Die Richtigen zusammenführen

Nachfolgeregelungen in der Gastronomie sind oft eine heikle Angelegenheit. Wie man den passenden Wirt findet und was es dafür nebst Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis sonst noch braucht, verrät Edi Portmann.
Interview: Tobias Hüberli – Fotos: Njazi Nivokazi
Veröffentlicht: 19.03.2019 | Aus: Salz & Pfeffer 2/2019

«Jeder Preis ist verhandelbar.»
Seit fünf Jahren organisieren Sie Nachfolgeregelungen für Gastronomiebetriebe. Welche Fähigkeiten sind in Ihrem Beruf gefragt?
Edi Portmann:
Neben dem fachlichen Wissen sollte man diplomatisch sein und Zusammenhänge erkennen können. Meine Aufgabe ist es, das richtige Lokal zum richtigen Wirt zu führen. Dafür braucht es eine gute Menschenkenntnis. Ich muss versuchen, die Leute richtig einzuschätzen. Das gelingt nicht immer. Meistens weiss ich vorher nicht, wie jemand tickt, wenn er dann ein Restaurant tatsächlich führt.

Was ist der Schlüssel zum Erfolg?
Genügend Zeit ist entscheidend. Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Nachfolge. In einem Familienbetrieb sollte man sich spätestens fünf Jahre vor der geplanten Übergabe damit befassen. In den anderen Fällen handelt es sich meist um Mietbetriebe mit normalerweise einer Kündigungsfrist von sechs Monaten. Das ist wenig Zeit, um einen neuen Pächter zu finden. Und oft wird der Mietvertrag vom Vorgänger gar nicht erst erfüllt, dann muss es noch schneller gehen. Uns ruft man halt auch an, wenn es bereits zu spät ist, wenn es darum geht aufzuräumen. Konkursämter sind regelmässige Kunden.

Wie sieht denn eine optimale Lösung aus?
Kürzlich schlossen wir ein Projekt in Luzern ab. Die Pächterin hatte das Lokal im Rohbau übernommen, selbst ausgebaut und etwa 15 Jahre lang erfolgreich geführt. Vor der Pension kam sie zu mir. Sie hatte den Wunsch, dass das Lokal weitergeführt wird, und gewisse Vorstellungen über den Preis. Vor allem aber hatten wir genügend Zeit, es musste nicht schnell gehen. So konnten wir den Betrieb in aller Ruhe schätzen und danach jemand Passenden finden. Das dauerte ein Jahr, aber damit muss man rechnen, wenn man präzise Vorstellungen hat. Wir fanden ein junges Unternehmen, das es jetzt zwar nicht so macht wie die Vorgängerin, aber mit einem anderen Konzept sehr erfolgreich ist.

Sie schätzen auch Restaurants, wie gehen Sie vor?
Der Wert eines Lokals definiert sich durch das, was im Betrieb ist, also die Maschinen und das Mobiliar. Viele Wirte wissen gar nicht, was ihnen gehört und was Teil des Mietinventars ist. Das klären wir darum immer zuerst. Bei den Maschinen sind der Jahrgang, der Zustand und natürlich auch der aktuelle Beschaffungswert entscheidend. Relevant sind zudem die von Gastrosuisse definierten Abschreibungssätze. Beim Besteck, bei den Glaswaren oder den Möbeln gelten der Einkaufswert und der Zustand. Am Schluss ist die Schätzung immer nur eine neutrale Empfehlung. Jeder Preis ist verhandelbar.

Die Stammkundschaft eines Restaurants ist wertlos?
Dafür kann man nur etwas verlangen, wenn der Betrieb eine Toplage hat. In solchen Fällen findet man jemanden, vorausgesetzt man hat genügend Zeit. Aber oft fliessen dann viel zu hohe Beträge.

Wie werden Sie eigentlich bezahlt?
Für eine komplette Nachfolgeregelung bekomme ich zehn bis 15 Prozent einer Jahresmiete. 50 Prozent davon sind allerdings erfolgsabhängig. Bei Teilmandaten, etwa einer Inventarbewertung, verrechne ich nach Aufwand.

Gibt es Ihrer Ansicht nach zu viele Restaurants in der Schweiz?
Es sind zu viele, damit alle gut leben können. Aber es hat eine Verlagerung stattgefunden. Auf dem Land sinkt die Zahl der Betriebe, sie werden ersetzt durch Tankstellenshops, Take-aways und Eventlokale. Der soziodemografische Wandel hat dazu geführt, dass sich alles auf die Städte konzentriert. Der klassische Landgasthof hat es schwer, dafür gibts in den Städten immer mehr Gaststätten mit internationalen Konzepten.

«Die Beratungsresistenz ist in der Gastronomie weit verbreitet.»
Sie organisieren auch Liquidationen, die ja immer auch als Indikatoren für eine Branche gelten. Wie stehts damit?
Vor allem auf dem Land gibt es heute deutlich mehr Liquidationen also noch vor zehn Jahren. Es ist drum schwer geworden, überhaupt genügend Käufer an eine klassische Liquidation zu locken. Wir versuchen natürlich, Interessenten vorgängig zu informieren. Aber es funktioniert eigentlich nur noch, wenn das betreffende Restaurant einen guten Namen hat oder zentral liegt.

Und für die weniger gut gelegenen Restaurants haben Sie letztes Jahr die Onlineplattform Gastrorampe gegründet.
Genau, bei Liquidationen muss es halt immer extrem schnell gehen. Wir bieten den Gastronomen verschiedene Varianten an, entweder wir kaufen alle Artikel in einer Pauschale raus, oder sie können ihre Artikel bei uns einlagern, und wir machen den Onlineverkauf für sie. Im Erfolgsfall nehmen wir dafür eine Kommission.

