Fürs Leben gern

Nathi Hänni-Stupf legt ihr ganzes Herz in die Arbeit. Auch dass sie als Küchenchefin in der Senevita Dorfmatt steht, ist letztlich eine Entscheidung aus Liebe.
Interview: Sarah Kohler – Fotos: Stefan Kaiser
Veröffentlicht: 16.11.2023 | Aus: Salz & Pfeffer 6/2023

«Motivierte Leute sind der Schlüssel.»

Sie haben sehr jung eine Laufbahn in der Gemeinschaftsgastronomie eingeschlagen. Warum?
Nathi Hänni-Stupf: Wegen meinem Mann. Er ist Lokführer, und wenn ich in der À-la-carte-Gastronomie geblieben wäre, hätten wir schlicht keine gemeinsamen Abende gehabt. Mit meinem Job in der Gemeinschaftsgastronomie können wir zumindest dann abends Zeit zusammen verbringen, wenn er Frühdienst hat.

Haben Sie mit diesem Schritt gehadert?
Durchaus, ja. Ich mochte den Rhythmus im À-la-carte-Bereich sehr; mit diesen kurzen, intensiven Zeitfenstern beim Mittag- und Abendservice, in denen ich so richtig Gas geben musste, alles rundherum ausblendete und den totalen Tunnelblick hatte. In der Gemeinschaftsgastronomie erlebe ich schon ein bisschen weniger Spannung. 

Welche Pläne hätten Sie beruflich denn ursprünglich gehabt?
Ein eigenes Restaurant war immer mein Traum – und ist es nach wie vor. Ich halte in der Region Thun auch etwas Ausschau. Es müsste ein kleines Lokal sein, mit vielleicht 15 Plätzen. Zwei Köche, ein guter Service, das wärs. Aber so etwas geht halt oft unter der Hand weg und ist nicht so einfach zu finden. Die Sterne-Gastronomie hätte mich zum Reinschnuppern auch gereizt, auf einem fixen Posten wollte ich da allerdings nie stehen, das wäre mir zu eintönig. Deshalb passt die Stelle hier in der Senevita Dorfmatt gut zu mir. 

Inwiefern?
Der Job bringt eine gewisse Vielfalt mit sich, die mir gefällt. Wir kochen hier nicht nur für die Menschen auf der Pflegeabteilung und vom betreuten Wohnen, sondern haben im Restaurant ein wirklich gutes À-la-carte-Angebot, für das die Gäste von auswärts tatsächlich auch kommen. Diese Durchmischung des Publikums schätze ich sehr. Dazu kommt die Abwechslung beim Kochen: Wir können hier nicht einfach auf ein Menü setzen, das über längere Zeit auf der Karte steht, sondern müssen uns ständig etwas Neues einfallen lassen. Schliesslich dürfen wir manche Leute jeden Tag bekochen, sie sind hier zu Hause. Umso wichtiger ist es, dass wir für sie ein breites Angebot auf die Beine stellen. Schön finde ich auch, dass alte Menschen – wie Kinder – sehr ehrlich sind. Wir bekommen entsprechend schnell und direkt Feedback. 

Worauf müssen Sie bei der Komposition Ihrer Gerichte schauen?
Ein Thema für die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses ist sicher die Bissfestigkeit. Wir achten darauf, ihnen das Gemüse nicht mehr allzu knackig aufzutischen. Ein anderer Punkt ist, dass ältere Menschen oft zu wenig Eiweiss zu sich nehmen. Deshalb reichern wir gewisse Gerichte an, geben zum Beispiel in einen Kartoffelstock nicht nur Butter, sondern auch Frischkäse. Das ist in der Verpflegung von Betagten wichtig; sie essen meist sehr kleine Portionen, mit Vorliebe die Stärkebeilage, und sind danach schon satt. 

