Das Feuer für Schweizer Brände entfachen
Auf dem Teller ist der Trend gesetzt: Möglichst regional und saisonal. Im Glas sieht das bisweilen anders aus: Herr und Frau Schweizer trinken Whisky und Rum statt einheimischen Schnaps. Warum eigentlich?
Dabei verschlief man die jüngsten weltweiten Trends etwas.
In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Hoteliers und Gastgeberinnen regionalen Spezialitäten auf ihren Frühstücksbuffets mehr Platz eingeräumt. Und doch fehlt noch immer vielen der Mut, auf das weltweit Verfügbare und in der internationalen Hotellerie Allgegenwärtige zu verzichten. Auf Produkte also, die ebenso austauschbar wie beliebig sind. Warum aber werden den Gästen günstige Fertigwaren internationaler Marken weiterhin aufgetischt und wieso spielt das regionale Angebot auf den Frühstücksbuffets eine weit geringere Rolle als in der Mittags oder Abendgastronomie? Das mangelnde Verständnis für die regionalen Trends dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Schweiz eine der ersten kulinarisch globalisierten Regionen der Welt war, insbesondere in der gehobenen Gastronomie. Die internationale Ausrichtung stand dabei im Zentrum. Nicht zuletzt, weil sich so die Kosten senken liessen.
Dabei verschlief man die jüngsten weltweiten Trends von der nordischen bis hin zur alpinen Küche etwas. Erst in den letzten Jahren hat die Hotelbranche erkannt, dass sich das Verhalten der Gäste sowie deren Bedürfnisse in einem starken und anhaltenden Wandel befinden. In jenen Zeiten, als César Ritz die internationale Klientel in der aufstrebenden Schweizer Luxushotellerie bewirtete, residierte diese noch über einen längeren Zeitraum in den Herbergen. Damals wollte man den Gästen ein für alle erkennbares internationales Frühstücksbuffet bieten – im Glauben, dass sie danach verlangten. Bis in die Achtzigerjahre hinein war diese Annahme grösstenteils berechtigt. Dann aber kam der Wandel und brachte ein neues Gästesegment hervor, das nach Spezialitäten verlangt, die nur die bereiste Region zu bieten hat. Touristinnen und Touristen wollen heute den besuchten Landschaften auch kulinarisch näherkommen.
Um aufzuzeigen, wie sich diese Wünsche mit den Möglichkeiten der Hotellerie vereinbaren lassen, analysierten Studentinnen und Studenten der Hotelfachschule Thun (in Zusammenarbeit mit Hotelleriesuisse und unterstützt vom Staatssekretariat für Wirtschaft) die Frühstücksangebote von acht grossen Schweizer Hotelbetrieben. Lernende der Berufsschulen in St. Gallen und Neuenburg kreierten ausserdem neue Frühstücksrezepte. Mit dem zusätzlichen Support des Thurgauer Biobäckerei-Pioniers Andreas Lehmann und des bekannten Bündner Regionalkochs Hansjörg Ladurner aus der Lenzerheide entstanden zahlreiche Frühstücksgebäcke und -gerichte, die den Hotels als Inspiration dienen können, um ihren Gästen auch beim Frühstück unvergessliche Momente zu bescheren. Die Ideen sind im unlängst erschienenen Büchlein «Die neuen Schweizer Regionalfrühstücke» zu finden.
Für Begeisterung am Frühstücksbuffet dürfte beispielsweise der Appenzeller Biberzopf sorgen – ähnlich dem Russenzopf, nur eben mit einer Biberfüllung statt mit Haselnüssen. Die Kreation haben zwei Lernende der Gastroformation in St. Gallen entwickelt, nämlich der amtierende Koch-Schweizer-Meister Markus Schmid zusammen mit Noah Züst. In der Westschweiz steuerte das Trio der Lernenden Matt Dubois, Jeffray Graber und Olivier Calame eine Neuinterpretation des Freiburger Chilbi-Mahls bei. Statt der traditionellen Cuchaule (einer Art Safranbrioche) kreierten sie Cuchaule-Pancakes mit Safran, zu denen sie die traditionellen Poires-à-Botzi servieren, also eingelegte kleine Herbstbirnen.
