Starthilfe auf dem Silbertablett

Sabine Vogt unterstützt Betriebe in der Gemeinschaftsgastronomie dabei, mehr regionale Bio-Produkte zu verarbeiten. Sie sagt, was es dafür braucht – und was aktuell noch fehlt.
Interview: Sarah Kohler – Fotos: Njazi Nivokazi
Veröffentlicht: 03.10.2023 | Aus: Salz & Pfeffer 5/2023

«Schon gerüstetes Gemüse würde viel verändern.»

In zwei, drei Sätzen bitte: Was ist Bern ist Bio – und was machen Sie da?
Sabine Vogt: Wir fördern im Auftrag des Kantons die Wertschöpfung und die Wertschätzung von Berner Bio-Produkten. Ich bin in einem Teilprojekt für die Gemeinschaftsgastronomie zuständig, helfe Betrieben, mehr Berner Bio-Lebensmittel in ihre Menüs zu integrieren, und unterstütze sie generell in Nachhaltigkeitsfragen.

Die Initiative fusst auf der zweiten Berner Bio-Offensive. Was ging denn im ersten Anlauf schief?
Nichts. In der ersten Berner Bio-Offensive von 2016 bis 2020 lag der Fokus auf der Umstellung der Landwirtschaft zum biologischen Anbau. Das Projekt war erfolgreich. In der jetzigen Phase fördern wir den Absatz von Berner Bio-Produkten. Dabei spielt die Gemeinschaftsgastronomie eine wichtige Rolle, weil es hier um grosse Mengen Lebensmittel geht.

Und wie helfen Sie Betrieben konkret bei der Umstellung auf Bio?
Auch wenn ich keine Betty-Bossi-Lösung vorlege und auf die individuellen Bedürfnisse in einem Betrieb eingehe, findet meine Arbeit grob strukturiert in drei Phasen statt. In einem ersten Schritt schauen wir, was die Verantwortlichen wollen. Welche Produktegruppen sollen umgestellt werden? Welche Erwartungen sind vorhanden? Welche Kooperationen bestehen? Wie gross ist das Volumen? Auf diesen Grundlagen baut die zweite Phase auf.

Wie sieht diese aus?
Da geht es dann um konkrete Massnahmen für den Betrieb. Wenn in einer Küche die Produktegruppen Gemüse und Früchte auf Bio umgestellt werden sollen, kläre ich ab, ob sich dafür mit den bestehenden Lieferanten oder solchen in der Umgebung eine Lösung findet. Oder ich schaue direkt mit den Produzentinnen in der Region. Welche Menge kann wer zu welchem Preis liefern? Wie kommen die Bio-Produkte in den Betrieb? Mit der Logistik ist das oft so eine Sache. Ich liste die Optionen auf und hole Offerten ein. Die Preisverhandlungen führe ich aber nicht mehr, und am Ende liegt die Entscheidung beim Betrieb.

Welche dritte Phase braucht es dann noch?
Meine Arbeit nimmt im Projektverlauf immer mehr ab. Zum Schluss helfe ich einfach in der Kommunikation, gebe Tipps, wie sich die Umstellung auf Bio sichtbar machen lässt.

Alles in allem geben Sie eine doch recht handfeste Hilfestellung.
Auf jeden Fall. Ich serviere die Umstellung auf Bio-Produkte auf dem Silbertablett. Die Verantwortlichen können davon nehmen, was sie wollen. Und die eigentliche Arbeit nehme ich ihnen ab.

Funktioniert es nur so?
Nein, aber es ist in der heutigen Zeit – Stichwort Personalmangel – schwierig, sich im laufenden Betrieb noch um so was wie die Umstellung auf Bio zu kümmern. Da kommt meine Hilfe schon richtig. Ausserdem gibt es Themen, bei denen wir auf unser grosses Netzwerk zurückgreifen können. Etwa bei der Suche nach Convenience-Produkten: Die sind ein Knackpunkt, an dem wir auch auf nationaler Ebene arbeiten. Es hat sich klar abgezeichnet: Wenn wir in der Gemeinschaftsgastronomie mehr Bio-Anteil wollen, brauchen wir ein entsprechendes Angebot an Convenience-Produkten. Schon gerüstetes Gemüse würde viel verändern. Wir holen also alle Akteure und Akteurinnen an einen Tisch und wirken darauf hin.

