Mit leisen Flügeln

Im Personalrestaurant der Sonova AG sorgen seit August schallschluckende Paneele für Ruhe und gute Stimmung. Darüber freuen sich auch die Schöpfer des Kleinen Gewissens.
Text: Delia Bachmann – Fotos: Njazi Nivokazi
Veröffentlicht: 23.11.2018 | Aus: Salz & Pfeffer 8/2018

«Lärm war in früheren Mitarbeiterumfragen ein grosses Thema.»
Edle Steinböden, viel Licht, elegant gekleidete Empfangsdamen und Uhren, die zeigen, wie spät es gerade in London oder Tokio ist. Das Hauptquartier der Sonova AG in Stäfa lässt keine Zweifel übrig: Hier, im Glaspalast zwischen Rebhang und Zürichsee, ist ein Weltkonzern am Werk. Wobei das Aussehen eigentlich sekundär ist, schliesslich dreht sich bei der Weltmarktführerin für Hörgeräte alles um die Akustik. So führt der Weg durch die Halle an einem künstlichen Wasserfall vorbei, der sanft vor sich hin plätschert.

Im Café angekommen, ist Thomas Leu inmitten der Leute, die bei Espresso und Cappuccino ihre Projekte bereden, nicht zu übersehen. Der Leiter Gastronomie bei Sonova und Präsident des Schweizer Verbands für Heim-, Spital- und Gemeinschaftsgastronomie (SVG) trägt ein leuchtend blaues Poloshirt, von dessen Schulter das Kleine Gewissen in Gestalt einer Fee herunterlächelt.

Die Latzhosenfee ist das Gesicht der Kampagne für eine gesundheitsfördernde Gemeinschaftsgastronomie, die der SVG Anfang Jahr startete. Weil das Personalrestaurant Bistromax komplett umgebaut wurde, zog das Kleine Gewissen allerdings erst im August in die Sonova ein – als eine von zahlreichen Neuerungen. An Traditionen hält man indes stolz fest.

Etwa an der betrieblichen Kaffeekultur, die Andy Rihs stark geprägt hatte: «Die Kaffeepause um halb zehn war ihm heilig», erinnert sich Thomas Leu an den im April verstorbenen Unternehmer, der die heutige Sonova einst gross gemacht hatte und den die breite Öffentlichkeit vor allem als Radsportmäzen und Mitbesitzer der Berner Young Boys in Erinnerung behält. Ein Zentrum, in dem man sich trifft und austauscht, ist bei mittlerweile 1000 Mitarbeitern in Stäfa wichtiger denn je, findet Leu: «Das stärkt den Teamspirit.»

Auf einer von der Hörschnecke inspirierten Wendeltreppe gelangt man nach oben ins umgebaute Restaurant Bistromax. In seinen 15 Jahren bei der Sonova erlebte Thomas Leu, wie die Anzahl von verkauften Essen von 200 auf 650 pro Tag stieg: «In Zukunft wollen wir 1000 Essen anbieten können.» Der Umbau war aber nicht nur eine notwendige Reaktion auf das Wachstum, sondern auch eine seltene Chance für Veränderungen, die tiefer greifen als ein angepasstes Speiseangebot.

Eine der spürbarsten Verbesserungen ist die relative Stille, deren Ursache ein Blick zur Decke offenbart: Hier reihen sich lärmabsorbierende Paneele aneinander und fügen sich optisch zu einer stilisierten Schallwelle zusammen. Gemeinsam mit weiteren Akustikelementen im Gastraum schlucken sie das Geschepper der Küche und senken die Geräuschkulisse auf einen angenehmen Pegel: «Lärm war in früheren Mitarbeiterumfragen ein grosses Thema», erklärt Leu. Aber auch für eine starke Lüftung und dimmbares Licht habe man viel Geld in die Hand genommen: «Wir wollen hier einen Ort zum Durchschnaufen, eine Insel der Ruhe schaffen.»

Sandra Müller
Thomas Leu

«Wenn nur ein Mitarbeiter einen Salatteller statt Schnitzel Pommes nimmt, haben wir schon gewonnen.»
Lärm, Lüftung, Licht und alles, was irgendwie unser Wohlbefinden tangiert, gehört zum Ambiente. Das mag beliebig klingen, darf aber nicht unterschätzt werden. Schliesslich macht es sehr wohl einen Unterschied, ob wir den gesunden Linsensalat neben einer dicht befahrenen Strasse im Gehen in uns hineinschaufeln oder an einem ruhigen Plätzchen und in guter Gesellschaft entspannt geniessen – geschmacklich wie auch gesundheitlich. Darüber hinaus animiert das Kleine Gewissen in Sachen Ambiente auch zu einer Extraportion Freundlichkeit und kurzen Warteschlangen.

Was Letztere betrifft, hat das Restaurant einen grossen Schritt nach vorne gemacht und die bedienten Kassen bis auf eine Ausnahme abgeschafft. Stattdessen gibt es jetzt Terminals, an denen die Gäste mit dem Zutrittsbadge selbst bezahlen können. Mit der Bistromax-App behalten sie ihre Transaktionen im Blick und können nachsehen, was es als Tagesmenü gibt und wie viel von welchen Inhaltsstoffen dieses enthält. Thomas Leu nutzt die App darüber hinaus, um Push-Nachrichten à la «Wussten Sie, dass ...?» zu verschicken. Nach wie vor an der Front stehen die Frauen, die zuvor die Kassen bedienten. Dort beantworten sie etwa Fragen zu Allergien oder lotsen Gäste durch die verschiedenen Buffets.

Langweilig werde es jedenfalls nicht, sagt Sandra Müller, Springerin und Stellvertreterin von Leu. Sie ist überzeugt, dass das Abschaffen der Kassen der richtige Schritt war: «Seit dem Umbau ist alles viel fröhlicher geworden.» Zufrieden zeigt sich auch Thomas Leu, wobei er die Schwelle dafür bewusst tief ansetzt: «Wenn nur ein Mitarbeiter einen Salatteller statt Schnitzel Pommes nimmt, haben wir schon gewonnen.» In seiner Funktion als SVG-Präsident plädiert er für mehr Leichtigkeit, wenn es ums Kleine Gewissen geht: «Wir retten damit nicht die Welt, aber wir bieten den Betrieben eine fixfertige Kampagne, die sie nutzen können.» Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Das Kleine Gewissen
Anfang Jahr lancierte der Schweizer Verband für Heim-, Spital- und Gemeinschaftsgastronomie (SVG) die Kampagne Kleines Gewissen. Sie soll Gastgebern dabei helfen, die «Schweizer Qualitätsstandards einer gesundheitsfördernden Gemeinschaftsgastronomie» einfach und mit Freude in die Tat umzusetzen. Auf der Website des Kleinen Gewissens sind die wichtigsten Inhalte in wenigen Sätzen zusammengefasst. Zudem ist ein Selbsttest aufgeschaltet, der den Gastronomen zeigt, wo ihr Betrieb steht, was gut ist und was verbessert werden kann. Frühere Resultate bleiben gespeichert, wodurch sichtbar wird, wie sich ein Betrieb in Sachen Gesundheitsförderung entwickelt.
www.kleines-gewissen.ch



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