Chaos im Kopf
Als kunst- und kulinarikverrückter Wirbelwind eroberte Moritz Stiefel die Luzerner Gastroszene im Sturm. Ein Gespräch über bunte Hunde in der Familie, Krieg in der Küche und Vivaldi im Ohr.
«Was der Gast für sein Ticket bezahlt, fliesst vollumfänglich in gemeinnützige Engagements.»
Warum ist der Kitchen Battle aus Ihrer Sicht so erfolgreich?
Anna Hofmann: Ich denke, da spielen viele Faktoren mit hinein, die wichtigsten sind vermutlich Gemeinschaft und Geselligkeit. Beim Kitchen Battle kommen Leute miteinander ins Gespräch wie sonst selten. Man sitzt gemeinsam an der langen Tafel, tauscht sich über die Leistungen der Kochteams aus, bewertet sie. So entsteht ein angeregtes Tischgespräch, auch, wer allein oder nur zu zweit hingeht, wird in Kürze Teil davon. Und die Gäste scheinen Überraschungen zu mögen. Die Teams müssen den Warenkorb, den sie bekommen, quasi aus dem Stegreif verarbeiten: Man weiss nicht, was einen erwartet. So entstehen zum Teil ungewöhnliche Kreationen, die ein Koch im Betrieb wohl nicht auf die Karte setzen würde – am Battle bringt der Gast die Offenheit dafür mit. Und natürlich tut der gute Zweck der Sache sein Übriges. Köche und Helfer sind ehrenamtlich im Einsatz, Lokalitäten werden uns praktisch gratis zur Verfügung gestellt, ebenso Lebensmittel. Was der Gast für sein Ticket bezahlt, fliesst vollumfänglich in gemeinnützige Engagements.
Der Kitchen Battle ist der grösste Fundraising-Event zur Finanzierung von Cuisine sans frontières. Welchem Projekt kommt der Erlös heuer zugute?
Diesmal sind es gleich drei. Ein älteres, bereits etabliertes in Kenia, welches wir den lokalen Verantwortlichen in Kürze übergeben werden, ein Ausbildungsprojekt in Ecuador, das erfolgreich angelaufen ist, sowie ein brandneues Projekt in Griechenland. Es steckt noch in den Kinderschuhen.
Worum geht es?
Zwei unserer Köche sind diesen Herbst nach Thessaloniki gereist, um sich vor Ort ein Bild von der Flüchtlingssituation zu machen. Sie wollten eigentlich erst einmal sondieren, wo Hilfe nötig ist, hatten aber schon am zweiten Tag alle Hände voll zu tun. Viele Flüchtlingslager in Griechenland sind überfüllt, junge Männer werden deshalb häufig abgewiesen. Sie werden zu Obdachlosen, auch um ihr leibliches Wohl kümmert sich niemand. Hier springen wir in die Bresche. Unsere Köche haben in einer Gemeinschaftsküche die Arbeit aufgenommen, versuchen, von überallher Lebensmittel aufzutreiben. Zusammen mit Freiwilligen verteilen sie täglich gegen 300 Mahlzeiten an Orten wie Bahnhöfen, wo sich viele Flüchtlinge aufhalten. Noch ist das alles ein Tropfen auf den heissen Stein. Längerfristig möchten wir ein Angebot etablieren, das Flüchtlinge in die Arbeit einbezieht, damit wir hoffentlich schon bald auf zwei warme Mahlzeiten pro Tag kommen. Dafür sind noch viel Material und finanzielle Unterstützung nötig.
In Zürich feiert der Battle die zehnte Ausgabe. Worauf dürfen sich Gäste zum Jubiläum freuen?
Von Mittwoch bis Samstag findet der Battle in gewohnter Manier statt, der eigentliche Jubiläumsanlass ist am Sonntag. Dann werden für einmal nicht Restaurantteams gegeneinander antreten, sondern Schweizer Prominente – natürlich mit Schützenhilfe von Küchenprofis wie Erik Hämmerli, Pascal Schmutz, Jann Hoffmann oder Kevin Ashbrook.
Seit 2009 organisiert der Verein Cuisine sans frontières, der weltweit Gastronomieprojekte mit humanitärem Hintergrund lanciert, den Kitchen Battle als jährlichen Benefiz-Anlass. Sponsoren, ehrenamtlich arbeitende Köche und Küchenmitarbeiter sowie unzählige freiwillige Helferinnen ermöglichen, dass die Einnahme der Veranstaltung vollumfänglich in die Projekte von Cuisine sans frontières fliessen. Die Battles finden in Luzern (25. bis 28. Oktober), Zürich (31. Oktober bis 4. November) und Bern (8. bis 10. November) statt. Tickets kosten in Bern und Luzern 130, in Zürich 150 Franken. Zum Verkauf gehts hier lang.
Am Kitchen Battle sind die Abwascherinnen und Abwascher die Helden hinter den Kulissen. Fünf Abende hintereinander schrubben sie Geschirr – mit kaltem Wasser. Fred Schaerlig vom Food- und Kultur-Kollektiv Das Provisorium will den Küchenhelden dieses Jahr mit Abwaschmaschinen unter die Arme greifen und hat hierzu ein Crowdfunding lanciert. Hier erfahren Spendewillige mehr dazu.