Nach dem Trink ins Zimmer
Die Gastronomie schreibt Liebesgeschichten! Jene von Anton Mosimann, zum Beispiel. Oder von Monsieur Tabasco höchstpersönlich.
«Wir distanzieren uns klar von solchen Praktiken.»
Die Russen haben den Deutschen den Krieg erklärt, und führen wollen sie ihn in der Schweiz. Zum Glück allerdings geht es nur um Gault & Millau. Und auch nur um Gault & Millau Deutschland. Gault & Millau Schweiz hat damit nichts zu tun. Urs Heller, das Gesicht von Gault & Millau Schweiz seit dem Rütlischwur, ist ein friedfertiger Mitmensch. Weil man aber vom Krieg zwischen dem deutschen Lizenznehmer und der russischen Lizenzgeberin noch hören wird, hier ein wenig Frontberichterstattung.
Erstens: die Angreiferin. Die Lizenzgeberin. Seit 2019 gehört Gault & Millau der New Taste International Holding (NTI)im Besitz einer russischen Familie, vertreten von Vladislav Skvortsov. Zwar tritt dieser als VR-Präsident zurück, nachdem 2022 ein sowjetischer Kriegsverbrecher in Moskau ein Nachbarland angreifen lässt, Schande über die grosse Nation Russland bringt und die Bezeichnung «russisch» auf soziales Ramschniveau herabstuft, aber wer zahlt, befiehlt weiterhin.
Zweitens: der Angegriffene. Der deutsche Lizenznehmer. Zwei Jahre lang liegt Gault & Millau bei Burda, betreut von Hans Fink. 2022 macht der sich schliesslich selbstständig mit Henris Edition, benannt nach Henri Gault, und übernimmt die Lizenz für Gault & Millau Deutschland sowie Italien. Die Erklärung von Burda liest sich hübsch: Ein kleines Team, so heisst es da, könne «die Zusammenarbeit» mit der Gastronomie als «Partner» besser «managen».
Drittens: der Angriff. Im November 2023 kündigt Paris (oder wohl eher Moskau) den Vertrag mit dem deutschen Lizenznehmer; Fink habe Gebühren nicht bezahlt und Vereinbarungen verletzt. Fink, der als weltweit einziger Lizenznehmer anstelle von Punkten Kochmützen vergibt, macht unverdrossen weiter. Darob erbost, vermeldet Moskau, Fink benutze trotz der Kündigung weiter den Namen Gault & Millau, er verwende ein Bewertungssystem und nutze Geschäftspraktiken, die «in keiner Weise die Standards, die Ethik und die Werte widerspiegeln, für die die Marke seit ihrer Gründung steht». Für Ethik und Werte stehen russische Investoren immer gern ein.
Fink seinerseits ist nun «über die unhaltbaren und böswilligen Vorwürfe zutiefst betroffen»: Die Gebühren seien bereits bis Ende 2025 bezahlt imfall, an die Verträge habe er sich ebenfalls gehalten, und die Lizenzgeberin sei doch nur beleidigt, weil er seinerseits die Italien-Lizenz gekündigt habe, da die Lizenzgeberin die Marke in Italien zu wenig vor Trittbrettfahrenden geschützt habe.
Viertens: die Schlachten. Das Landgericht Düsseldorf beugt sich über den Fall und gibt Fink recht. Natürlich beschwert sich Moskau stante pede beim Oberlandesgericht, doch dieses bestätigt die Vorinstanz: Weder gebe es Zahlungsrückstände noch Vertragsverletzungen, die behaupteten Abweichungen vom Ranking-System oder von grafischen Vorgaben seien nicht feststellbar, eine Markenverletzung liege nicht vor, die Beschwerdeführerin habe die Kündigungsgründe weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht.
Finks Henris Edition bleibt also die rechtmässige Lizenznehmerin. Moskau knurrt und nimmt die Website Gaultmillau.de vom Netz. Fink knurrt auch und fährt Gault & Millau Deutschland mit Henris-edition.com wieder hoch. Moskau ist nun arg verstimmt: «Wir distanzieren uns klar von solchen Praktiken, die geeignet sind, sowohl Branchenprofis als auch die breite Öffentlichkeit zu täuschen», und «wir rufen das geneigte Publikum auch zur Wachsamkeit gegenüber Informationen auf, die aus nicht autorisierten Quellen stammen könnten, die fälschlicherweise behaupten, Gault & Millau zu sein.» Moskau war historisch stets ein Gegner jedweder Desinformation und Manipulation, gell.
Die Lizenzgeberin, von der deutschen Gerichtsbarkeit vermutlich etwas enttäuscht, verschiebt den Paragrafenkrieg an den Sitz von Gault & Millau International, also in die friedfertige Schweiz, denn «die Marke Gault & Millau als international anerkanntes Symbol für höchste Exzellenz wird keinerlei Schädigung ihres guten Rufs tolerieren, sondern diese unnachgiebig verfolgen.» Fink zieht mit und lässt seine Anwälte eine Unterlassungserklärung in die Schweiz schicken: «Wird sie nicht unterschrieben, ziehen wir vor Gericht.»
Fünftens: die weiteren Aussichten. Während Finks Henris Edition fröhlich weitermacht, steht Moskau nach eigenen Angaben aktuell in Verhandlungen mit einem neuen deutschen Lizenznehmer. Womöglich erscheinen im Jahr 2025 also gleich zwei deutsche Gault & Millaus, und bei den Gastrotesterinnen und Gastrotestern bricht Fachkräftemangel aus. Oder auch nicht. Sicher ist eins: Beim Schweizer Lizenznehmer – Ringier Axel Springer Schweiz – wird man das kollateralschädliche Thema wohl eher nicht aufgreifen. Gault & Millau Schweiz will schliesslich nicht von Gerichten bewertet werden, sondern Gerichte bewerten. Und zwar zu Tisch. En Guete!