Biberzopf und Pain in Pigna

Auf den Bewertungsplattformen für Schweizer Hotels wird rasch klar: Das gängige Frühstücksangebot mit weltweit erhältlichen, günstigen Industrieprodukten enttäuscht. Dabei ginge es ganz einfach anders.
Text: Dominik Flammer – Fotos: Tina Sturzenegger
Veröffentlicht: 13.06.2023 | Aus: Salz & Pfeffer 3/2023
Ostschweizer Biberzopf
Pain in Pigna

Dabei verschlief man die jüngsten weltweiten Trends etwas.

In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Hoteliers und Gastgeberinnen regionalen Spezialitäten auf ihren Früh­stücksbuffets mehr Platz eingeräumt. Und doch fehlt noch immer vielen der Mut, auf das weltweit Verfügbare und in der internationalen Hotellerie Allgegen­wärtige zu verzichten. Auf Produkte also, die ebenso austauschbar wie beliebig sind. Warum aber werden den Gästen günstige Fertigwaren internationaler Marken wei­terhin aufgetischt und wieso spielt das regionale Angebot auf den Frühstücks­buffets eine weit geringere Rolle als in der Mittags­ oder Abendgastronomie? Das mangelnde Verständnis für die regionalen Trends dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Schweiz eine der ersten ku­linarisch globalisierten Regionen der Welt war, insbesondere in der gehobenen Gas­tronomie. Die internationale Ausrichtung stand dabei im Zentrum. Nicht zuletzt, weil sich so die Kosten senken liessen.

Dabei verschlief man die jüngsten welt­weiten Trends von der nordischen bis hin zur alpinen Küche etwas. Erst in den letz­ten Jahren hat die Hotelbranche erkannt, dass sich das Verhalten der Gäste sowie deren Bedürfnisse in einem starken und anhaltenden Wandel befinden. In jenen Zeiten, als César Ritz die internationale Klientel in der aufstrebenden Schweizer Luxushotellerie bewirtete, residierte diese noch über einen längeren Zeitraum in den Herbergen. Damals wollte man den Gästen ein für alle erkennbares internationales Frühstücksbuffet bieten – im Glauben, dass sie danach verlangten. Bis in die Acht­zigerjahre hinein war diese Annahme grösstenteils berechtigt. Dann aber kam der Wandel und brachte ein neues Gäste­segment hervor, das nach Spezialitäten verlangt, die nur die bereiste Region zu bieten hat. Touristinnen und Touristen wollen heute den besuchten Landschaften auch kulinarisch näherkommen.

Um aufzuzeigen, wie sich diese Wünsche mit den Möglichkeiten der Hotellerie ver­einbaren lassen, analysierten Studentinnen und Studenten der Hotelfachschule Thun (in Zusammenarbeit mit Hotelleriesuisse und unterstützt vom Staatssekretariat für Wirtschaft) die Frühstücksangebote von acht grossen Schweizer Hotelbetrieben. Lernende der Berufsschulen in St. Gallen und Neuenburg kreierten ausserdem neue Frühstücksrezepte. Mit dem zusätzlichen Support des Thurgauer Biobäckerei-Pio­niers Andreas Lehmann und des bekann­ten Bündner Regionalkochs Hansjörg Ladurner aus der Lenzerheide entstanden zahlreiche Frühstücksgebäcke und ­-ge­richte, die den Hotels als Inspiration die­nen können, um ihren Gästen auch beim Frühstück unvergessliche Momente zu bescheren. Die Ideen sind im unlängst er­schienenen Büchlein «Die neuen Schwei­zer Regionalfrühstücke» zu finden.

Für Begeisterung am Frühstücksbuffet dürfte beispielsweise der Appenzeller Biberzopf sorgen – ähnlich dem Russen­zopf, nur eben mit einer Biberfüllung statt mit Haselnüssen. Die Kreation haben zwei Lernende der Gastroformation in St. Gal­len entwickelt, nämlich der amtierende Koch-­Schweizer-­Meister Markus Schmid zusammen mit Noah Züst. In der West­schweiz steuerte das Trio der Lernenden Matt Dubois, Jeffray Graber und Olivier Calame eine Neuinterpretation des Frei­burger Chilbi-­Mahls bei. Statt der tradi­tionellen Cuchaule (einer Art Safran­brioche) kreierten sie Cuchaule-­Pancakes mit Safran, zu denen sie die traditionellen Poires­-à­-Botzi servieren, also eingelegte kleine Herbstbirnen.