Welche Voraussetzungen muss ein Gastrobetrieb mitbringen, damit eine Umstellung realistisch ist?
Es braucht auf jeden Fall eine gewisse Affinität gegenüber dem Thema Nachhaltigkeit. Es muss den Verantwortlichen wichtig sein, regional produzierte, nachhaltige Lebensmittel zu verarbeiten.

Und das reicht?
Es ist ein Anfang. So wie regional einkaufen. Die Landwirtschaft spielt in unserem CO2-Fussabdruck eine massgebende Rolle, und unser Lebenselixier ist der Boden, dem wir Sorge tragen müssen. Da fehlt bei den Gastronominnen und Gastronomen zum Teil schon noch das nötige Wissen. In den Köpfen ist oft einfach verankert: Bio gleich teuer. Im Gegenteil!

Im Gegenteil?
Klar: Wer nachhaltig arbeiten möchte, dem muss das etwas wert sein. Unsere Lebensmittel sind generell eh zu günstig. Aber wenn man direkt mit den Bauern und Produzentinnen arbeitet und eine gewisse Abnahmemenge garantiert, sind die Preise im Bio-Bereich zum Teil durchaus lukrativ. Am Ende kostet das Ganze vielleicht etwas mehr, aber der Unterschied ist gar nicht so gross, wenn man den Umweg über den Handel auslässt.

Sie arbeiten mit Lieferbetrieben und fördern zugleich die Direktvermarktung: Sehen Sie da keinen Konflikt?
Nein, wir unterstützen beides. Wenn eine Gastronomie mit einem Produktionsbetrieb zusammenarbeitet, der konventionell wirtschaftet, schauen wir, ob dieser möglicherweise auf Bio umstellen kann. Wenn das nicht geht, suchen wir weiter. Ich habe zum Beispiel ein Altersheim begleitet, das Suppenhühner – respektive Zweinutzungstiere – haben wollte. Ich machte mich auf die Suche nach Höfen im Umkreis, die dafür infrage kommen, vernetzte die Player miteinander ... Und jetzt wird zweimal im Jahr ein ganzer Stall geräumt, so gross ist die Abnahmemenge. So wünschen wir uns das!

Wir sprechen von grossen Mengen. Ist der biologische Landbau bereits dafür aufgestellt, diese zu liefern?
Es kommt darauf an, wie viele Gastronominnen und Gastronomen umstellen. Aktuell gibt es sicher Grenzen. Aber das ist ein Prozess, und aktuell habe ich noch keine Probleme, genug Lebensmittel in Bio-Qualität zu finden.

Sind die Bio-Richtlinien denn überhaupt radikal genug?
Vielleicht eine Präzisierung an dieser Stelle: Wir arbeiten eng mit Biosuisse zusammen, orientieren uns aber an den biologischen Richtlinien des Bundes, die etwas weniger streng sind als die Anforderungen für die Knospe. Labels sind wichtig, aber wir müssen unseren Boden unabhängig davon nachhaltig bewirtschaften. Ausserdem kann nur schon die Umstellung auf den biologischen Landbau für einen konventionell geführten Betrieb eine grosse Herausforderung sein.

Der Schritt dürfte auch für die meisten Gastronomiebetriebe einschneidend sein.
Sicher. Und die schwierigste Hürde ist und bleibt dann doch der Kostenfaktor. Aber wir sollten die Umstellung auf Bio als Ganzes sehen.

