Was der Boden hergibt
Am diesjährigen Symposium besinnt sich Soil to Soul auf seine Wurzeln – und holt einen Star der portugiesischen Küche nach Zürich, dessen Konzept perfekt zur Veranstaltung passt.
Tatsächlich unterscheidet die Fachliteratur zwischen zwei möglichen Laufbahnen.
Gemeinhin ist klar, was eine Beförderung bedeutet: den Aufstieg eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin in einen höheren Dienstgrad. Damit verbunden sind in der Regel mehr Geld, ein prestigeträchtigerer Titel, ein höherer Status – und im Gegenzug eine grössere Verantwortung und die Erwartung, dass fortan mehr geleistet wird. Wer befördert wird, entscheiden meist die Vorgesetzten, wobei sie diverse Faktoren einfliessen lassen und die Kriterien unterschiedlich gewichten können. So weit, so klar?
Zwei verschiedene Laufbahnen
Festhalten lässt sich generell: In der Gastronomie lässt sich Karriere machen. «Mit zwei Prozent Arbeitslosen und vielen offenen Stellen gibt der Markt grosse Herausforderungen vor», sagt zum Beispiel Lukas Meier, der die beiden 25hours Hotels in Zürich führt. «Wer sich jetzt reinkniet, hat gute Chancen, aufzusteigen.» Daniel Reimann, CEO der Ospena Group, zu der die Molino-Restaurants gehören, sieht im Gastgewerbe ebenfalls berufliches Potenzial: «Die Tellerwäscherkarriere existiert noch immer», sagt er. Darüber spricht auch Daniel Müller, Vorsitzender der Geschäftsleitung Gastronomie bei den Bindella Unternehmungen. «Wir bilden im Rahmen von internen Ausbildungsmodulen zum Beispiel Buffetmitarbeitende zu Pizzaiolos aus, die von diesem Posten in den Service wechseln und sich bis zum Chef de Service hocharbeiten können.»
Tatsächlich unterscheidet die Fachliteratur zwischen zwei möglichen Laufbahnen: der fachlichen sowie der Führungskarriere. «Für ein Unternehmen ist es ein Vorteil, wenn es beide Wege anbieten kann», sagt Kristina Tanasic, HR-Chefin des The Living Circle. «Aktuell arbeiten wir daran, das bei uns noch besser zu etablieren.» Konkret: Innerhalb der Hotel- und Landwirtschaftsgruppe sollen Fachexpertinnen und Führungsleute künftig gleichermassen anerkannt sein – auch in Bezug auf Löhne und Benefits, etwa bei der Pensionskasse.
Leaderfiguren sind selten
Die Stärkung der Optionen mit erweiterter Fachkompetenz, aber ohne Leitungsverantwortung, entspricht dem Zeitgeist. Das klassische Modell, in dem der berufliche Aufstieg über kurz oder lang bedeutet, ein Team zu führen, weicht zunehmend der Erkenntnis, dass viele Menschen genau dafür nicht geeignet sind.
«Fachwissen kann man schulen», sagt dazu Bindella-Chef Müller. «Aber wenn es um Führungsverantwortung geht, ist zunehmend der Charakter entscheidend.» Das sieht auch Jonas Gass, Direktor des Basler Nomad Hotel, ähnlich. Er unterscheidet: «Das Fachliche kann man lernen und Führungsqualitäten erwirbt man in erster Linie durch viel Erfahrung, deshalb ist das eigentliche Killerkriterium die Sozialkompetenz: Die müssen Mitarbeitende mitbringen.» Er entscheide sich, so der Mitinhaber der Krafft Gruppe, im Zweifelsfall immer fürs Menschliche – und sei damit selten schlecht gefahren. «Wenn es nicht funktionierte, dann in der Regel deshalb, weil Beförderte mit ihrer neuen Leitungsfunktion überfordert waren.»
