Wo haben Sie gelernt, ein Team zu führen?
Ich brachte mir viel selbst bei, fiel dabei auch auf die Nase. Zum Beispiel liess ich anfangs eher noch was durchgehen, womit ich nicht einverstanden war, und hatte mehr Mühe, Nein zu sagen oder konsequent zu sein. Was Personalführung angeht, habe ich auch in meiner Zeit in London bei Anton Mosimann viel gelernt. Er ist ein Herr der alten Schule, lebte uns aber immer vor, wie man sich in der Küche unterstützt, dass man nicht flucht und sorgsam miteinander umgeht. Diese Werte habe ich von ihm übernommen. Zudem ist es mir wichtig, mir für meine Leute individuell Zeit zu nehmen.
Stichwort Zeit: Auch Ihr Tag hat eine begrenzte Anzahl Stunden.
Klar, irgendwo muss ich Abstriche machen, im Prinzip habe ich ja zwei Jobs. Aber ich bin in der glücklichen Lage, zwei super Souschefs zu haben. Ich könnte einen Monat in die Ferien – und das würde laufen. So wertvoll! Zumal ich nicht immer überall sein kann. Mein Ziel wäre es, mich zwischen den Restaurants fifty-fifty aufzuteilen, aber das klappt nicht immer. Mal braucht es mich da mehr, mal dort, mal schreibe ich im einen Betrieb die Karte, mal fällt im anderen jemand aus. Ich bin der Joker.
Und Sie könnten sogar im Service einspringen.
Das stimmt. Es ist aber schon ein bisschen länger her, dass ich das tatsächlich gemacht habe. Ich erinnere mich gut, das war im The Artisan: Die Hütte brannte und zwei Leute fielen aus. Also tauschte ich meine Koch mit der Serviceschürze und packte auf der Terrasse mit an.
Wieso absolvierten Sie nach der Kochlehre ein Servicepraktikum?
Gastronomie ist mein Ding, ich liebe die Branche. Und für mich war immer klar: Damit Küche und Service wie ein geschmiertes Rad miteinander laufen, braucht es Verständnis für beide Bereiche. Das wiederum erlange ich am besten, wenn ich weiss, wie es an der anderen Front aussieht. Als ich im Mosimann’s dann den Posten der Chef de Rang erreicht hatte, fand ich: Jetzt habe ich genug gesehen.
Und wie lautet Ihr Fazit?
Die Kommunikation ist das A und O. Und man sollte immer gastorientiert handeln. Egal, auf welcher Seite ein Fehler passiert ist – zuerst muss das Problem für den Gast gelöst werden. Darüber diskutieren kann man nach dem Service, falls das dann noch nötig ist. Ich empfehle auf alle Fälle jeder und jedem, sich beide Seiten im Restaurantbetrieb anzuschauen. Es hilft, gewisse Prozesse nachzuvollziehen. Am besten wäre es, wenn das grad zur Ausbildung gehören würde.
Apropos: Sie begleiten in Ihren Restaurants zwei Lernende. Warum ist das wichtig?
Ja, ich will die Kunst des Kochens und meine Freude daran weitergeben. Es gibt immer weniger Leute, die unseren Beruf erlernen möchten, und nicht zuletzt, um der Personalkrise entgegenzuwirken, halte ich es für zwingend, in den Nachwuchs zu investieren. Das ist mein Beitrag, den ich leisten kann.
Ihre Freude am Beruf zeigt sich auch in Ihrer Experimentierfreudigkeit.
Die gehört für mich dazu. Ich liebe Neues und bin gern busy! Momentan beschäftige ich mich mit dem Destillieren, das macht echt Spass. Wir haben eine Destilliermaschine, mit der wir verschiedene Kräuter aus unserem Garten zu Hydrolaten verarbeiten können. Die kommen in Getränken schön zur Geltung, bringen aber auch in die Küche wunderbare florale Noten, zum Beispiel in Form von Glace.
Was Sie nicht selbst machen, beziehen Sie überwiegend von Produzentinnen und Produzenten, zu denen Sie bewusst eine grosse Nähe pflegen.
Auch das macht mir einfach Freude. Ich weiss gern, woher die Lebensmittel kommen und wer dahintersteckt. Und ich liebe es zum Beispiel auch, unsere Kräuterhexe, wie wir sie liebevoll nennen, hin und wieder auf ihren Streifzügen zu begleiten. Da gehts um Respekt und Wertschätzung.
Sie gehen ja sogar noch einen Schritt weiter – und geben einen Teil wieder zurück.
Im wahrsten Sinne des Wortes, ja. Als wir vor vier Jahren im The Artisan den Versuch eines Zero-Waste-Pop-ups wagten, schafften wir unter anderem eine Kompostmaschine an. Mit ihr verwerten wir alles, was auf dem Teller zurückkommt, oder andere gekochte Lebensmittel, die wir nicht mehr verwenden können. Das kommt abends alles in die Maschine rein, wird durch Wärme, Rotation und Enzyme zersetzt – und verwandelt sich innert 24 Stunden in kompostierbare Erde. Einen Teil davon brauchen wir für unseren Garten, der Rest geht zurück auf die Felder unserer Lieferbetriebe. Damit schliesst sich der Kreis.