Zugleich ist das Restaurant in der Senevita Dorfmatt über Mittag auch für externe Gäste offen – und gut besucht. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Wir sind sehr stolz, dass wir das À-la-carte-Lokal seit der Eröffnung im Mai letzten Jahres etablieren konnten und inzwischen eine treue Stammkundschaft haben. Unser Ziel als Küchenteam ist es nun, das Restaurant jeweils donnerstags, freitags und samstags auch abends zu öffnen – mit einer kleinen Karte und einem Gourmetmenü in sechs Gängen. Das wäre so schön! Momentan befinden wir uns dafür in der Aufbauphase, und wenn alles gut läuft, können wir vielleicht im ersten Quartal 2024 starten. Damit der Betrieb auch als öffentliches Restaurant funktioniert, müssen wir meiner Meinung nach in erster Linie mit der Zeit gehen und von der Altersheimküche im herkömmlichen Sinn etwas wegkommen. Im Prinzip führen wir zwei Karten: eine Menükarte, aus der auch unsere Bewohnerinnen und Bewohner wählen können, und eine grössere Saisonkarte fürs öffentliche Publikum, dem wir uns moderner und mit mehr kulinarischen Spielereien präsentieren. Diese Spannbreite braucht es.

Und wie schaffen Sie den Spagat personell?
Motivierte Leute sind der Schlüssel: Mein Team in der Küche ist Gold wert. Meine Mitarbeitenden leben, was mir wichtig ist – nämlich die Liebe zum Kochen und die Liebe zum Detail. Ich bin überzeugt: Wenn ich zum Beispiel einen Braten zubereite, muss ich diesen vorher schön massieren und ihm die Zuneigung geben, die er verdient. Wenn ich zum Fleisch gut schaue und ihm die Zeit zugestehe, die es braucht, habe ich am Ende ein tolles Resultat. Das zählt für mich – nicht, dass ich um Punkt fünf Uhr Feierabend habe. Mein Team zieht da voll mit.

Rindstatar Dorfmatt-Style
Ein Fels in der Brandung: Souschef Paul Lapeta steht fest an der Seite von Nathi Hänni-Stupf.
Variation vom Sellerie mit Lauch
Schweinsfilet im Speckmantel mit Variation vom Mais

Sie nennen es gern auch Ihre Familie. 
Das ist wahr, wir verbringen schliesslich auch einen Teil unserer Freizeit zusammen. Ich habe drei Familien: jene im Wallis, wo ich herkomme, respektive zum Teil in Buochs, dann meine beiden Männer daheim – sprich meinen Mann und meinen Hund – und schliesslich die Leute hier in der Senevita Dorfmatt. Wenn ich in den Zug steige, fahre ich nicht einfach zur Arbeit, sondern in mein anderes Zuhause. Wer das von seinem Job sagen kann, hat meiner Meinung nach im Leben etwas richtig gemacht. Ich habe immer schon gern gearbeitet, aber hier ist das Level nochmals ein anderes. Das liegt nicht zuletzt an Menschen wie Paul Lapeta, meinem Souschef. Er ist der Verlobte meiner besten Freundin, und ich würde ihn und die Freundschaft zu ihm nicht mehr hergeben wollen. Zu wissen, dass er an meiner Seite ist und mich voll und ganz unterstützt, ist eine wahnsinnige Entlastung. Und auch mit den anderen im Team bilden wir eine echte Einheit. Ich schätze und respektiere meine Jungs sehr!

Ihr Team besteht grossmehrheitlich aus Männern. Die seien einfacher zu führen, sagen Sie.
Im Scherz, natürlich. Aber ja, mir entspricht die typisch männliche Art von Kommunikation am besten. Ich mag, dass wir uns sagen können «So gehts nicht!», und danach ist niemand lange beleidigt. Aber ich stelle nicht aus Prinzip nur Männer ein.

