Eigentlich wollte Martin Ospelt gar nicht unbedingt Koch werden, sondern einfach nur eine Ausbildung hinter sich bringen. In der Küche des Zürcher Restaurants Carlton traf er mit Dominik Müller und Andreas Medewitz (heute Küchenchef im Restaurant Sablier im Circle Zürich) dann aber auf zwei Lehrmeister, die aus dem mässig motivierten Jugendlichen einen passionierten und ehrgeizigen Koch formten. «Die beiden zeigten mir, was es heisst, mit Essen anderen Menschen Freude zu bereiten», so Ospelt.
Die Wanderjahre führten den gebürtigen Liechtensteiner anschliessend in diverse hochdotierte Küchen, unter anderen ins Hangar-7 in Salzburg, in die Restaurants Les Deux und Pageou in München sowie ins Restaurant Taubenkobel am Neusiedlersee. Und drei Tage vor dem ersten Lock- down vergangenen März trat er eine Stelle bei Sterne-Koch Markus Arnold in der Steinhalle in Bern an. Als dann aber die Gastronomie erstmals pandemiebedingt ihre Türen schloss, gingen auch die Wanderjahre des Martin Ospelt abrupt zu Ende.
Anfang August 2020 eröffnete der 25-Jährige im Herzen von Vaduz das Restaurant Amarone neu, als Küchenchef und Gastgeber. Das mit stilsicherem Auge eingerichtete Lokal erstreckt sich über zwei Etagen und versprüht ein modernes, urbanes Flair, wie man es auch aus London, Paris oder Prag kennt. Aus seinen Zielen macht Ospelt kein Geheimnis. «Wir wollen eine der besten Adressen am Platz werden, so einfach ist das.»
In der Küche weiss Ospelt mit Souschef Melf Jensen einen Gleichgesinnten und beschlagenen Koch an seiner Seite. Die beiden kennen sich aus gemeinsamen Zeiten im Hangar-7. Diesen Sommer liessen es die beiden so richtig krachen. Mit klug durchdachten und zugänglichen Gerichten feierten sie einen viel beachteten Einstand. Ihren Küchenstil beschreibt Jensen so: «Wir versuchen, aus einfachen Produkten das Beste rauszuholen, ohne Konventionen und Scheuklappen, im Vordergrund steht der volle Geschmack.» Ein gutes Beispiel dafür ist der Panzanella. Der italienische Brotsalat kommt mit einer Auberginencrème, gepickelten Zwiebeln, gerösteten Pinienkernen, Parmesan und getrockneten Tomaten daher: eine dicht komponierte Geschmacksbombe, die sich dem Gast nachhaltig in die Hirnrinde brennt.
Grandios ist auch der Coq au vin, für den Ospelt und Jensen eine Maispoularde im Rotwein einlegen, anschliessend aber nicht schmoren, sondern sous-vide garen. «Es waren viele Diskussionen und einige Versuche nötig, bis wir beim Fleisch die richtige Konsistenz und bei der Sauce das perfekte Säureverhältnis erreicht hatten», so Ospelt. Serviert wird das Gericht schlicht und dennoch kunstvoll angerichtet mit Cerealien und frischen Kräutern.
Im Gespräch wird schnell klar, dass im Amarone keine Fantasten am Werk sind, sondern Profis, die zwar jung und hungrig sind, darüber aber nicht den Blick fürs Wesentliche verlieren. «Glückliche Gäste sind genauso wichtig wie zufriedene Mitarbeiter», so Ospelt. Während in der Küche junge Männer in ihren Zwanzigern am Werk sind, verfügt Chef de Service Andre Carreira über drei Jahrzehnte Erfahrung. Mit sicherem Gespür empfiehlt er passende Tropfen zu den einzelnen Gängen. Zum Pulpo mit Speckcrème und Miso- Espuma passt beispielsweise ein lokaler, erstaunlich frischer Riesling-Sylvaner (aus Eschen), und zum schlicht hervorragenden Onsen-Ei mit Erbsen und Kräutern im Pilzsud gibts einen klassischen Chianti.
Zurzeit tüftelt die Küchenbrigade hinter verschlossenen Türen an neuen Gerichten, damit sie nach dem Lockdown – und dem hoffentlich baldigen Ende der Pandemie – vom ersten Tag an wieder in die Vollen gehen kann. Denn eins ist sicher: Die jungen Wilden aus dem Amarone wollen sich mit den Besten messen – und bringen alles mit, was es dafür braucht.
Restaurant Amarone
Im Städtle 29
9490 Vaduz
+423 232 22 88
amarone.li