Begleitung auf dem Teller

Cocktails und Drinks sind die unangefochtenen Stars in der Bar. In bekannten Lokalen wird dazu inzwischen aber gern auch das passende Essen serviert. Die Grenzen zum Restaurant verschwinden.
Text: Andreas Bättig – Fotos: Jürg Waldmeier
Veröffentlicht: 16.11.2023 | Aus: Salz & Pfeffer 6/2023

«Die Gäste sollen spontan entscheiden können, ob sie 30 Minuten oder vier Stunden bleiben wollen.»

Sie sind als Barsnack so berühmt wie berüchtigt: gesalzene Erdnüsse. In etwas schäbigeren Lokalen liegen sie in Schüsselchen, griffbereit für jeden Wurstfinger. In besseren Bars gibt es ein Löffelchen zum Schöpfen dazu. Wobei: Mittlerweile werden in Schweizer Top-Bars weit mehr als Erdnüsse angeboten. Ein gutes Beispiel ist die Bar Lupo in Zürich, die sowohl Cocktailbar als auch Restaurant ist. «Gutes Essen ist bei uns ebenso wichtig wie die Getränke», sagt Geschäftsführer Patrick Schindler. Heisst: Cocktails werden nach bester Barkeeper-Art aufwendig zubereitet. Und: Es gibt mehr zu essen als kalte Plättli oder eben Nüsse. 

Küche bis spätabends 
Auf der Speisekarte der Bar Lupo stehen Snacks wie Focaccia und Antipasti, es werden drei verschiedene Pasta-Gerichte angeboten, und wer Lust auf ein Dessert hat, kann sich ein Tiramisu bestellen. Alle Speisen werden in der eigenen Küche zubereitet, die unter der Woche bis 22 Uhr und am Wochenende bis 23 Uhr geöffnet hat. «Manche essen bei uns drei Gänge. Andere möchten nur ihren Cocktail geniessen. Für beide haben wir Platz», sagt Schindler. Und einige Gäste beginnen den Abend mit Cocktails und bestellen später Essen, trinken einen Wein und schliessen den Abend mit einem Espresso Martini. «Die Leute suchen das Ungezwungene und die Vielfältigkeit, immer mehr», sagt Schindler. Auch Spontanität sei in der Bar Lupo wichtig. Deshalb können keine Tische reserviert werden. «Die Gäste sollen vorbeikommen und dann entscheiden können, ob sie 30 Minuten oder vier Stunden bleiben wollen.» 

Sterne-Speisen zu Top-Cocktails 
Essen spielt auch in der Bar des Igniv by Andreas Caminada in Zürich eine wichtige Rolle. Hier ist das Reich von Sarah Madritsch, die im vergangenen Jahr zur Barkeeperin des Jahres gekürt wurde, und Küchenchef Daniel Zeindlhofer, der zwei Sterne und 17 Punkte vorweisen kann. «Dass wir direkt aus einer so guten Küche die Snacks beziehen können, ist ein grosses Glück», sagt Madritsch. Entsprechend reichhaltig ist die Snack-Karte des Igniv. Serviert werden zum Beispiel Barbecue-Spareribs, Rindstatar mit Kartoffelschaum und Pommes frites mit Trüffel-Mayo oder Asia Buns mit Schweinebauch. Die Snacks kommen zum Teilen auf den Tisch. «Viele Gäste nehmen bei uns ihr Abendessen ein. Wer später nur den kleinen Hunger stillen will, greift oft zu den Pommes mit Trüffel-Mayo», so die Barkeeperin. Sie hält es heutzutage für wichtig, dass die Leute nicht nur aus einer umfangreichen Getränkekarte auswählen können. «Früher war es oft so, dass die Gäste die Bar verliessen, sobald sie Hunger bekamen. Nun können sie gleich hierbleiben.» 

Auf Wunsch der Gäste kreiert Madritsch gern auch den passenden Cocktail zum Essen. «Ich schaue darauf, dass die Geschmäcker harmonisch aufeinander abgestimmt sind.» Das heisst: Keine bitteren Zutaten zu scharfem Essen. Lieber süsse Drinks zu salzigen Speisen. Und auch die Säure muss ausbalanciert sein. «Das Prozedere ist durchaus mit dem Weinpairing zu vergleichen», sagt Madritsch.

In der Bar Lupo von Patrick Schindler können die Gäste auch einen Drei-Gänger essen.
Zu den Kreationen von Igniv-Barkeeperin Sarah Madritsch gibt es Snacks aus der preisgekrönten Küche.
Chef de Bar Thomas Huhn weiss, was die Gäste im Basler Les Trois Rois schätzen – im Glas und dazu.
Zum neuen Konzept im Karel Korner von Judy Lauber gehören explizit auch Snacks.

