Leben für die sprachliche Präzision

Die Übersetzung von gastronomischen Fachwörtern ist mitunter eine knifflige Aufgabe. Marianne und Jean-Pierre Duboux spüren seit rund 40 Jahren die korrekten Begriffe auf. Ein Lebenswerk!
Text: Andreas Bättig – Fotos: Christine Benz
Veröffentlicht: 27.08.2024 | Aus: Salz & Pfeffer 4/2024

«Man darf sich nicht dazu verleiten lassen, ähnlich tönende Begriffe in einer anderen Sprache zu verwenden.»

Eine Speisekarte kann für grosse Belustigung sorgen. So geschehen zum Beispiel in den Ferien im französischen Nizza. Dort gab es in einem Restaurant als Vorspeise nämlich einen ganz besonderen Salat zu bestellen. Die Zutatenliste auf Französisch lautete: «poulet, maïs, ananas, avocat». In der englischen Übersetzung wurde aus der «avocat», der Avocado, allerdings ein «lawyer» – Sprachexperte Google sei Dank. Bei so viel sprachlichem Verbrechen hätte man tatsächlich am liebsten den Anwalt bestellt.

Eben diesem Wirrwarr auf den Speisekarten haben Marianne und Jean-Pierre Duboux den Kampf angesagt. Seit rund 40 Jahren arbeitet das Thuner Ehepaar leidenschaftlich an seinen mehrsprachigen Fachwörterbüchern, die mittlerweile je über 200 000 Begriffe in Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Katalanisch, Portugiesisch, Niederländisch, Rätoromanisch und Latein (vorwiegend für Gemüse, Früchte, Kräuter, Pilze, Fische und so weiter) umfassen. Dazu kommen zahlreiche lexikalische Ergänzungen, die Wissenswertes vermitteln, zum Beispiel über die Geschichte der klassischen Küche. «Eine mehrsprachige Speisekarte kann den Umsatz eines Restaurants um mehr als 50 Prozent seitens fremdsprachiger Gäste steigern», sagt Jean-Pierre Duboux. Das sei ihm von Gastronominnen und Gastronomen bestätigt worden.

Die Bierwurst ohne Bier
Doch gerade beim Übersetzen lauern viele Fallstricke. Deshalb müsse jeder Begriff akribisch recherchiert und hinterfragt werden. Denn: In der gleichen Sprachregion gebe es unterschiedliche Bezeichnungen. So sei der deutsche Käsekuchen kein Kuchen mit Käse beziehungsweise keine Käsewähe wie in der Schweiz, sondern eine Quarktorte. «Viele Begriffe lassen sich nicht übersetzen, sondern höchstens übertragen oder umschreiben», sagt Marianne Duboux. Und führt sogleich weitere Beispiele an: Fleisch werde nicht nur von Land zu Land, sondern von Region zu Region anders ausgeschlachtet. Fische und Krustentiere würden entlang einer Küste praktisch fast von Dorf zu Dorf anders benannt, wenn sie eine leicht andere, dem Untergrund angepasste Farbe haben. Bierwurst wiederum enthält kein Bier, sondern wird zum Bier serviert. Bei der Tomatensauce stelle sich beim Übersetzen in eine romanische Sprache die Frage: Besteht die Sauce aus Tomaten oder handelt es sich um eine Sauce mit Tomaten? Und Lachsschinken sei nicht etwa Schinken vom Lachs, sondern geräuchertes Schweinsrückenfilet. 

Beim Übersetzen seien Sorgfalt und Präzision gefragt. «Man darf sich nicht dazu verleiten lassen, ähnlich tönende Begriffe in einer anderen Sprache zu verwenden: Die deutsche Torte etwa wird oft irrtümlicherweise mit ‹tourte› übersetzt, was allerdings als gedeckter Fleischkuchen definiert ist – richtig ist ‹gâteau›», erklärt Marianne Duboux. 

Rechtliche Absicherung
«Eine Speisekarte muss klar und verständlich sein», sagt sie weiter. Der Gast wolle wissen, was er bestellt – ohne lange nachfragen zu müssen. Umso erstaunlicher und oft auch ärgerlich sei es, dass viele Gastronomiefachleute ihre Speisekarten selbst zusammenbastelten und sich dabei auf wenig zuverlässige Internetrecherche verliessen. «Köche und Köchinnen sollen gut kochen, müssen aber nicht unbedingt gut und richtig schreiben können», so Jean-Pierre Duboux.

Eine korrekte Karte ist indes nicht nur wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden. Sie ist durchaus auch rechtlich relevant. «Nahrungsmitteldeklarationen, Produktbezeichnungen und auch Speisekarten sind einem Vertrag gleichzusetzen», sagt Duboux. Falschangaben könnten Gastronominnen und Gastronomen deshalb in Schwierigkeiten bringen. Der Duboux bietet insofern Sicherheit, als man sich auf das Werk berufen kann, wie sogar der Sprachendienst der EU in Brüssel meint.

