Rhabarber als Frischegarant

Damit Früchte und Salate, die vorproduziert oder auf dem Buffet angeboten werden, keine braune Farbe annehmen, kommt üblicherweise Ascorbinsäure zum Einsatz. Dank Forschern der ZHAW läuft ihr vielleicht schon bald ein natürliches Antioxidationsmittel den Rang ab.
Text: Virginia Nolan – Fotos: z. V. g.
Veröffentlicht: 18.01.2019
ZHAW-Forscher Martin Häfele untersucht verschiedene Rhabarbersorten im Hinblick auf Aroma, Ertrag und ihren natürlichen Oxalsäuregehalt. Oxalsäure verhindert, dass aufgeschnittene Früchte braun werden.

«Mit Ascorbinsäure behandelte Früchte werden bereits nach wenigen Stunden braun, während Rhabarbersaft sie dauerhaft vor Oxidation schützt

Fruchtsäfte, konsumfertige Obstschnitze und Salatschalen gehören zum Standard-Convenience-Sortiment im Kühlregal. Damit diese Produkte auch noch ansehnlich sind, wenn sie Schneidbrett und Saftpresse verlassen, werden sie mit Ascorbinsäure behandelt. Im Volksmund auch als Vitamin C bekannt, ist Ascorbinsäure in der Lebensmittelindustrie eine Art Universalmittel. Vor allem dient sie der Haltbarmachung vorverarbeiteter Früchte, die anschliessend in pasteurisierten und frischen Säften, im Tiefkühlsegment oder vorgeschnitten im Offenverkauf zum Einsatz kommen. Die Wirkung von Ascorbinsäure ist aber nicht von besonders langer Dauer, wie etwa an den Fruchtschnitzen im Kühlregal deutlich wird: Nach ein paar Stunden gibt es sie zum halben Preis, weil sie nicht mehr frisch aussehen. Das könnte sich ändern, würde an Stelle der Ascorbinsäure ein neues, natürliches Antioxidationsmittel rücken: Rhabarbersaft.

Unlängst haben Forscher an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Rhabarbersaft erstmals bei der industriellen Verarbeitung von Früchten eingesetzt. Und dabei Resultate erzielt, die sie selbst überrascht hätten, wie Martin Häfele vom Department Life Sciences und Facility Management sagt: «Unsere Experimente zeigen, dass konventionell mit Ascorbinsäure behandelte Früchte bereits nach wenigen Stunden braun werden, während Rhabarbersaft sie dauerhaft vor Oxidation schützt.» Dies, sagt Häfele, verschaffe der Lebensmittelindustrie bei zeitkritischen Prozessen wie etwa dem Versaften von Früchten einen erheblichen Vorteil. «Ausserdem greift Ascorbinsäure in enzymatische Prozesse der Aromagenese ein», sagt Häfele. «Fruchtsäfte, die entsprechend behandelt wurden, schmecken und riechen daher anders. Werden sie stattdessen mit Rhabarbersaft angereichert, behalten die Säfte ein Aroma, das sensorisch sehr nah am Rohprodukt ist.»

Auch für besagte Convenience-Produkte wie Obstschnitze und Salatschalen biete sich Rhabarbersaft als natürliches Antioxidationsmittel an, ebenso im Bereich Trockenfrüchte. Letztere werden üblicherweise mit Schwefel haltbar gemacht. «Schwefel ist als Antioxidationsmittel das Nonplusultra», sagt Häfele, «es handelt sich dabei allerdings um ein deklarationspflichtiges Allergen, und Trockenfrüchte enthalten dieses in geradezu rauen Mengen.» In Experimenten mit Apfelschnitzen gelang es den ZHAW-Forschern, Trockenfrüchte ohne Schwefel haltbar zu machen – mit Rhabarbersaft.

Seine Wirkung als Antioxidationsmittel, die seit den Neunzigerjahren bekannt ist, verdankt der Rhabarber seinem natürlicherweise hohen Gehalt an Oxalsäure. Diese verhindert, dass aufgeschnittene Früchte mit Sauerstoff reagieren und daher rascher verderben. Dass Rhabarbersaft Ascorbinsäure und Schwefel in der Lebensmittelmittelindustrie nicht längst den Rang abgelaufen hat, sei unter anderem auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen, sagt Häfele: «Ascorbinsäure ist in der Anwendung bedeutend günstiger als Rhabarbersaft. Um beispielsweise einen Liter Apfelsaft mit Ascorbinsäure vor Oxidation zu schützen, belaufen sich die Kosten für die Ascorbinsäure auf einen Rappen – Rhabarbersaftkonzentrat kostet 30 Mal mehr.» Um die Wettbewerbsfähigkeit des neuen Antioxidationsmittels zu verbessern, erforscht Häfele nun mit weiteren Wissenschaftlern der ZHAW verschiedene Rhabarbersorten im Hinblick auf Aroma, Ertrag und Oxalsäuregehalt.

Die Zeichen für das Produkt stehen grundsätzlich gut, wenn es nach Häfele geht. So passe die Rhabarberpflanze aufgrund ihrer Ansprüche an Boden und Klima sehr gut in die Schweiz, und mit bis zu 30 Tonnen Ernte pro Hektar Land sei eine kostengünstige Produktion selbst in biologischer Qualität möglich. Aufgrund des frühen Erntezeitpunktes von April bis Ende Juni könnten Produzenten ganz auf Pflanzenschutzmittel verzichten. «Ein natürliches Antioxidationsmittel entspricht dem heutigen Zeitgeist», ist Häfele überzeugt. «Zudem ermöglicht die komplette Wertschöpfung in der Schweiz auch beliebte Prädikate Swissness oder Clean Label, die ein zusätzliches Verkaufsargument sind.» Auch in der Gastronomie sieht der Forscher Potenzial für den Rhabarbersaft: «Überall da, wo Früchte oder Salate vorproduziert oder beispielsweise auf Buffets angeboten werden, bietet er sich als natürliches Antioxidationsmittel an. So heisst es doch in zahlreichen Rezepten, man solle die Ware mit Zitronensaft beträufeln, damit sie nicht oxidiert. Eigentlich könnte in den Küchen genauso gut eine Sprühflasche mit Rhabarbersaft stehen: Er hält die Produkte viel länger frisch und kommt erst noch aus der Gegend.»

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