Als Jüngster im erlauchten Kreis
Der Gault & Millau hat in Ascona seine Auswahl 2025 vorgestellt. Marco Campanella mischt die Spitze auf – und für Mitja Birlo gibts eine eigene Kategorie.
«Wer mit Kindern auswärts isst, macht oft die Erfahrung, dass man als Familie vor allem eine Herausforderung darstellt.»
Ihr Restaurantführer zeichnet kinderfreundliche Lokale aus. Was muss ein Restaurant bieten, damit Familien sich wohlfühlen?
Kathrine Berger Meili: Nebst Herzlichkeit, mit der jeder Gast empfangen werden möchte, sind Flexibilität und Gelassenheit gefragt. Etwa im Hinblick auf logistische Herausforderungen oder die kulinarischen Vorlieben von Kindern: Es ist für Eltern erleichternd, wenn der Service kein Aufhebens darum macht, dass der Sprössling seine Pizza nun eben ohne Tomatensauce haben möchte oder der Gastgeber entspannt reagiert, wenn er für die Grossfamilie zwei Tische neu arrangieren oder zusammenrücken muss. Die Auswahlkriterien für ein Restaurant verändern sich, wenn Kinder dabei sind. Waren früher Lage oder Speisenangebot entscheidend, will man als Eltern beispielsweise wissen, welche Restaurants eine Wickelmöglichkeit oder Kindersitze anbieten, Babynahrung aufwärmen und sich nicht an Kinderwagen stören, um ein paar Beispiele zu nennen.
Wie beurteilen Sie die Schweizer Gastronomie im Hinblick auf Familienfreundlichkeit?
Ich glaube, da gibt es noch viel Luft nach oben. Wer mit Kindern auswärts isst, macht oft die Erfahrung, dass man als Familie vor allem eine Herausforderung darstellt. Das erzeugt Stress. Die hohe Besucherzahl auf meiner Plattform zeigt, dass Eltern gezielt nach Informationen suchen, wo sie mit Kindern willkommen sind. Die Nachfrage ist gross, das Angebot eher klein. Das ist schade, denn Betriebe, die sich explizit als kinderfreundlich positionieren, machen in der Regel sehr gute Erfahrungen damit.
Warum schliessen sich ihnen nicht mehr Mitbewerber an?
Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Eine Befürchtung, die Gastronomen häufig äussern, lautet, dass andere Gäste sich von Kindern gestört fühlen könnten. Tatsächlich kann zappeliger Nachwuchs Tischnachbarn verärgern. Das muss aber nicht sein: Ein Restaurantbesuch verläuft meist reibungslos, wenn Kindern eine Beschäftigungsmöglichkeit haben.
Woran denken Sie da?
Buntstifte und Büchlein, Malvorlagen oder Rätsel gehören sicher zu den Klassikern. Sind die vorhanden, ist das sicher schon mal gut. Wer das Material nicht selbst zusammenstellen mag, kann bei uns für 15 Franken eine Spielbox beziehen. Sie erhält altersgerechte Gestaltungsmaterialien und Spielsachen für unterschiedliche Vorlieben, mit denen Kinder über einen längeren Zeitraum malen, spielen und knobeln können. Die Spielbox ist einfach im Unterhalt, wiederverwendbar und platzsparend. Besonders praktisch ist es natürlich, wenn eine Spielecke vorhanden ist.
DafĂĽr hat nicht jeder Betrieb den Platz.
Sicher. Obschon die Erfahrung zeigt, dass es dafür nicht viel braucht. Wir finden in der Regel auch auf kleinem Raum eine gute Lösung. Im Gegensatz zu den Beschäftigungsmöglichkeiten am Tisch gehört die Spielecke aber nicht zu den Minimalanforderungen, die Betriebe für meinen Restaurantführer erfüllen müssen. Ich finde es übrigens auch in Ordnung, wenn ein Lokal kein Familienrestaurant sein will. Das ist alles eine Frage der Positionierung. Wichtig ist, dass Gastgeber, die Familien ansprechen, dann auch wirklich kinderfreundlich sind. Wenn da zwar eine Rutschbahn im Garten steht, man dann aber genervt reagiert, weil die Platzierung einer kinderreichen Gästegruppe etwas umständlich ist, passt das nicht zusammen.
Was macht Familien als Zielgruppe attraktiv?
Familien bedeuten für den Gastronomen zwar unmittelbar mehr Aufwand, sind aber eine äussert attraktive Zielgruppe, was ihr Umsatzpotenzial betrifft. Eltern, die mit ihren Kindern abends auswärts essen, kommen in der Regel früher ins Restaurant als kinderlose Gäste und verweilen dort weniger lange. Das gibt Gastronomen die Möglichkeit, Flauten abzufedern und ihre Kapazitätsauslastung verbessern. Fühlen sich Eltern in einem Restaurant wohl, kehren sie gerne dorthin zurück – möglicherweise auch für Feste wie Hochzeiten, Taufen, Geburtstage oder Kommunionsfeiern. Wie gesagt, nicht viele Betriebe sind auf Kinder eingerichtet. Wer sich so positioniert, hat also einen Wettbewerbsvorteil. Zu guter Letzt sind Kinder die Gäste von morgen. Wer ihnen gute Erlebnisse beschert, schafft die Grundlage für eine langfristige Kundenbindung.
Kathrine Berger Meili studierte Psychologie und war danach in der Werbebranche tätig. Sie ist Mutter einer jugendlichen Tochter und Gründerin von Gastro4kiddz. In dieser Funktion berät sie Gastronomen, die ihren Betrieb als kinderfreundlich positionieren oder bestehende Angebote verbessern möchten. Interessierte Restaurants können sich bei Gastro4kiddz ausserdem zertifizieren lassen: Das Gütesiegel «Food4family – Kinder willkommen» steht für besonders kinderfreundliche Gaststätten, dient der Zielgruppe als Orientierungshilfe und zertifizierten Betrieben als Marketinginstrument auf allen Kanälen. Für Famigros, die von der Migros betriebene Community für Familien, baute Berger Meili die Rubrik Restaurants-Tipps auf. Heute liegt ihr Fokus auf ihrer eigenen Plattform Food4familiy, ein Online-Gästeführer für kinderfreundliche Restaurants mit über 160 detaillierten Gastro-Tipps für die ganze Schweiz.