Auch verschiedene Berühmtheiten sind erklärte Duboux-Fans. So schrieb etwa Bundesrat Ignazio Cassis einmal: «Meine Frau und ich sind passioniert in der Entdeckung kulinarischer Namen in allen Sprachen. Umso grösser die Freude, nun endgültig dank Ihrer Wörterbücher die entsprechenden Lösungen zu haben!» Und Kurt Imhof, ehemaliger Direktor der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern, meinte: «Das ideale Lehr-und Hilfsmittel nicht nur für angehende, sondern auch für professionelle Gastronomen.»

Aus der Not heraus geboren
Ihren Lauf nahm die ganze Geschichte im Jahr 1985: Damals bekam der Korrekturservice des Ehepaars Duboux von einer Satzfirma die Speisekarte eines renommierten Hotels zur Korrektur. Diese wiederum hatte den Auftrag über die Werbeagentur des Hotels erhalten. «Wir korrigierten nach bestem Wissen und Gewissen, nach Rechtschreib-und Grammatikregeln», erinnert sich Marianne Duboux. Einige Zeit später rief sie ein völlig aufgelöster Inhaber der Satzfirma an: Der Kunde des Kunden habe alles wieder zurückkorrigiert, die Speisekarte entspreche nicht seinem Manuskript. «Da wir unsere Recherchen nirgends festgehalten hatten, mussten wir von vorn beginnen.» Die Duboux’ hielten nun jede Korrektur mit der entsprechenden Begründung schriftlich fest. «Damit wir unserem Kunden Argumente für seinen Kunden an die Hand geben konnten.»

Damit war die Idee geboren, die Recherchen zu vertiefen und ein Nachschlagewerk zu publizieren. 1989 erschien der erste «Duboux Gastronomie, Hotellerie, Touristik Deutsch–Französisch–Englisch» mit rund 23 000 Fachbegriffen pro Sprache. Seither wird der Datenbestand laufend, ja täglich von den Duboux’ (von einem früheren Mitglied der Sprachkommission der EU einmal als «Linguaholics» bezeichnet) überarbeitet und ergänzt – und das auch noch im Pensionsalter. Die zweisprachigen Grossausgaben enthalten jeweils auf 1000 Seiten über 150 000 Einträge pro Sprache und kommen nicht nur in der Gastronomie, sondern auch in Gastronomie-, Hotel-, Touristik-und Berufsfachschulen sowie Ämtern oder eben beim Sprachendienst der EU zum Einsatz. Weitere Übersetzungen wie jene des Militärkochbuchs der Schweizer Armee oder die langjährige fachsprachliche Betreuung diverser Kochnationalmannschaften kamen hinzu. 

Seit 2018 gibt es ausserdem eine Online-Version des Duboux, die für Interessierte kostenlos zugänglich ist und auf der Firmen die Möglichkeit haben, Werbung zu platzieren (siehe Box).

Nachfolge gesucht
In jüngster Zeit machen sich die Duboux’ viele Gedanken darüber, wie es mit dem Nachschlagewerk weitergehen könnte. Sie suchen gegenwärtig jemanden, der ihr Werk übernehmen und fortführen kann. «Im Duboux stecken bisher nachweisbar über 200 000 Arbeitsstunden. Das ergibt mehr als 100 durchschnittliche Arbeitsjahre», rechnet Jean-Pierre Duboux vor. Und ergänzt: «Wir wollen und werden uns nicht bereichern: In unserem Alter wissen wir, was wir alles nicht mehr brauchen.» Aber sie wüssten eben auch, was finanziell trotz sehr bescheidener Lebensweise zur intensiven Weiterarbeit alles noch notwendig sei. «Wir wünschen uns, dass unser Lebenswerk viele Generationen bei ihrer Arbeit weiterhin unterstützen kann.»

Freier Zugriff auf die Online-Version 
Auf den Duboux kann auch online zugegriffen werden – kostenlos! Er beinhaltet über 200 000 Begriffe der Bereiche Gastronomie, Hotellerie, Tourismus, Ernährung, Nahrungsmittel-und Getränkeindustrie samt Gesundheits-, Ausbildungs-und Verpflegungswesen in den Sprachen Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Katalanisch, Portugiesisch, Niederländisch, Rumantsch plus Latein, wo wissenschaftlich erforderlich. Es empfiehlt sich, vor der ersten Suche den Hilfetext zu lesen. 

Mehr zur Printversion: duboux.ch
Online-Ausgabe: duboux.net



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