Nach dem Trink ins Zimmer
Die Gastronomie schreibt Liebesgeschichten! Jene von Anton Mosimann, zum Beispiel. Oder von Monsieur Tabasco höchstpersönlich.
Wer so etwas isst, wird nie mehr krank.
Bei uns reissen sie eine Autowaschanlage ab und bauen ein neues Beizli hin. Es heisst KFC. Kentucky fried chicken. Fritierte Güggeli aus Kentucky, einem US-Bundesstaat mit Country, Whisky und Todesstrafe. Es soll auch einen Drive-in geben, einen Hineinfahr. Vermutlich rüsten sie die Autowaschanlage um – von Schaumwäsche auf Güggeli. Ich solle mich bewerben, frotzelt meine Frau, Güggeli frittieren sei besser bezahlt als Bücher und Kolumnen schreiben, «wofür hast du Koch gelernt?» Dass das 150 Jahre her ist, lässt sie nicht gelten: «Güggeli frittieren verlernt man nicht.»
Güggeli? Selten so gelacht. Coleslaw, Baked Potatoes Buckets, Hot Wings Tenders, Milkshakes, Cookies, Wraps, Cheese Crunch, Crispys Filet Bites, 2hot4u-Dip. KFC hat 42500 Restaurants, und «bei der Qualität machen wir keine Kompromisse. Unser Pouletfleisch kommt wirklich vom Huhn». Wow. Krass. «Wir verwenden ausschliesslich natürlich gewachsenes Pouletfleisch.» Gut so. Vielleicht ist es aus Vietnam und gebadet im Antibiotika – wer so etwas isst, wird nie mehr krank. Aber es ist «natürlich gewachsen». Ich sollte mich bewerben.
Aber ich will nicht spotten. Sondern ablästern. Richtig wüst. Es ist nämlich so: Die urbane und ökosensible Jugend verachtet Fast Food. Dafür liebt sie to go. Sie findet es cool, dass die neuen Generationen aller Smartphones sämtlicher Hersteller neuerdings mit demselben Kabel geladen werden können respektive müssen, weil Europa so jährlich «bis zu» 1000 Tonnen Elektroschrott einspart, und cool finden sie das, während sie ihren To-go-Salat im Plastikbecher essen und ihren To-go-Kaffee trinken.
Wenn die Jungen vom chinesischen Restaurant zehn Schachteln Take-away mitbringen, füllen sie damit das ganze Altkartondepot im Keller. Bei uns daheim landet das Zeug immerhin tatsächlich in der Kartonsammlung. Aber wie hoch ist wohl gesamtgesellschaftlich der Anteil des To-go-Abfalls, der in der Kehrichtverbrennung landet? Vermutlich höher als der Anteil jener braven Mitmenschen, die daheim beim Joghurt das Kartonmänteli tatsächlich vom Becher grübeln und dieses dann auch tatsächlich in die Kartonsammlung bringen.
Die Materialien werden ökologischer, ich sag ja nichts, Holz und Palmblatt haben eine bessere Bilanz, und die Aluminium-Döner sterben auch langsam aus. Vieles ist sogar «100 Prozent biologisch abbaubar». Blöderweise benötigt dieser biologische Abbau allerdings grosse und energieintensive Abbauanlagen. Dorthin muss das Zeug überdies erst mal transportiert werden. Und das passiert auch wieder nur mit jenem Anteil, der wirklich in einem entsprechenden Sammelbehälter landet und nicht einfach im nächsten Güselkübel. Die allerneusten Wegwerfbestecke dürften tatsächlich in den Hauskompost. Aber wie viel davon kommt am Ende dort an? Die Kreislaufwirtschaft ist nur dann cool, wenn das Zeug auch in den Kreislauf kommt.
Auch die Herstellung der komplexen To-go-Verpackungen ist nicht ohne. Viele brauchen Beschichtungen. Oft ist es PLA «aus 100 Prozent nachwachsenden Rohstoffen», hergestellt mittels Polymerisation von Milchsäure, gewonnen aus Zucker und Stärke aus Mais und Rüben, ziemlich viel Industrie für so viel Öko. Auch PLA landet grossteils in der Müllverbrennung. Das deutsche Umweltbundesamt stellte fest, Pappbecher mit PLA-Beschichtung seien kaum besser für die Umwelt als Becher aus herkömmlichem Plastik.
Unterm Strich gibt es nur eins: Das Vermeiden. Ich halte To-go für eine Seuche. Kulturell, ökologisch, psychologisch. Die Leute von heute schlürfen einen Coffee to go auf dem Heimweg von der Therapeutin, die sie besuchen, weil es nicht richtig klappen will mit der Entschleunigung und dem Hommmm.
Über das neue KFC debattierten meine herzallerlieblichste Gattin und ich übrigens auf dem Weg vom Bienenberg hinunter zum Bahnhof Liestal. Wir kamen vom Znacht. Sie hatte einen Samariter-Teller für zwölf Franken gehabt. Ein Tagesgericht aus zu viel produzierten Speisen. «Auch die Mitarbeitenden im Service können Ihnen nicht sagen, was es auf dem Teller hat. Retten Sie Essen, äs het, solangs het.»
Das korrespondiert mit der To-good-to-go-App auf den Smartphones meiner Töchter, die immerhin das Vermeiden von Foodwaste zu ihrem Hobby gemacht haben und zwecks Rettung von Sushi und Ähnlichem auch mal von der vegetarischen Ernährung pausieren. Ich selber hatte auf dem Bienenberg übrigens Spaghetti Herrenmatt, «geschnetzelte Brust einer Baselbieter Legehenne an sämiger Steinpilzsauce» für 19 Franken. «Natürlich gewachsen» ist bei einer Legehenne eine nichtdeklarierte Selbstverständlichkeit.
Das war richtig gut. Es war richtige Gastronomie, kulturell und organisch natürlich gewachsen. Und ohne jeglichen To-go-Abfall.