Während sich in den analysierten Hotels vereinzelt aussergewöhnliche Frühstücks ideen finden liessen, beispielsweise in Form eines Kinderbuffets oder einer wunderbaren Himbeerbutter, von Tapas-ähnlichen Frühstückshäppchen oder hausgemachten Beerensäften, offenbarte sich insbesondere bei den Gebäcken viel brachliegendes Potenzial. Deshalb konzipierten Biobäckermeister Lehmann und Koch Ladurner in diesem Bereich weitere Musterbeispiele. Vom Panettone mit Bergeller Rauchkastanien und geröstetem Maismehl (Farina bona) aus dem Onsernonetal, entwickelt und rezeptiert von Lehmann, dürfte auf dem Frühstücksbuffet kein Brösel übrigbleiben. Ebenso von der Pain in Pigna – einem Brot, das Ladurner in Anlehnung an die Engadiner Ofenrösti Plain in Pigna aus Kartoffeln, Mais, Salsizstückchen und Rosinen kreiert hat.
Weiter zeigte die Hotelanalyse, dass bei den Frühstücksbroten noch einiges im Argen liegt. Zwar werben viele Häuser mit ihren lokalen Bäckern, unterschlagen dabei aber, dass nur wenige von ihnen ihre Frühstücksbrötchen selber produzieren und die meisten stattdessen Teiglinge aus der Industrie aufbacken. Wie sich auch in diesem Bereich die Region mit ihren Eigenheiten und Spezialitäten ausspielen lässt, zeigen weitere Neukreationen, die im Rahmen der Kooperation entstanden: das Nillon-Brötchen mit einem Anteil aus Walnussmehl aus dem Presskuchen bei der Herstellung des Walnussöls für die Waadt, zum Beispiel, das Baselbieter Dörrkirschenbrötchen mit einer Rauchsalzbutter, in der das Salz der Rheinsalinen zur Geltung kommt, oder das Sauerteigbrot aus der Luzerner Jazzkantine, das mit einem lokalen Felchen-Rollmops serviert wird. Wie man mit regionalen Produkten auch die Verschwendung von Lebensmitteln verhindern kann, demonstriert seit Jahren der Walliser Bäcker Paul Mathieu mit seinen Traubenkernkreationen. Die Kerne der (Wein-)Trauben werden nach dem Pressen aus dem Trester gesiebt, zu einem Mehl verarbeitet und in diverse Gebäcke eingearbeitet, etwa in ein Traubenkernbrot oder einen -gipfel. Auch das sind Produkte, zu denen sich am Frühstücksbuffet Geschichten erzählen lassen, die den Gästen den Start in den Tag versüssen und ihre Erinnerungen an den Aufenthalt in einer Region nachhaltig verstärken.
Die entwickelten regionalen Spezialitäten machen deutlich, dass sich die Profilierung mit eigenständigen Produkten lohnt: Gäste, denen unvergessliche Momente geboten werden, sind die besten Botschafterinnen und Botschafter für jedes Hotel. Und die positive Erwähnung der Frühstückserfahrung gehört auf den digitalen Bewertungsplattformen heute zu den entscheidenden Faktoren, wenn es darum geht, ob sich Menschen für dieses oder jenes Hotel entscheiden – und ob sie an einen Ort auch wieder zurückkehren.
50 Exemplare zu verschenken
«Die neuen Schweizer Regionalfrühstücke» von Dominik Flammer ist mit der Unterstützung von Hotelleriesuisse entstanden. 50 Exemplare des 60-seitigen Büchleins stehen den Leserinnen und Lesern von Salz & Pfeffer zur Verfügung. Wer eines haben möchte, schreibt ein Mail an redaktion@salz-pfeffer.ch. Die Einsendungen werden der Reihe nach berücksichtigt.