Davon berichtet auch Meier von den 25hours Hotels: Pandemiebedingt, sagt er, seien in der Branche zu viele Leute zu schnell befördert worden. «Es brauchte Chefs, während auf dem Markt gleichzeitig die Leute fehlten.» Auch er habe notgedrungen Mitarbeitende aus den Teams befördert – und damit nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Die Führungsverantwortung werde dabei oft unterschätzt, sagt Meier: «Titel, Lohn und Visitenkarte machen noch keinen Manager: Da kommen viele Aufgaben auf einen zu, und man muss bereit sein, die Verantwortung zu übernehmen.»
Schwieriger Rollenwechsel
In der Frage, ob sich eine frei werdende Führungsposition besser intern oder extern besetzen lässt, scheiden sich die Geister. Es gibt Argumente für beide Wege. Ospena-CEO Reimann etwa differenziert: «Wir befördern so viele Mitarbeitende wie möglich intern. Im Kaderbereich achten wir allerdings darauf, dass sie eine hierarchisch höhere Stelle in einem anderen Betrieb antreten, um Interessenskonflikte im Team zu vermeiden, die zu Spannungen führen können.» Dabei profitiert die Gastronomiekette von ihren verschiedenen Filialen. Gleiches gilt bei den Bindella Unternehmungen, wobei sich Müller strikter positioniert: «Wir befördern konsequent niemanden innerhalb eines Teams», sagt er. «Denn da wird aus einem kollegialen plötzlich ein Vorgesetztenverhältnis, was für alle Beteiligten schwierig ist.»
Die HR-Verantwortliche Tanasic vom The Living Circle tendiert in dieser Frage in die andere Richtung: «Bei uns wird eine Stelle nach Möglichkeit intern besetzt.» Das habe den Vorteil, dass die Person die Betriebskultur, die Prozesse und Menschen schon kenne. «Ausserdem möchten wir unseren Mitarbeitenden Karrieremöglichkeiten bieten.» Bei internen Beförderungen, sagt Tanasic, gelte es allerdings Folgendes zu beachten: «Man geht davon aus, dass die Person die Abläufe kennt, und vergisst, dass die Aufgabe trotzdem neu ist und es eine sorgfältige Übergabe braucht.»
Begleitung ist Pflicht
Für Gass, der im Nomad Hotel zwischen 80 und 90 Prozent der Führungspositionen, die frei werden, intern besetzt, ist genau das ein zentrales Element für eine erfolgreiche Beförderung. «Meistens gibt es zum Glück eine Übergangszeit, die wir nutzen können, um eine Nachfolge in die neue Position einzuführen», sagt er. «Oder jemand von der nächsthöheren Stufe ist für die Unterstützung zuständig.» Auch in den 25hours Hotels wird zwingend begleitet, wer intern aufsteigt. «Dafür braucht es einen klaren Plan, in dem festgelegt ist, wo man steht und wo man hin will», so Meier.
Apropos: Für Müller, der die Gastronomie seit Jahrzehnten als Führungsperson beobachtet, wissen fähige Köpfe ganz genau, wohin sie wollen. «Auf Führungsebene sollte man die Besten um sich scharen, dabei aber bedenken, dass diese auch nur für die Besten arbeiten.» Weil es in der Gastronomie mitunter möglich sei, sehr schnell in hohe Positionen zu gelangen, sässen in diesen zum Teil auch Leute, die Angst davor hätten, übertrumpft zu werden – und deshalb lieber nicht mehr die Besten einstellen. «Das ist schade», sagt Müller. «Denn gerade die jungen Kaderleute, die jetzt auf den Markt kommen, sind extrem gut ausgebildet – und haben richtig Lust, etwas zu reissen.»
Was sollte man als Chef oder als Chefin bei einer Beförderung lieber vermeiden?
Rita Buchli: Die fachlich beste Person aus ihrer Position wegzubefördern. Damit verliert man auf jeden Fall eine Fachkraft – und hat in der neuen Funktion nicht zwingend jemanden, der gut führen kann. Oft wird auch diejenige Person befördert, die am längsten im Betrieb ist. Das mag der Weg des geringsten Widerstands sein, man kennt sich, ist miteinander verbandelt: Aber die richtige Besetzung ist es deswegen nicht unbedingt.
Welches Vorgehen empfehlen Sie?
