KI findet die Erbse der Zukunft

Hülsenfrüchte gelten als Proteinquelle der Zukunft. Damit die Schweiz bald eigene Erbsen ernten kann, setzt ein Forschungsprojekt der ETH auf Künstliche Intelligenz.
Interview: Simone Knittel – Fotos: Andreas Hund
Veröffentlicht: 30.09.2023

«Restaurants übernehmen eine wichtige Rolle, um uns an neue Gerichte heranzuführen.»

Warum gelten Hülsenfrüchte als Proteinquelle der Zukunft?
Corina Oppliger: Für eine ausgewogene Ernährung sind Proteine essenziell, und getrocknete Hülsenfrüchte liefern diese in einer gut verträglichen Form. Der Anbau braucht weniger Wasser und hat einen viel kleineren CO2-Ausstoss als die Produktion von Fleisch, die weltweit 15 Prozent der Treibhausgase verantwortet. Zudem tun Hülsenfrüchten den Böden gut: Sie können mit Hilfe von Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft binden, und brauchen daher keinen zusätzlichen Stickstoff-Dünger. Das schützt unsere Gewässer. In der Schweizer Landwirtschaft war der Anbau von Hülsenfrüchten vor der Industrialisierung noch verbreitet, dann setzten sich zunehmend der Anbau von Getreide mit stark maschiniertem Ackerbau sowie die industrielle Tierhaltung durch. Heute werden Trockenerbsen in der Schweiz zwar noch angebaut, allerdings landen sie im Tierfutter. Sorten für den menschlichen Verzehr sind zunehmend verschwunden.

Warum forschen Sie ausgerechnet an Erbsensorten und nicht an Linsen oder Bohnen?
Erbsen sind aufgrund der steigenden Nachfrage nach pflanzenbasierten Fleischalternativen – wie etwa dem Planted Chicken, das aus Erbsenprotein besteht – interessant. Aufgrund von Eigenschaften wie Proteinstruktur, Farbe et cetera scheinen Erbsen besonders gut geeignet zu sein.

Was ist der Unterschied zwischen der grünen, frischen Erbse und der getrockneten Variante?
Es ist wie bei der Sojabohne: Die frische Sojahülse kann als Edamame verspeist werden, für die weitere Verarbeitung in der Küche, zum Beispiel zu Tofu und anderem, verwendet man die getrocknete Samen. Die ausgereifte, trockene Erbse ist länger haltbar, hat einen höheren Proteingehalt und bietet mehr Anwendungsgebiete. Für die Ernte von Trockenerbsen lässt man die Pflanze länger auf dem Feld, bis sie von selbst trocknet.

Wir essen die Erbsen also zu Fleischersatz verarbeitet, aber nicht im Ganzen getrocknet und gekocht?
Bei der Verarbeitung zu Fleischersatz verwendet man von der Erbse lediglich die Proteine und die Faserung, andere Bestandteile wie die Stärke werden nicht gebraucht. Ich würde es sehr begrüssen, wenn Köchinnen und Köche oder auch Unternehmerinnen und Unternehmer Ideen dazu entwickeln würden, was man künftig mit der Erbse anstellen kann, etwa in Form eines Erbsenhummus. Nicht wenige Restaurants übernehmen eine wichtige Rolle, um uns an neue Gerichte heranzuführen, die wir selbst zu Hause nicht unbedingt zubereiten würden.

Über welche Eigenschaften muss die ideale Erbsensorte verfügen?
Wir möchten Sorten finden, die mit dem sich verändernden Klima in der Schweiz gut zurecht kommen. Die Pflanzen müssen also toleranter sein im Hinblick auf zukünftige, möglicherweise trockenere Perioden und gleichzeitig auch mit viel Wasser umgehen können. Dann gibt es eine Reihe Eigenschaften, die für die maschinelle Ernte wichtig sind, beispielsweise, dass die Pflanzen möglichst aufrecht wachsen.

Sie nutzen für die Forschung neu auch Künstliche Intelligenz. Erzählen Sie!
Neue Sorten zu züchten ist sehr zeitintensiv. Um auf einem Testfeld zu unterscheiden, welche Pflanzen vielversprechend sein könnten, braucht es Personen, die diese regelmässig beobachten und ihre Erkenntnisse festhalten. Beispielsweise sind der Blühzeitpunkt und die Anzahl Blüten einer Pflanze sehr aufschlussreich. Wir arbeiten mit einer sogenannten stationären Feld-Phänotypisierungsanlage. Über dem Feld ist – wie bei einem Fussballspiel mit TV-Übertragung – eine mobile Seil-Kamera installiert, die aus allen Richtungen Bilder machen kann. Diese werden uns zugeschickt und mit Hilfe eines Algorithmus ausgewertet. Dem entsprechenden Programm wird ein Bildsatz mit Merkmalen von vielversprechenden Pflanzen gezeigt. Der Algorithmus lernt nun selbstständig stetig, wie es diese noch besser erkennen kann. Dabei ist er schneller, objektiver und kann grössere Datenmengen verarbeiten als ein Mensch. Das soll aber nicht heissen, dass die menschliche Intelligenz, gerade bei dieser Arbeit, hinfällig ist. Sie hat noch immer viele Vorteile, kann zum Beispiel ein Mauseloch im Feld besser erkennen oder manche Kontexte besser deuten.

Kurz gefragt: Werden wir in zehn Jahren hierzulande alle täglich Erbsen auf dem Teller haben?
Ich würde es eher so formulieren, dass wir in zehn Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Schweizer Feldern vermehrt Erbsen anbauen, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. Übrigens möchte ich keinesfalls eine rein pflanzliche Ernährung propagieren, ich bin eher für eine pflanzenbetonte Ernährung. Es ergibt Sinn, in der Schweiz mehr pflanzliche Proteine in die Ernährung zu integrieren. Aber aufgrund unserer Landwirtschaft und der Kreislaufsysteme spielen auch die Fleisch- und die Milchwirtschaft eine nicht zu vernachlässigende Rolle.

Zur Person
Corina Oppliger ist Agronomin und Doktorandin in der Gruppe für Kulturpflanzenwissenschaften an der ETH Zürich. Sie arbeitet an einem Forschungsprojekt, das Erbensorten sucht, die an die zukünftigen, klimatischen Bedienungen in der Schweiz angepasst sind. Dafür nutzt die Forschungsgruppe KI-basierte Algorithmen zur Bilderkennung, was die zeitintensive Züchtung stark verkürzen soll.



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