Das Theater rund um die Gästinnen

Warum regen sich eigentlich Leute über den Begriff Gästinnen auf?
Text: Monsieur Tabasco
Veröffentlicht: 04.02.2019 | Aus: Salz & Pfeffer 1/2019

«Sie fordern die Geschlechtertrennung in der Sprache.»

Ihr Mann sei der grösste Feminist in der Familie, behauptet Madame Tabasco. Allerdings sei dies aufgrund einer angeborenen Behinderung nicht immer auf Anhieb erkennbar. In seinem Grosshirn sondere nämlich ein mindestens tennisballgrosser Gehirnhumor unablässig Satire ab. Im laufenden Betrieb beeinträchtige dies gelegentlich Hirnfunktionen und führe zu freisinnigen Ausschlägen. Beispielsweise beim Thema geschlechtergerechte Sprache.

Es ist nämlich so. Verallgemeinerungen wie die Wirte sind saupraktisch. Dank ihnen brauchen wir uns dort nicht mit dem biologischen Geschlecht zu befassen, wo dieses keine Rolle spielt. Nämlich im Allgemeinen. Die Schweizer Hoteliers und der Wirteverband schliesst alle Geschlechter, Haarfarben und Intelligenzquotienten mit ein. Und bei die Menschen sind Frauen und Männer, Buben und Mädchen mitgemeint. Wo die Sprache beide Geschlechter meint, ist es Quatsch, sie trennen zu wollen.

«Falsch!», rufen nun die Feministinnen, «Sprache meint eben nicht beide Geschlechter!» Und weil sie sich vom generischen Maskulinum nicht repräsentiert fühlen, fordern sie die Geschlechtertrennung in der Sprache. Sprache mache nämlich unsichtbar, sagen sie. Damit liegen sie richtig.

Spricht man nämlich nur von Köchen, von Appenzell-Innerrhodern oder Kampfhunden, dann sieht das Publikum nie Köchinnen vor sich, nie Appenzell-Innerrhoderinnen und nie Kampfhündinnen. Was aber nie genannt wird, kommt nicht vor, und was nicht vorkommt, hat so viel Gewicht wie eine Politikerin, die nie in die Arena eingeladen wird.

So hat sich eine feministische Industrie entwickelt, die verzweifelt versucht, die Frauen mittels Fabrikation einer geschlechtergerechten Sprache sichtbar zu machen. Verzweifelt, weil sie selber weiss, dass man Sprache nicht machen kann. Sprache wächst langsam und organisch. Die geschlechtergerechte Fabriksprache aber wirkt fabriziert und umständlich. Vor allem aber ist sie dienstuntauglich.

Gäst_innen, Gäst/innen, Gäst*innen und GästX sind Cowshit. Genauso wie Rassist_innen, Raser/innen, Sadist*innen und KriegsverbrechX. Jede einzelne Variante kostet die Schreibenden Platz, die Redenden Redezeit und das Publikum Nerven. Kommt erst mal keine Sau mehr draus (Eber sind übrigens mitgemeint), hört auch kein Schwein mehr hin, weshalb man das Schreiben und Reden auch gleich einstellen kann.

Andern an ihrem Sprachgebrauch herumzuflicken, ist ähnlich delikat wie Eltern mit Erziehungsratschlägen zu beglücken: Das Gegenüber begehrt auf. Man steht ausserdem nicht gerne als schlimmer Frauenunterdrücker da, obwohl man doch bloss die Verständlichkeit der Sprache über ihre gendermässige Differenziertheit stellt.

Die Konterrevolution der Sprachbewahrer ist also in Gang, der Totschlag mit der Moralkeule wird hüben wie drüben praktiziert, und auch die brävste Hotelière kann es nicht wagen, sich in ihrem Newsletter mit der Anrede «Geschätzte Gästinnen und Gäste» in die Nesseln zu setzen, weil ihr sonst nämlich die halbe Gästeschar feministische Hyperkorrektheit unterstellt.

Gerade in einer so kommunikationsintensiven Branche wie der Gastronomie und Hotellerie täte ein wenig Entspannung not. Ein wenig friedensstiftender pragmatischer Freisinn. Sprache ist nämlich nichts Statisches. Begriffe und Sprachmoden kommen und gehen, wie der Volksmund will, und auch der Duden praktiziert lediglich autonomen Nachvollzug.

Wo also liegt das Problem an einem Begriff wie Gästin? Es gibt Kundinnen und Einkäuferinnen, da kann es doch auch Gästinnen geben. Zumal der Begriff Gästin im Synonym-Duden seit 2010 vorkommt: «Die männliche Form ‹der Gast› wird gewöhnlich auf beide Geschlechter bezogen. Die weibliche Form ‹die Gästin› ist dagegen selten.»

Und bevor die Sprachbewahrer nun entsetzt aufheulen: Bereits die Märchenerzähler und Sprachwissenschaftler Jacob und Wilhelm Grimm haben die Gästin 1854 in ihrem Wörterbuch aufgeführt, und das war damals das Standardwerk für die deutsche Sprache.

Es gab in frühen Zeiten auch Geistinnen, Engelinnen, Teufelinnen. Ihr Gebrauch ist vielfach belegt. Sie wurden selten benutzt, aber es gab sie. Es gab sogar die Männin. Die Landsmännin gibt es da und dort immer noch. Ob die Feministinnen allerdings mit einer Ansprache wie «Liebe Männinen und liebe Männer» glücklich würden, steht auf einem andern Pergament.

Allenthalben hört man die Sprachpuristen an den Stammtischen trötzeln, dass wegen dieser feministischen Hühner*innen das Gasthaus Ochsen eines Tages sicher Gast- und Gästinnenhaus Ochsen heissen werde. Wenn nicht gar Gast- und Gästinnenhaus Ochs*in. Oder Ochsen/Kuh, oder gleich Rindvieh. Dass es nicht so weit kommt, dafür sorgt die fehlende Alltagstauglichkeit. Und unterdessen wäre etwas Gelassenheit anzustreben. Ein Augenzwinkern – bei Leserinnen und Lesern, Gästinnen und Gästen, Bengelinnen und Quengeln.



Seite teilen

Bleiben Sie auf dem Laufenden – mit dem kostenlosen Newsletter aus der Salz & Pfeffer-Redaktion.

Salz & Pfeffer cigar gourmesse