Als Jüngster im erlauchten Kreis
Der Gault & Millau hat in Ascona seine Auswahl 2025 vorgestellt. Marco Campanella mischt die Spitze auf – und für Mitja Birlo gibts eine eigene Kategorie.
«Wir können aufs Klima Einfluss nehmen und sollten es dringend tun.»
Nüsslisalat mit Speck und Ei zur Vorspeise, Älplermagronen mit Apfelmus zum Hauptgang und eine Schokoladenmousse zum Schluss – ein Menü, wie es Schweizer oft und gerne essen. Was wir heute noch zu unseren Leibspeisen zählen, könnte in Zukunft allerdings sprichwörtlich vom Tisch sein, denn der Klimawandel gefährdet die Nahrungsmittelproduktion weltweit. Steigende Temperaturen, übernutzte Böden und damit verbundene Phänomene wie Dürren, Überschwemmungen und Schädlingsplagen führen zu vermehrten Ernteausfällen. Auch in der Schweiz sind sie bereits spürbar: So bekam der Hitzesommer 2018 den heimischen Zwiebeln so schlecht, dass nur noch der Massenimport half. Mit der Kampagne «All you can’t eat» zeigt die Umweltallianz Schweiz auf der Basis wissenschaftlicher Daten, wie der Klimawandel unser Speiseangebot bis ins Jahr 2050 verändern könnte. Was das mit beliebten Schweizer Klassikern macht, demonstriert Koch Markus Burkhard (Restaurant Jakob, Rapperswil) im Rahmen der Aktion mit einem Küchenexperiment.
Und so wird aus Nüssli- ein Artischockensalat. «Nüsslisalat ist ein durchaus bedrohtes Lebensmittel», sagt der an der Kampagne beteiligte Wissenschaftler Adrian Müller, Experte für Klimawandel und Landwirtschaft am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl). Wenn die Temperaturen weiter steigen, die Sonne den Nüsslisalat versengt und das Wasser für seinen Anbau knapp wird, könnte die Artischocke in die Bresche springen. Für die Bauern würde es sich dann durchaus lohnen, ihre Salatfelder für die widerstandsfähige Südpflanze zu räumen. Die Salatbeilagen Speck und Ei hat Koch Burkhard in seinem Zukunftsmenü durch Shiitake-Pilze und Seidentofu ersetzt: «Der Zuchtpilz ist in seinem Anbau ressourcenschonend, und die Sojaproduktion könnte durch die steigenden Temperaturen vergleichsweise wenig betroffen sein.»
An die Stelle von manchem Schweizer Grundnahrungsmittel könnte bis 2050 ein neues rücken. «Kartoffeln zum Beispiel», sagt Experte Müller, «erfordern eine intensive Bodenbearbeitung, etwa durch Pflügen. Bei konstant erhöhten Temperaturen führte das schon bei der Aussaat zu ausgetrockneten Böden, ausserdem ist damit zu rechnen, dass sich im veränderten Klima Schädlinge wie Kartoffelkäfer vermehren.» So könnte bis 2050 die Süsskartoffel zur favorisierten Knolle avancieren, denn sie bevorzugt höhere Temperaturen als das heimische Pendant. Erste Schweizer Bauern treiben ihren Anbau bereits voran. Müssen wir also, wie Küchenchef Burkhard es in seinem Zukunftsexperiment tut, Rösti im Jahr 2050 mit Süsskartoffeln zubereiten? «Das wissen wir heute noch nicht», sagt Müller. «Wir können keine präzisen Voraussagen dazu machen, wie wir uns bei ungebremstem Klimawandel künftig ernähren werden – oder müssen. Die neu interpretierten Gerichte sind keine wissenschaftliche Beweisführung, sondern ein Versuch, der Dringlichkeit des Klimaproblems Nachdruck zu verleihen und aufzuzeigen, dass grosse Veränderungen auf uns zukommen werden. Dabei stützen wir uns auf allgemein akzeptierte wissenschaftliche Erkenntnisse.»
Kakao, die Hauptzutat unserer heissgeliebten Schokoladenmousse, ist bereits heute gefährdet. Trockenheit und Insektenbefall setzen dem Gewächs zu. Laut der Studie «Vulnerability to climate change of cocoa in West Africa» könnten bis im Jahr 2050 über die Hälfte der Anbauflächen im westafrikanischen Kakaogürtel ausfallen – und Westafrika kommt für 60 Prozent der weltweiten Kakaoernte auf. «Kakao wird es in einer klimaveränderten Zukunft schwer haben und sehr teuer werden», sagt Küchenchef Burkhard. «In meinem All-you-can’t-eat-Menü habe ich die Schokoladenmousse also durch einen Erdmandel-Espuma ersetzt – mit ein paar wenigen Schoko-Raspeln drauf. Sie sollen den Mangel an Schokolade versinnbildlichen.»
Sind wir überhaupt noch in der Lage, das Rad herumzureissen? «Wir können auf jeden Fall Einfluss nehmen und sollten es dringend tun», sagt Müller. «Ob der globale Temperaturanstieg nun vier oder ein Grad beträgt, fällt extrem ins Gewicht.» Dass unser Essverhalten das Klima in wesentlichem Mass beeinflusst, gilt als unumstritten. «Den wirksamen Beitrag leistet an dieser Stelle, wer wenig tierische Produkte konsumiert, die von allen Lebensmitteln am meisten Ressourcen verschlingen», sagt Müller. «Und wir sollten Abfälle vermeiden – bekanntlich landet rund ein Drittel von unseren Lebensmitteln im Müll. Wenn man die gar nicht erst produzieren müsste, wäre der Umwelt sehr gedient.»
Mehr Informationen, Hintergrundwissen und die Rezepte zum Experiment All you can't eat gibt es hier.