Nach dem Trink ins Zimmer
Die Gastronomie schreibt Liebesgeschichten! Jene von Anton Mosimann, zum Beispiel. Oder von Monsieur Tabasco höchstpersönlich.
Womöglich ist die Aktie eine Spur weniger sexy, als man meint.
Die Countess of Salisbury, Geliebte von King Edward III., hat beim Tanzen auf einem Ball ihr Strumpfband verloren. Der King hat es aufgehoben und ihr überreicht mit den maliziösen Worten: «Beschämt sei, wer dabei Böses denkt.» Originalton: «Honi soit qui mal y pense.» Alle im Saal haben gekichtert, ausser vielleicht die Königin. Edward hat dann den britischen Hosenbandorden gegründet, den heutzutage ranghöchsten englischen Ritterorden, das Ehrenzeichen ist hübsch ein geflochten im Wappen des Vereinigten Königreichs und von King Charles III. Ein Strumpfband im Wappen, very british. Heute wird «Honi soit qui mal y pense» übersetzt mit «Ein Schelm, wer Böses dabei denkt» und ist damit ein wunderbar unpassender Übergang zu den Mahlzeiten-Lieferdiensten. Und warum das?
Weil Monsieur Tabasco über ebendiese viel Böses denkt. Und sich die Hände reibt, wenn die US-Bank JP Morgan die Aktien von Just Eat von neutral auf underweight senkt, will heissen: Womöglich ist die Aktie eine Spur weniger sexy, als man meint. Auch bei Deliveroo oder Delivery Hero wachsen die Bäume nicht einfach in den Himmel, kurzum: Die Bank Morgan Stanley schätzt die Wachstumserwartungen des Marktes für Futtermittel-Auslieferer als überzogen ein. Monsieur Tabasco sieht für die grossen Lieferkonzerne eine Destination: das Pfefferland.
Die Reise dorthin könnte ja unterstützt werden. Erstens vom Arbeitsmarkt. Er ist ausgetrocknet. Die Leute finden gute Jobs, und bei Lieferdiensten zu arbeiten, ist kein guter Job. Stressig, mies bezahlt, nur für Dudes, die genau das cool finden. Von den Umsätzen jeder Pizzalieferung streichen die grossen Plattformen bis zu 30 Prozent ein, die Marge für Pizzaiolo und Biker ist arg überschaubar. Zweitens hofft Monsieur Tabasco auf Larky.ch, die Bestellplattform der Schweizer Gastronomie. «Schnell, aber guet.» Guet mit e. Die Plattform nimmt nur fünf Prozent Kommission oder monatlich fix 150 Franken. Mit Rabatten für Frühbestellungen er zieht Larky.ch die Gäste, das verdammte Dallidallisoffffort reduziert sich, die Beizerinnen und Beizer haben mehr Zeit für Vorbereitung, Einkauf und alles, was dazu gehört. Es gibt Abhol- oder Lieferbestellung, bei Lieferbestellung setzt Larky auf regionale oder nationale Services. Die Marge soll in der Schweiz bleiben. Und ja, die neue Plattform steht und fällt mit der Anzahl Gastronomen und Gastronominnen, die mitmachen. Also: Einsteigen!
So sind sie halt, die sentimentalen alten Säcke. Sie träumen davon, dass die Leute merken, wie wichtig die regionale Verankerung ist. Sie bringen ihr Sauerverdientes immer noch dem Taxifahrer, obwohl der meistens schlechter Deutsch spricht als die junge Uberfahrerin. Sie schimpfen über anonyme Konzerne von jenseits, die auf ihren Websites nicht mal mehr mit Adressen oder Kontaktpersonen geradestehen und bei denen sich selbst Bewerbende über ein Formular melden müssen.
Ein sentimentaler alter Sack freut sich überdies, dass die Zimmerbuchungs-Plattformen den Hotelièren nun endlich auch in der Schweiz keine Bestpreisklauseln mehr aufdrücken dürfen. Und der Gast, der sich aus Faulheit trotzdem via eine Plattform über das Angebot an Unterkünften an seiner Destination informiert – praktisch ist es ja schon – und dann aus Gründen der Fairness auch über diese Plattform bucht, möge halt eine wählen, die den Gastgeberinnen nicht zwölf Prozent Marge abnimmt und dem Konzernchef dafür 54 Millionen Jahressalär ausbezahlt, nur weil sie es sich dank ihrer schieren Marktmacht leisten kann.
Was die Futtermittel-Auslieferer betrifft: Ein sentimentaler alter Sack begreift ohnehin nicht, weshalb diese einen solchen Zulauf haben. Alle Welt spricht von Entschleunigung, von Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und ähnlichem Ohmmmm, aber lässt sich dann die Pizza nach Hause fahren, dallidalli hoi! Und alle Welt spricht von Umweltschutz, aber nimmt den Abfall von Takeaway und Lieferdiensten hin. Gefuttert wird im Gehen, express muss es laufen und die Pizzakuriere brettern halsbrecherisch über die Kreuzungen, weil man beim Trödeln kein Geld verdient. Ein sentimentaler Sack sei, wer Böses darüber denkt.
Womöglich braucht es mehr sentimentale alte Säcke, die eines Tages auf dem Sterbebett liegen und sagen: «Leute, ich habe mir immer genug Zeit genommen für gemütliche Restaurants, für viele gute Essen, auch mal über Mittag, für Stunden mit Freunden und Kolleginnen, ich habe getanzt und verlorene Strumpfbänder aufgehoben, ich habe gut gelebt und trete gut ab, also, man sieht sich, ich halt euch einen Platz frei. Einen Sitzplatz. Am gedeckten Tisch. Und dazu richtig viel Zeit.»