Grundtaxe für nackte Kellner

Die neue, zahnärztliche Grundtaxe für Arbeitsplatzdesinfektion legt den gewaltigen Handlungsbedarf im Gastgewerbe offen.
Text: Monsieur Tabasco
Veröffentlicht: 19.03.2019 | Aus: Salz & Pfeffer 2/2019

«Der Grad an Augenweidigkeit ist doch ziemlich lohnrelevant.»

Auf Zahnarztrechnungen findet sich neu der hübsche Posten «Grundtaxe für Arbeitsplatzdesinfektion». Ein Hygienezuschlag: elf bis 18 Franken. Für Patientinnen, die es schätzen, wenn der Zahnarzt seine Bohrmaschinen zwischendurch gründlich desinfiziert und nicht nur zeitsparend abschläckt. Sie bezahlen den Zuschlag gern: Hygiene ist grad schaurig en vogue. Die Schlussrechnung falle trotz der neuen Grundtaxe nicht höher aus, versichern die Zahnärzte, verrechnet habe man die Arbeitsplatzdesinfektion schon immer. Nur nicht separat aufgeführt.

Hat man das neue zahnärztliche Verständnis von Transparenz erst einmal erfasst, erkennt man den gewaltigen Handlungsbedarf im Gastgewerbe. Hoteliers und Wirtinnen müssen nämlich ebenfalls putzen statt abschlecken, und bei Gästen sind Transparenz und Hygiene zurzeit ebenfalls der letzte Schrei. Vom Lebensmittelinspektor ganz zu schweigen.

Auch in der Gastronomie setzt die transparente Gastgeberin künftig auf jede Rechnung eine «Grundtaxe für Hygiene». Mehr putzen muss sie ja nicht. Sie senkt nur den Preis für den Café crème von 4.20 auf 4.10 Franken und führt die gekippten zehn Rappen unter «Grundtaxe Hygiene» wieder auf. Oder sie verdoppelt die Transparenz, führt fünf Rappen in einer neuen Position namens «Grundtaxe Reinigung Arbeitszeit» und noch einmal soviel unter «Grundtaxe Reinigung Material». Bei Letzterer kann der Gast zusätzlich «Öko+» wählen, was ihm die Rechnung um weitere fünf Rappen verteuert, aber dafür das Gewissen entlastet.

Ein Jahr nach der Einführung der neuen Positionen wird man nicht mehr verstehen, wieso die undurchsichtigen Pauschalpreise von den Gästen so lang akzeptiert wurden. Gäste sind Mitmenschen, jedenfalls die meisten, und haben das Recht zu wissen, wie sich der Preis für den Café crème zusammensetzt. Bohnen, Wasser, Milch, Zucker, Kaffeemaschine, Hygiene, Heizung, Buffet, Klimaanlage, Gastraum, Mobiliar, Porzellan, Administration, Energie – alles Faktoren, die ihre Ausdruckskraft erst als Positionen auf der Rechnung richtig zur Geldung bringen.

Bei Positionen wie «Servicemann Kaffeemaschine» sowie «Servicepersonal» gibt es natürlich unterschiedliche Taxpunkte für die unterschiedlichen Niveaus Bachelor, EFZ, angelernt und Handlanger. Dazu «Erfahrung+». Am einfachsten ist die Berechnung des Postens «Marge Gastgeber», die liegt ohnehin bei null.

Grundsätzlich gilt: Spezifische Gerichte erhalten spezifische Differenzierungen. Gemüse wird ausgebeinelt mit Grundtaxen für Frische, Transportweg, Kühlkette, Herkunft, Labels und Zubereitung. Es ist betriebswirtschaftlich sinnvoll, die Kühle des Bieres oder die Wärme des Kaffees nicht einfach so zu verschenken, für Getränke tut entsprechend eine «Grundtaxe Temperierung» not. Für Gerichte auch. Wie für den Gastraum. Dort dürften die Gäste dann den Ökozuschlag «Isolation+» wählen.

Aufzuführen wären zudem der Parkplatzzuschlag und der CO2-Zuschlag, der Blumenzuschlag, der Einkassierungszuschlag, der Grüezizuschlag, der Lächelzuschlag, der Handschlagszuschlag und der Adieuzuschlag ebenso wie der Servicefachkraftberufsbekleidungszuschlag. Ausser man arbeitet mit Nacktkellnern. Das müsste man dann allerdings aus moralischen Gründen auf der Website und beim Eingang vermerken. Natürlich darf man diesenfalls einen Nacktkellnerzuschlag verlangen, der aber wohl nicht tiefer ausfällt als der Bekleidungszuschlag; schliesslich ist das Verletzungsrisiko bei nackten Kellnern erfahrungsgemäss höher, also sind es auch die Versicherungsprämien für Berufsrisiken wie regelmässige Erkältungen und gelegentliche Verbrennungen sowie zwischensaisonale Aufenthalte in der psychiatrischen Klinik auf der Station «Mitarbeiter aus der Gastronomie».

Beim Nacktkellnerzuschlag gibt es noch «Augenweide+»; der Grad an Augenweidigkeit ist doch ziemlich lohnrelevant. Im Prinzip nötig, aber eher kontraproduktiv dürfte der «Sexismuszuschlag» sein, da er bei Gästen womöglich den Eindruck erweckt, geifrige Sprüche seien inbegriffen, schliesslich würden sie dafür zahlen. Alles in allem fährt der Gastgeber also wohl besser, wenn er seine Kellner einkleidet.

Last but not least gehört auf jede Rechnung künftig die Position «Grundtaxe Transparenz». Sie umfasst den Zeitaufwand für die Berechnung der einzelnen Positionen und die Erläuterungen derselben beim Einkassieren am Tisch, falls der Gast angesichts des drei Meter langen Kassabons eine Frage hat. Die Gäste werden sich in jedem Fall freuen über die neue Transparenz und sich mit Lust dem Studium ihrer Rechnung widmen.

Eine «Grundtaxe für Arbeitsplatzdesinfektion», man fasst es nicht, irgend jemand muss den Zahnärzten im Hirn herumgestochert haben. Zum Glück gibt es welche, die den Irrwitz bemerkt haben, so wie ein Zahnarzt namens Kammermann in Spiez, der auf seiner Website vermerkt: Wir machen darauf aufmerksam, dass wir grundsätzlich auf die Verrechnung der Position «Grundtaxe für Arbeitsplatzdesinfektion» verzichten. Der könnte glatt eine Position «Vernunft+» auführen.



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