Als Jüngster im erlauchten Kreis
Der Gault & Millau hat in Ascona seine Auswahl 2025 vorgestellt. Marco Campanella mischt die Spitze auf – und für Mitja Birlo gibts eine eigene Kategorie.
«Die Kartoffeln sind Teil vieler Rituale.»
Sie führen ein Restaurant mitten in der Hauptstadt von Peru. Welche Küche erwartet die Gäste?
Heinrich Herold: Die peruanische Küche ist von Region zu Region sehr unterschiedlich und geprägt von Einwanderern aus der ganzen Welt. Mein Stil ist eine Art peruanisches Comfort-Food: traditionelle Geschmäcker mit einem modernen Twist. Das ist, was die Leute in Lima am liebsten mögen: die Fusion von peruanischen Geschmäckern und anderen Kulturen.
Das heisst, Ihre Gäste sind vor allem Einheimische.
Hauptsächlich, ja. Sie kommen aus den umliegenden Büros. Der Verkehr in Lima ist verrückt, da will niemand über Mittag Auto fahren.
Was sind denn typisch peruanische Gerichte?
Fleischeintöpfe oder Ceviche zum Beispiel. Im Norden sehr beliebt ist «Seco de Carne», ein grünes Rindergulasch mit gelber Peperoni und viel püriertem Koriander. Was wir auch machen, ist «Muchame», ein Fischgericht mit italienischen Wurzeln. Der Fisch wird in Streifen geschnitten, für ein paar Tage in Salz gelegt und dann an einer speziellen Vinaigrette sowie mit Gemüse serviert.
Und Kartoffeln?
Natürlich. Peru ist ein Kartoffelland. Es gibt etwa 3000 Sorten, man kann jeden Tag eine neue entdecken. Die alten Völker in den Anden haben die «papas» verehrt, denn sie waren das Einzige, was in diesen Höhen wuchs. Die Kartoffeln sind hier sozusagen ein heiliges Nahrungsmittel und Teil vieler Rituale.
Erzählen Sie.
Es gibt zum Beispiel eine Kartoffel in Form einer Hand. Vor der Heirat muss die Frau die Kartoffel schälen, was sehr schwierig ist. Wenn sie es schafft, bedeutet es: Sie ist bereit für die Ehe. Ein weiteres Ritual ist «Papa Watay». Dabei werden die ersten und besten Kartoffeln einer Ernte der «Pachamama», der Mutter der Erde, geschenkt. Als Dank für ihre Grosszügigkeit.
Was machen Sie im Restaurant Catalina 555 mit den Kartoffeln?
Wir brauchen etwa zehn Sorten. Eine zum Braten, eine zum Pürieren, eine zum Kochen und so weiter. In Peru findet man alles das ganze Jahr durch. Vielleicht macht es das einfach, hier zu kochen. Es gibt schon Saisons in dem Sinn, dass die Tomaten des Sommers besser schmecken. Dank den verschiedenen Höhen ist aber immer alles verfügbar. Damit können wir spielen.
Das geht ganz ohne Schwierigkeiten?
Die indigenen Völker denken noch immer, dass die Leute von der Küste und vom Zentrum ihre Kultur gestohlen haben. Zudem ist die Wertschöpfungskette unfair, vom Verkaufspreis einer Kartoffel, zum Beispiel in der Schweiz, erhalten sie nur einen Bruchteil. Wir als Köche haben die Pflicht, etwas zu ändern.
Sprechen Sie von der Bewegung «Generación con Causa»?
Ja. Im Jahr 2021 wird Peru 200 Jahre alt. Das nahmen wir zum Anlass, ein Manifest zu verfassen. Wir engagieren uns gegen Hunger, für rückverfolgbare Wertschöpfungsketten, fairen Handel, bessere Berufsbildung sowie den Erhalt der Küste, des Hochlands und des Amazonas. Knapp 50 peruanische Köche sind Teil der Bewegung, einige davon arbeiten im Ausland.
Sie selbst tragen einen deutschen Namen.
Ja, mein Grossvater, ein Brauer aus Baden-Württemberg, wanderte nach Peru aus. Seine Kinder gingen mit dem Schiff nach Deutschland, um zu studieren und kamen zurück, um ins Geschäft des Vaters einzusteigen. Er betrieb in den Anden die damals höchstgelegene Brauerei der Welt (Cervecería Herold, Cerro de Pasco, 4338 Meter über Meer, Anmerkung der Redaktion). Die Brauer suchten damals nach gutem Wasser und stiegen immer weiter in die Höhe – bis sie in dieser Hölle landeten. Es ist verrückt, man kann nicht einmal atmen.
Beeinflussen die deutschen Wurzeln Ihre Küche?
Klar. Ich bin mit Spätzle, Kartoffelsalat und Rotkraut aufgewachsen. Im Restaurant haben wir auch schon Sauerkraut mit peruanischem Fisch oder Fleisch gemacht oder Spätzle mit Eintopf.
Heinrich «Heine» Herold (40) betreibt in Lima das Restaurant Catalina 555. Gekocht hat er sein Leben lang – mit der Grossmutter, der Mutter und der Tante. Zum Kochberuf fand er dennoch über Umwege: Im letzten Jahr seines Architekturstudiums bekam Herold die Möglichkeit, ein Catering zu machen, was ihm so gut gefiel, dass er das Studium aufgab. Nach zwei Jahren liess er sich zum Koch ausbilden. Danach arbeitete er einige Jahre in den USA – Florida und Kalifornien – sowie in Venezuela. Nach seinen Wanderjahren kehrte Herold nach Lima zurück, wo er zunächst ein winziges, später ein grosses Restaurant eröffnete: das Catalina 555 im Stadtteil San Isidro. Er beschäftigt 35 Mitarbeiter, davon elf Köche. An der Igeho, der internationalen Fachmesse für Hotellerie, Gastronomie, Take-Away und Care in Basel, hielt Herold einen Vortrag zu den Besonderheiten der peruanischen Küche. Peru, das diesjährige Gastland der Messe, erhielt zum fünften Mal in Folge den World Travel Award als bestes kulinarisches Reiseziel.
Restaurant Catalina 555, Calle Sta Luisa 156, San Isidro 1, +51 (0)1 637 82 92, Hier gehts zum Facebook-Auftritt