 Prozent mehr als vorher.
Zur Erntezeit wird die Community Mobile Processing Unit von Koa von einer Kooperative zur nächsten gefahren, um den Kakaofruchtsaft vorsichtig aus der Pulpe-Bohnen-Masse zu pressen.

Die Verarbeitung der Kakaofrüchte ist und bleibt allerdings eine mühsame Handarbeit. Die Ernte erfolgt mithilfe von Macheten, nach dem Öffnen der Kakaofrucht wird das weisse Fruchtfleisch in Eimern gesammelt. An diesem Punkt kommt die sogenannte Community Mobile Processing Unit von Koa zum Einsatz. Sie wird während der Erntezeit von Gemeinschaft zu Gemeinschaft gefahren und presst vorsichtig, damit die Bohnen nicht beschädigt werden, den Kakaofruchtsaft aus der Pulpe-Bohnen-Masse. Der Saft wird zur weiteren Verarbeitung sofort in die unternehmenseigenesolarbetriebene Fabrik nach Assin Akrofuom gebracht. Dort wird er pasteurisiert, in Drei-Liter-Gebinde abgefüllt und in die Schweiz transportiert. Vom Moment der Öffnung der Frucht bis zur schonenden Pasteurisierung des Safts vergehen nur knapp drei Stunden.

Die Kakaofarmer sind bei dem Pressvorgang die ganze Zeit dabei, Transparenz und Arbeit auf Augenhöhe mit den Communities werden bei Koa grossgeschrieben. Während der Saft auf dem Weg in die Fabrik ist, beginnen die Mitglieder der Communities bereits mit dem Fermentationsprozess. Dafür wird die Pulpe samt Bohnen auf Bananenblätter gehäuft und abgedeckt. Diese Phase dauert fünf bis zehn Tage und legt den Grundstein für die komplexe Aromenstruktur der Kakaobohnen.

Auch gegenüber den Konsumenten setzt Koa auf Transparenz. Alle Flaschen werden mit einem QR-Code versehen, und über Track and Trace ist nicht nur der Saft bis zur Plantage zurückverfolgbar, sondern auch der finanzielle Gewinn für die jeweilige Gemeinschaft durch den Verkauf des Produkts einsehbar.

Die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kakaofarmern ist auch ein Anliegen der Australierin Alyssa Jade McDonald-Bärtl: Sie baut in der dritten Generation Kakao, Kaffee und Kautschuk in Ecuador, Papua-Neuguinea und den Philippinen auf nachhaltigen Plantagen an. Ihr Unternehmen Blyss konzentriert sich primär auf die Fortbildung, in ihrer Cacao Academy werden Bauern auch zu den Themen Bodenkunde und Mischkulturen geschult: «Kakaosaft ist eine grossartige Idee», findet sie. «Seine Gewinnung sorgt nicht nur für mehr Einkommen, sondern zeigt auch den konsumierenden Staaten wie den USA und Europa die Komplexität des Anbaus und die Bedingungen der Farmer auf.»

In der Schweiz organisiert Felchlin den Vertrieb von Koa. Neben dem puren Saft sind auch ein Eistee auf Schwarzteebasis, eine Kuvertüre und ein Konzentrat vom Kakaofruchtsaft im Angebot. Seit die Produkte 2019 auf den Markt gekommen sind, gewinnen sie auch unter den Köchinnen und Köchen, Patissiers sowie Bartendern immer mehr Anhänger, die den Saft für Dressings und Desserts oder als spannende Zutat in Drinks entdecken. So wie Sara Hochuli vom Miyuko in Zürich: Seit kurzem bietet sie in ihrem Café eine handgegossene Schokolade mit der Felchlin- Kuvertüre an, die aus puren Kakaobohnen und Kakaofruchtsaft besteht. Den Saft an sich hat Hochuli schon länger auf der Karte: «Wir verkaufen ihn als Soda und erklären, was hinter dem Projekt steht», sagt sie. «Mir ist wichtig, dass die Kakaobauern von ihrer Arbeit leben können.»

Auch Dirk Hany, Barchef in der Zürcher Bar am Wasser (sowie frisch gekürter Gewinner der Swiss Bar Awards), hat Koa für sich entdeckt. Neu hat er seinen ersten Drink damit auf der Karte, in den zusätzlich Brandy, Kaffee, Rotwein und Honig gehören. Nun steht der Kakaofruchtsaft der Kooperativen aus Ghana also im Lineup mit 400 Spirituosen in einer der besten Zürcher Bars. «Wir wollen wie ein Gourmetrestaurant für Cocktails agieren», sagt Hany – und weckt die Neugier auf den ersten Drink mit Koa damit erst recht.

Koa Switzerland AG
Heinrichstrasse 267A, 8005 Zürich
koa-impact.com



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