Trinken macht hungrig
Über eine ausgiebige Speisekarte verfügt auch die Bar des Grand Hotels Les Trois Rois in Basel. Hier wird das Essen ebenfalls aus der gehobenen Küche direkt in die Bar serviert. «Die Leute schätzen es, dass sie zu den Getränken etwas essen können. Und dies in einer lockeren Atmosphäre», sagt Thomas Huhn, Chef de Bar. Auf der Karte stehen «Snacks» wie die Trilogie de Canapés (Lachs, Rindstatar, Foie gras), verschiedene Salate sowie Klassiker wie Clubsandwich, Cheeseburger, Eglifilet oder Rindstatar. Auch Austern oder Kaviar bietet das Les Trois Rois an. «Wer trinkt, wird irgendwann hungrig. Heute muss man den Gästen mehr als nur Nüsse anbieten», ist Huhn überzeugt. Früher sei man in der Regel nach dem Abendessen in eine Bar gegangen. «Heute möchte man Apéro und Abendessen aber kombinieren», so der Barkeeper.

Lieferung als Lösung
Nicht alle Bars sind in der luxuriösen Situation, Essen aus der eigenen Küche anbieten zu können. Im Karel Korner in Luzern fokussierte man bisher lieber auf die Kreation von aufwendigen Cocktails als auf Snacks. «Ich bin Barkeeperin und keine Köchin. Die Zubereitung von gutem Bar-Food ist nicht zu unterschätzen», sagt Inhaberin Judy Lauber. Denn genauso aufwendig sei das Mixen ihrer Cocktails: «Wir verwenden Infusionen und bereiten die Spirituosen sogar unter anderem mit dem Sous-vide-Garer zu.» Ganz auf Snacks wollte die Barkeeperin aber nicht verzichten. Deshalb wurde zu den Drinks bisher gratis eine eigene Nussmischung serviert.

In diesen Tagen hat aber auch das Karel Korner sein Angebot an Barsnacks erweitert. Nach acht Jahren habe man Lust bekommen, sich gastronomisch neu selbst zu verwirklichen und ein neues Konzept auszuprobieren. So herrscht im Karel Korner nun italienisches Flair, bei dem auch das Essen wichtig ist. Eine eigene Küche hat der Karel Korner allerdings noch immer nicht. Deshalb musste ein Snack gefunden werden, der in der Bar einfach zubereitet werden kann. Die Lösung: italienische Focaccias, die jeden Tag frisch belegt werden. Mortadella, Crema di Pistacchio und Ricotta kommen auf die Fleischvariante, selbst gemachtes Tomatenpesto mit Kapern und piemontesischen Haselnüssen sowie Mozzarella Fior di Latte auf die vegetarische Version. In der Bar müssen die Focaccias nur noch im Panini-Grill gewärmt werden. 

Das Essen, sagt Lauber, habe auch Einfluss auf die Getränkeauswahl. «Die Cocktails sind noch immer grossartig, aber einfacher zuzubereiten und somit etwas zugänglicher.» Zudem werde passend zu den Focaccias wohl mehr Bier oder vielleicht auch mehr Wein getrunken. Im neuen Karel Korner soll grundsätzlich eine lockere Stimmung herrschen. «Ich habe das Gefühl, dass die Leute immer mehr genau das suchen. Sie wollen essen, trinken und den ganzen Abend in unkomplizierter Atmosphäre am gleichen Ort verbringen können», so die Barkeeperin.

Popcorn statt Erdnüsse
Dass Essen in der Bar wichtiger geworden ist, merkt auch Nils Wrage, Chefredaktor von Mixology, dem Magazin für Barkultur im deutschsprachigen Raum. «Viele Bars befinden sich gerade in der Findungsphase, welche Speisen sie den Gästen anbieten könnten», sagt er. Natürlich hätten jene Bars einen grossen Vorteil, die eine eigene Küche haben. Jene ohne würden sich oft in der Nachbarschaft umschauen, wer ihnen das Essen allenfalls in die Bar liefern kann. «Damit lässt sich nicht gross Geld verdienen. Aber die Chance ist grösser, dass die Gäste sitzen bleiben und noch einen Cocktail bestellen», sagt Wrage.

Als Lieferspeisen beliebt seien etwa orientalische Gerichte wie Baba Ganoush oder Hummus. Ebenso eigneten sich als Bar-Food Klassiker wie das Tatar in unterschiedlichen Variationen, da dieses tagesfrisch vorbereitet werden kann. Aber auch bei der Qualität der Gratis-Snacks habe sich einiges getan, befindet Wrage. «Viele Bars punkten mittlerweile mit eigenen Nussmischungen oder bieten Popcorn mit Sour-Cream- oder Karamellgeschmack an.» Generell sei festzuhalten, dass die Schweiz im Vergleich zu Deutschland eine ausgeprägte Apéro-Kultur habe. Essen in der Bar dürfte deshalb gerade hierzulande an Bedeutung zunehmen.



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