Sondern?
Potenzielle neue Mitarbeitende lade ich zum Schnuppern ein. Danach besprechen wir unsere Eindrücke im Team. Die Meinung meiner Leute ist mir sehr wichtig. Dazu kommen ein paar Faktoren, die bei uns fix eine Rolle spielen, etwa, dass man nicht schmuddelig arbeitet oder dass man anfangs eher etwas zurückhaltend ist und nicht grad wie der grösste Macho startet. Wir sind alle eher ruhig. Bis auf Paul: Der ist laut. Nein, nur Spass!

Und wie sind Sie als Chefin?
Eine schwierige Frage. Im Privaten bin ich sehr schüchtern, aber sobald ich eine Kochjacke trage, ändert sich das und ich weiss genau, was ich will. Ich habe eine klare Linie, lasse aber auch Freiheiten, bin streng und konsequent, aber auf einer freundschaftlichen Basis. Und eben: Wenn mir etwas nicht passt, sage ich es direkt. Die Faust im Sack bringt gar nichts! Dafür trinken wir am Abend ein Bier zusammen und die Sache ist gegessen. Die Bedingung ist einfach, dass alle im Team ihre Liebe auf den Teller bringen. 

Wollten Sie schon immer Köchin werden?
Nein, ich hatte viele Ideen: von der Kaminfegerin bis zur Malerin. Aber weil meine Schwester die Kochlehre machte, konnte ich ihr über die Schultern schauen. Ab da wusste ich: Das will ich machen. Ich hatte dann das Glück, dass ich früh Verantwortung übernehmen durfte. Daraus entwickelte ich eine gewisse Stärke, die ich auch brauchte.

Was meinen Sie damit?
Ich bin überzeugt, dass ich mich als Frau in der Führungsrolle stärker behaupten musste als ein Mann. Beim Antritt meiner ersten Stelle als Küchenchefin in der Senevita Burgdorf wurde ich nicht auf Anhieb von allen im Team ernst genommen und musste mich zuerst beweisen. Ich kochte mit den Leuten mit und sagte, was ich wie haben möchte. Und ich erledigte auch mal den Abwasch oder die Reinigung. Das brachte mir den Respekt ein. 

Apropos Respekt: Den verdienen Sie sich immer wieder auch im Rahmen von Wettbewerben. Was reizt Sie daran?
Ich messe mich gern mit anderen und weiss, wo ich stehe. Wenn ich gut abschneide, erfüllt mich das zusätzlich mit Stolz und Zufriedenheit. Aber abgesehen davon ist da auch einfach dieses unbeschreibliche Gefühl im Wettbewerb selbst: Zuerst bin ich nervös, dann gehe ich in die Küche, richte den Posten ein, starte – und ab da gibt es nichts anderes mehr. Ich bin voll fokussiert und wieder ganz in meinem Tunnel.

Zur Person
Nathi Hänni-Stupf stammt aus Naters im Wallis, absolvierte ihre Kochausbildung jedoch in Thun, im Rössli Dürrenast, einem gutbürgerlichen À-la-carte-Betrieb mit Bankett. Nach einer Station in Kanada und einer Saisonstelle zurück im Wallis verschlug es sie Mitte 2009 in die Gemeinschaftsgastronomie. Im Verlauf ihrer Karriere kochte die heute 38-Jährige an einer Berufsfachschule, im Spital sowie in Institutionen für Betagte. Seit April letzten Jahres amtet Hänni-Stupf als Küchenchefin und stellvertretende Leitung Hotellerie in der Senevita Dorfmatt in Münsingen, die kurz darauf neu eröffnete. Von sich reden macht die ambitionierte Köchin immer wieder auch an Wettbewerben, gewann mit ihrem Team zuletzt die Swiss SVG-Trophy 2023. Darüber hinaus engagiert sich Hänni-Stupf in der Ausbildung und amtet aktuell als Expertin bei der Berufsprüfung für Diätköchinnen in Weggis sowie beim Koch EFZ und EBA in Interlaken. 

Senevita Dorfmatt, Dorfmattweg 2, 3110 Münsingen, 031 828 04 00, senevita.ch



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