Wie emotional verlaufen Nachfolgeregelungen in Familienbetrieben?
Da ist es oft kompliziert. Auch weil man zu Beginn nicht alle Geschichten kennt. Während des Prozesses kommt dann schon das eine oder andere Thema auf den Tisch. Ich sage darum immer: Zuerst müsst ihr euch im Klaren sein, was ihr als Familie wollt. Sind die, die nicht dabei sind, damit einverstanden? Will der Sohn wirklich das Zepter übernehmen?

Welche Rolle spielen Sie in solchen Konstellationen?
Ich muss mich gegenüber meinem Auftraggeber natürlich loyal verhalten, aber auch fair zu den anderen Parteien sein. Das ist schwierig, wenn ich merke, dass mein Auftraggeber versucht, sich oder einige zu übervorteilen. Da braucht es dann das nötige Fingerspitzengefühl, um ihn auf die richtige Spur zu bringen.

Raten Sie Interessenten auch mal ab, einen Betrieb zu übernehmen?
Das kommt immer wieder vor, wenn ich etwa sehe, dass ein Konzept an einem bestimmten Ort nicht funktionieren kann. Aber leider nützt das meistens nichts. Die Beratungsresistenz ist in der Gastronomie weit verbreitet. Viele Wirte haben eine fixe Idee im Kopf und sind absolut von sich überzeugt. Sie hören einfach nicht zu.

Wo passieren die grössten Fehler?
Vielfach wird es an der zu hohen Miete aufgehängt, wenn etwas nicht funktioniert. Klar, diese sollte je nach Standort nicht mehr als sieben bis zwölf Prozent des Umsatzes betragen. Aber ob jemand jetzt 500 bis 1000 Franken mehr oder weniger Miete bezahlt, fällt letztlich nicht so sehr ins Gewicht. Das Problem sind die zu hohen Personalkosten und die Umsätze, die nicht reinkommen.

Was braucht es, um erfolgreich zu sein?
Ein Gespür für das richtige Konzept, das authentisch ist und den persönlichen Fähigkeiten des Wirts entspricht. Und man muss die Kosten im Griff haben. Schwierig ist es zum Beispiel, wenn ein Pächter den Gastgeber gibt, aber weder in der Küche noch im Service eine aktive Rolle übernimmt. Damit so was aufgeht, muss ein Lokal über 1,5 Millionen Franken Umsatz generieren. Und das schaffen die wenigsten. Darum kommen auch Kettenbetriebe so häufig zum Zug: Sie haben ein klares Konzept und ihre Kosten im Griff.

Wie hoch ist Ihre Erfolgsquote?
Die habe ich nie genau ausgerechnet. Wir sind nicht immer erfolgreich, haben jedoch eine gute positive Quote. Meine Aufgabe ist es auch, eine Vorselektion zu machen. Ich nehme dem Vermieter die Problematik ab, dass ständig jemand anruft und das Lokal sofort besichtigen will. Wir lassen die Dossiers kommen, prüfen diese und organisieren Besichtigungen. Aber am Schluss entscheidet der Vermieter, wir bieten lediglich eine Empfehlung.

Wie viele Beratungen machen Sie pro Jahr?
Es sind so zwischen 25 und 30 grössere Projekte.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft?
Zurzeit überlege ich mir, eine Agentur im Raum Ostschweiz oder Basel aufzumachen. Und dann würde ich die Gastronomen, die ich vermittle, gerne weiterbegleiten, sie etwa im Marketing unterstützen. Da sehe ich ein grosses Potenzial, leider ist dieses grösser als die Nachfrage. Wirte sind Generalisten, die allein vom zeitlichen Aufwand her nicht alles gut machen können. Die erfolgreichen konzentrieren sich darum auf das, was sie können, und lagern den Rest aus, oder sie leisten sich gut qualifiziertes Personal.

Edi Portmann (54), aufgewachsen in Wolhusen, zog es nach einer Schreinerlehre bald mal in die Berge, um im Winter als Skilehrer und in der Gastronomie zu arbeiten. Im Sommer bereiste er die Welt, sammelte Erfahrungen in verschiedenen Hotel- und Gastronomiebetrieben, machte das Wirtepatent und bildete sich in einem Nachdiplomstudium an der HSW Luzern im Eventmanagement FH aus. Mit 34 Jahren übernahm er als Quereinsteiger in Arosa sein erstes Restaurant – und zahlte learning by doing sein Lehrgeld. Zwar lief der Betrieb im Winter wie geschmiert, dafür war die restlichen 260 Tage im Jahr kaum was los. Er fand einen Nachfolger und übernahm für vier Jahre die Pacht der Bar und Disco Bachtla auf der Bettmeralp. Ab 2003 wirkte er als Projektleiter und später als Geschäftsführer der Downtown Lodge in Grindelwald. Nach einer weiteren Ausbildung zum eidgenössischen Marketingfachmann zog Portmann zurück nach Luzern und wurde bei Amici Caffé AG Gebietsverantwortlicher für die Zentralschweiz, das Tessin und das Wallis. 2013 übernahm er die seit 30 Jahren auf Nachfolgeregelungen und Inventarbewertungen spezialisierte Firma Gastrocom Suisse mit Sitz in Luzern. Letztes Jahr gründete er mit einem Partner zudem die auf Liquidationen spezialisierte Onlineplattform Gastrorampe.

www.gastrocom-suisse.ch
www.gastrorampe.ch



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