Ausgetrunken

Mehr Infos schaffen Mehrwert

Wer sich in Weinkarten vertieft, findet darin nicht nur eine üppige Auswahl, sondern kann sich oft auch in Geografie weiterbilden: Wallis, Drei-Seen-Land, Deutschschweiz, Emilia Romagna, Loire, Bordeaux, Burgund, Franken, Rheinhessen – alles bekannte Anbaugebiete. Aber was ist mit Sopron in Ungarn, Attika in Griechenland, Dão in Portugal, Weald and Downland in England oder Priorat in Spanien? Ausserdem finden sich auf der Karte häufig die Namen der Winzerinnen oder Winzer, mitunter Details zur Lage und Terroirbeschaffenheit der Rebberge, der Jahrgang, Infos zur Kellerarbeit, ob Boden- oder Fruchtwein… Kurz: Die Lektüre der Karte kann eine kleine Fortbildung in Weinkunde sein. Zudem erfahren die Gäste mehr über das Spektrum an Aromen: Frucht- oder Blütennoten, harmonische Süsse, kräftiger Körper – um einige Attribute zu nennen. 

Beim Bier steht in der Karte meistens zumindest der Name der Brauerei, eine Angabe zur Sorte und vielleicht zu den Geschmacksnoten. Anders sieht es auf den Seiten der alkoholfreien Getränke aus. Da finden die Gäste einen Apfelsaft unbekannter Herkunft. Informationen zur Sorte fehlen, was wahrscheinlich daran liegt, dass es sich nicht um einen reinsortigen Saft handelt, sondern um eine «Cuvée aus Äpfeln von europäischen Streuobstwiesen». Bei Limonaden werden immerhin die Marke (Fanta, Sprite, Coca-Cola) oder Details wie «Estragon-Ingwer» vermerkt, aber nie bloss «gelbe Limonade» oder «rote Limonade». Auf der Teekarte allerdings haben die Gäste die Wahl zwischen Kamille, Minze und Alpenkräutern – oder aber eben zwischen grünem und schwarzem Tee. Hier wird es ein bisschen originell: Entweder steht auf der Packung tatsächlich nicht mehr als die Farbangabe des Tees (und dann handelt es sich wahrscheinlich um kein besonders hochwertiges Produkt), oder es ist den Verantwortlichen des Lokals einfach nicht wichtig. 

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich brauche nicht zwingend Infos zur Oxidationsrate eines Oolong oder zur Höhe des Teegartens, ebenso wenig eine Angabe zur Beschattungsdauer, zur präzisen Anbauregion oder zur Qualität des Mahlvorgangs (Granitmühle oder maschinell?) des angebotenen Matcha. Bei Karten mit derart dürftigen Angaben zu alkoholfreien Getränken frage ich mich aber schon, wie es aussehen würde, wenn auf der Weinkarte eines gehobenen Restaurants lediglich «Rotwein», «Roséwein» und «Weisswein» stünde, ohne Angaben von Jahrgang, Anbaugebiet oder Rebsorte. 

Es würde ordentlich rauschen im Blätterwald und in den sozialen Netzwerken einen Shitstorm geben. Dem Gastronomen würde Beliebigkeit vorgeworfen, die Foodjournalistinnen würden sich über die lieblos getextete Karte mockieren. In diesem Sinne: Mit ein bisschen Aufwand und einer hochwertigeren Auswahl könnte man auch die alkoholfreie Karte interessanter gestalten – und: mehr Umsatz erzielen. Es bleibt eine Frage der Haltung. 

Nicole Klauss

Kulinarische Autorin und Gastronomieberaterin, neuetrinkkultur.de
Ausgabe: Salz & Pfeffer 2/2024 / Datum: 04.04.2024


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