Wie meinen Sie das?
Nehmen wir das Beispiel der Gastronomie an der BFH-HAFL, der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften der Berner Fachhochschule, die ich im Rahmen von Bern ist Bio bei der Umstellung begleite. Seit diesem Frühling ist sie als erste Mensa mit einem Stern von Bio Cuisine zertifiziert. Wir starteten hier mit den Produktegruppen Gemüse und Früchte. Zuvor waren zum Teil auch Convenience-Produkte eingekauft worden, heute arbeitet das Team quasi ohne – weil sie im Bio-Bereich eben nicht verfügbar sind. Also rüsten die Mitarbeitenden in der Küche nun Kartoffeln. Der Aufwand verlagerte sich: Die Warenkosten wurden durch die Umstellung zum Teil günstiger, der Personaleinsatz nahm zu.

Sie stellten in einem zweiten Schritt auch die Produktegruppe Getreide um.
Richtig, und in diesem Bereich stiegen die Warenkosten zwar ebenfalls etwas an, aber in einem verkraftbaren Mass. Zudem kamen andere Lebensmittel ins Spiel: Emmer und Einkorn, zum Beispiel. Man benötigt davon weniger Menge auf dem Teller, damit die Gäste satt werden. Allerdings braucht es im Umgang damit etwas Übung und Planung. Zum Beispiel werden Emmer und Einkorn eingeweicht, um die Garzeit zu verkürzen – womit man wieder Energie spart. Oder es empfiehlt sich, in grösseren Portionen zu produzieren, um die Kosten zu reduzieren. Es gibt so viele verschiedene Aspekte, bei denen ich Unterstützung bieten kann.

Wo Sie sich nicht einmischen, ist bei der Zielsetzung. Wenn ein Betrieb nur eine Produktegruppe umstellen möchte, sagen Sie nichts?
Alles aufs Mal anzugehen, ist eine riesige Herausforderung. Es reicht, wenn man mit etwas anfängt – und dann nach und nach arbeitet. In der Regel zeigt sich eh, dass die Teams nach den ersten Schritten weitergehen möchten. Auch selbstständig. Oft gebe ich den ersten Anstoss – und sobald es in den Köpfen der Mitarbeitenden in der Küche Klick gemacht hat, braucht es mich nicht mehr. So wie an der BFH-HAFL: Anfangs wurde über die zusätzliche Rüstarbeit noch geflucht, aber inzwischen überwiegt die Freude an den Produkten. Und letztlich am Geschmack, der eben einfach besser ist.

Zur Person
Der Job ist ihr quasi auf den Leib geschneidert: Sabine Vogt (37) verantwortet bei Bern ist Bio das Teilprojekt Gemeinschaftsgastronomie. Nach der KV-Lehre in einem Hotel arbeitete sie auf diversen Posten in der Branche, absolvierte die Hotelfachschule in Thun und sammelte in der peruanischen Hauptstadt Lima gastronomische Auslanderfahrung. Zurück in der Schweiz verbrachte sie drei Jahre in Zermatt und übernahm dann die Geschäftsführung des Bären Langnau. Im Anschluss leitete sie das (inzwischen geschlossene) Bio-zertifizierte Seminarhotel Bio Schwand AG in Münsingen. Ein beruflicher Abstecher ins Berner Altersheim Senevita Wangenmatt bescherte Vogt erste Konzernerfahrung – und die Erkenntnis, dafür weniger der Typ zu sein. Die Möglichkeit, zum Team von Bern ist Bio zu stossen, kam entsprechend im richtigen Moment. Hier bringt Vogt ihr Know-how nun seit eineinhalb Jahren ein.

Zur Initiative
Bern ist Bio setzt sich – kurz zusammengefasst – für Berner Bio ein. Die nichtgewinnorientierte Initiative (auf Regierungsebene: Berner Bio-Offensive 2025, finanziert durch die Wirtschafts-, Umwelt- und Energiedirektion des Kantons) verfolgt das Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Verarbeitung, Logistik und Handel im Kanton Bern zu stärken sowie ein biologisches und nachhaltiges Landwirtschafts- und Ernährungssystem zu fördern. Bern ist Bio gliedert sich in fünf Teilprojekte, in einem davon liegt der Fokus auf der Gemeinschaftsgastronomie.

Bern ist Bio – Geschäftsstelle
BFH-HAFL, Länggasse 85, 3052 Zollikofen
bernistbio.ch



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