Zuerst sollte man sich überlegen, was man auf einer Position braucht und will. Welche Ziele sind gesteckt, welche Werte gibt es? Am besten skizziert man einen «Avatar» der Person, die die offene Stelle besetzen soll; im Kopf oder auf Papier. Dann schaut man, ob es in den eigenen Reihen jemanden gibt, der diesem Profil entspricht – oder jemanden, der sich dahin entwickeln liesse. Auf jeden Fall sinnvoll sind im Vorfeld Gespräche darüber mit dem Team.
Sollte dieses denn mitentscheiden?
Bei einer externen Rekrutierung kann man das Team sicher gut einbinden. Den Ansatz, dass Führungspositionen im Rahmen eines rein demokratischen Prozesses besetzt werden, halte ich generell aber für schwierig. Das funktioniert nur, wenn es wirklich zur Unternehmenskultur passt.
Was halten Sie von Beförderungen aus dem Team heraus?
Ich finde das sehr sinnvoll. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass es Mitarbeitende extrem motiviert, wenn man ihnen Perspektiven bieten kann. Chefs und Chefinnen sollten Wünsche diesbezüglich ernst nehmen. Wer intern Menschen nachziehen kann, darf stolz sein.
Aber ganz unproblematisch ist es auch nicht.
Klar, es verändert viel, wenn man ein Teammitglied befördert, und der Rollenwechsel ist mit Hürden verbunden. Aber auch die externe Rekrutierung bietet Risiken: Schliesslich kennt man die Person ja nicht, weiss nicht, welche Stärken und Schwächen sie hat und ob sie ins Team passt. Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel dünkt mich die interne Beförderung ein wichtiges Konzept. Firmen, die keine Entwicklungsmöglichkeiten bieten, finden irgendwann keine Leute mehr oder können sie nicht behalten.
New Work ist derzeit in aller Munde. Was versteht man darunter eigentlich genau?
Daniela Christen: Im Zentrum von New Work steht stets die Frage, wie wir heute und in Zukunft zufrieden und gesund zusammenarbeiten – und zwar in einer Welt, die sich ständig verändert. Es geht dabei also nicht einfach darum, wer von uns im Homeoffice arbeiten kann und wer nicht, sondern es braucht branchenunabhängig überall neue Modelle und Denkweisen.
Diese Perspektive beeinflusse auch die Frage, wer befördert wird, sagen Sie.
Richtig. Vom Klassiker, einfach die dienstälteste Mitarbeiterin oder den fachlich Kompetentesten auf der Karriereleiter hochzuschicken, werden wir wegkommen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Generation Z nicht mehr primär auf diese Aufwärtsbewegung abzielt. Ausserdem gibt es Studien, die belegen, dass der Motivationsschub, den eine Beförderung für Mitarbeitende mit sich bringt, nach drei Jahren vorbei ist.
Was brauchen wir stattdessen?
Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht, aber auf jeden Fall mehr individuelle Wege und Lösungen. Wer in einem Arbeitnehmendenmarkt seine Leute behalten will, muss besser heute als morgen umdenken. Klar ist: Eine Beförderung wird nicht mehr zwingend bedeuten, Führungsverantwortung übernehmen zu müssen, sondern sich eher danach ausrichten, dass sich eine Person verstärkt auf das konzentrieren kann, was sie gerne und darum in der Regel gut macht. Und es gibt bereits Unternehmen, die Modelle anwenden, in denen es in der Karriere eben nicht primär aufwärts geht.
Erzählen Sie!
Ich kenne zum Beispiel den Ansatz, Mitarbeitende rotieren zu lassen. Indem diese regelmässig die Position wechseln und zugleich neue Erfahrungen sammeln, bleibt die Motivation erhalten und ist die berufliche Entwicklung garantiert. Eine offene Frage dabei ist jene nach der Lohnerhöhung: An welchem Punkt gibt es mehr Geld, wenn wir in der Karriere nicht mehr klassisch die Leiter emporsteigen, sondern uns stattdessen seitwärts bewegen? Im New-Work-Bereich wird dazu viel experimentiert. Was sich davon durchsetzt, wird sich zeigen.