Worauf kommt es dabei an?
Das Öl soll, vereinfacht gesagt, im Gaumen und in der Nase fruchtig daherkommen. Zudem muss es frei von sensorischen Fehlern sein – und die Liste der Kriterien, wie ein gutes Olivenöl nicht schmecken sollte, ist lang. Es gibt 21 geschmackliche Fehlerattribute, deren Abwesenheit der Sensorik-Test bestätigen muss, bevor ein Olivenöl als nativ extra deklariert werden kann. Besteht ein Öl die sensorische Prüfung, ist meist auch seine chemische Zusammensetzung einwandfrei. Was selbst der geschulte Gaumen nicht herausschmeckt, sind jedoch zum Beispiel Rückstände von Weichmachern oder Pestiziden. Dafür braucht es das Labor. Grundsätzlich gilt: Ein gutes Olivenöl erkennt nur, wer schon ein solches probiert hat. Wenn der Gaumen diese Erfahrung ein paarmal macht, wird das Geschmackserlebnis, wie es sein sollte, mit der Zeit abrufbar.
Wie verlässlich sind Auszeichnungen und Preise, wie sie etwa der Wettbewerb Il Magnifico vergibt?
Die Detailhändler sind mittlerweile zu Recht skeptisch, was Ölprämierungen angeht. Wir haben es mit einer Wettbewerbsflut zu tun, die nicht unbedingt Licht ins Dunkel bringt. Es kommt nämlich durchaus vor, dass Produzenten für einen Wettbewerb einen 250-Liter-Tank feinstes Top-Öl herstellen, dafür einen Preis bekommen – und dann, kaum ist die Prämierung vorbei, in einem zweiten Anlauf 50000 Liter Öl von minderwertiger Qualität abfüllen, die dann mit dem Prämierungsstempel in den Handel gelangen. Mit dem neuen Sterne-Bewertungssystem, das Il Magnifico in diesem Jahr einführt, will man dieser Entwicklung mit strengeren Auflagen und einem Rückkontrollsystem entgegenwirken. Das bedeutet unter anderem, dass die im Detailhandel gehandelten Sieger-Öle regelmässig zurückgekauft und überprüft werden. Produzenten, deren Öle nicht tadellos daherkommen, werden verzeigt und verlieren die Auszeichnung. Diese Bemühungen sind begrüssenswert, in der Schweiz werden sie allerdings kaum spürbar sein. Il Magnifico ist ein hochstehender und der vermutlich gewichtigste Wettbewerb, wenn es um Olivenöl geht – er bleibt bis dato aber ein vorwiegend italienisches Ereignis.
Qualitativ hochwertiges Olivenöl wird meist mit italienischer Herkunft assoziiert – zu Recht?
Nein. Was die Qualität des Ă–ls und die Professionalität des Produktionsprozesses betrifft, hat Spanien im Vergleich zu Italien die Nase vorn. Das zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die jĂĽngste, von Hitze und Unwettern geplagte Ernte 2018, die in Italien mengen- und qualitätsmässig schlecht ausfiel. Das Land produzierte nur etwa 180000 Tonnen Olivenöl, Spanien dagegen ungefähr 1,6 Millionen Tonnen. FĂĽr die industrielle Produktion, mit der Supermärkte und Discounter bedient werden, ernten die Spanier bereits ĂĽberreife Oliven bis zum Mai, die Spitzenöle werden demgegenĂĽber lange vor dem Jahreswechsel aus vorwiegend unreifen Oliven gewonnen. In Spanien ist die Produktion vergleichsweise intensiv. Gerade in Andalusien gibt es riesige Olivenhaine, die mithilfe von Chemie bewirtschaftet werden. Diese Böden erodieren langsam, aber sicher weg. Die italienische Produktion punktet demgegenĂĽber mit mehr Biodiversität. Hier wird oft noch traditionell angebaut. Alte Olivenhaine mit grossen Baumabständen und Mischkulturen sind heute noch die Regel. Dieses kulturelle Erbe, das aufgrund wirtschaftlichen Drucks zunehmend gefährdet ist, gilt es zu schĂĽtzen. Ausserdem bietet Italien eine beeindruckende Sortenvielfalt: Von den weltweit etwa 1500 registrierten Olivensorten sind 644 in unserem sĂĽdlichen Nachbarland beheimatet. Daraus resultiert ein riesiges geschmackliches Potenzial.Â
Wie gut schöpft es die Gastronomie aus?
Mit Verlaub, viel zu wenig. Da liegt noch so viel Potenzial brach. Fleisch, Fisch oder Gemüse, das der Produzent bringt, kontrolliert der Küchenchef in der Regel persönlich. Ganz anders verhält es sich beim Olivenöl, das die meisten immer noch als rein funktionelles Lebensmittel betrachten – man braucht es ja nur zum Braten oder als Dressing. Das greift zu kurz.
Warum?
Hochwertiges Olivenöl ist als Basis-Ingredienz so wichtig wie gutes Fleisch. Das beweisen mittlerweile einige innovative Küchenchefs, die hochwertiges Olivenöl entsprechend nutzen und ihre Gerichte damit gezielt veredeln. Johan Breedijk vom Art Deco Hotel Montana in Luzern oder Philipp Tresch vom Ristorante La Perla, ebenfalls in Luzern, sind zwei dieser cleveren Köpfe. Sie sind für unsere Spitzengastronomie wichtige Vorbilder. Auch das Grand Resort Bad Ragaz um Küchenchef Renato Wüst und Vizedirektor Andreas Demont hat sich in der Verbreitung der Olivenöl-Botschaft verdient gemacht. Zusammen mit dem Resort haben wir 2018 La Serata d’Oro ins Leben gerufen, einen Abend ganz im Zeichen des Olivenöls. Dabei kamen Spitzenproduzenten aus ganz Europa nach Bad Ragaz, ebenso drei vom Olivenölführer Flos Olei als beste Olivenölköche ausgezeichnete Küchenchefs, die verschiedene Themengerichte zubereiteten: Michele Martinelli aus Italien, Vasilis Leonidou aus Griechenland und Philipp Tresch aus der Schweiz. Solche Veranstaltungen sollen qualitativ hochwertigem Olivenöl eine Plattform geben und die Wertschätzung von Köchen und Gästen gegenüber dem Produkt steigern.