Cuchaule-Pancakes
Baselbieter Dörrkirschenbrötchen mit einer Rauchsalzbutter

Während sich in den analysierten Hotels vereinzelt aussergewöhnliche Frühstücks­ ideen finden liessen, beispielsweise in Form eines Kinderbuffets oder einer wun­derbaren Himbeerbutter, von Tapas-­ähn­lichen Frühstückshäppchen oder haus­gemachten Beerensäften, offenbarte sich insbesondere bei den Gebäcken viel brach­liegendes Potenzial. Deshalb konzipierten Biobäckermeister Lehmann und Koch Ladurner in diesem Bereich weitere Mus­terbeispiele. Vom Panettone mit Bergeller Rauchkastanien und geröstetem Mais­mehl (Farina bona) aus dem Onsernonetal, entwickelt und rezeptiert von Lehmann, dürfte auf dem Frühstücksbuffet kein Brösel übrigbleiben. Ebenso von der Pain in Pigna – einem Brot, das Ladurner in Anlehnung an die Engadiner Ofenrösti Plain in Pigna aus Kartoffeln, Mais, Salsiz­stückchen und Rosinen kreiert hat.

Weiter zeigte die Hotelanalyse, dass bei den Frühstücksbroten noch einiges im Argen liegt. Zwar werben viele Häuser mit ihren lokalen Bäckern, unterschlagen dabei aber, dass nur wenige von ihnen ihre Frühstücksbrötchen selber produzieren und die meisten stattdessen Teiglinge aus der Industrie aufbacken. Wie sich auch in diesem Bereich die Region mit ihren Eigenheiten und Spezialitäten ausspielen lässt, zeigen weitere Neukreationen, die im Rahmen der Kooperation entstanden: das Nillon-­Brötchen mit einem Anteil aus Walnussmehl aus dem Presskuchen bei der Herstellung des Walnussöls für die Waadt, zum Beispiel, das Baselbieter Dörrkir­schenbrötchen mit einer Rauchsalzbutter, in der das Salz der Rheinsalinen zur Gel­tung kommt, oder das Sauerteigbrot aus der Luzerner Jazzkantine, das mit einem lokalen Felchen­-Rollmops serviert wird. Wie man mit regionalen Produkten auch die Verschwendung von Lebensmitteln verhindern kann, demonstriert seit Jahren der Walliser Bäcker Paul Mathieu mit seinen Traubenkernkreationen. Die Kerne der (Wein-)Trauben werden nach dem Pressen aus dem Trester gesiebt, zu einem Mehl verarbeitet und in diverse Gebäcke eingearbeitet, etwa in ein Traubenkern­brot oder einen ­-gipfel. Auch das sind Produkte, zu denen sich am Frühstücksbuffet Geschichten erzählen lassen, die den Gäs­ten den Start in den Tag versüssen und ihre Erinnerungen an den Aufenthalt in einer Region nachhaltig verstärken.

Die entwickelten regionalen Spezialitäten machen deutlich, dass sich die Profilierung mit eigenständigen Produkten lohnt: Gäs­te, denen unvergessliche Momente gebo­ten werden, sind die besten Botschafterin­nen und Botschafter für jedes Hotel. Und die positive Erwähnung der Frühstücks­erfahrung gehört auf den digitalen Bewer­tungsplattformen heute zu den entschei­denden Faktoren, wenn es darum geht, ob sich Menschen für dieses oder jenes Hotel entscheiden – und ob sie an einen Ort auch wieder zurückkehren.

50 Exemplare zu verschenken
«Die neuen Schweizer Regionalfrühstücke» von Dominik Flammer ist mit der Unterstützung von Hotelleriesuisse entstan­den. 50 Exemplare des 60-­seitigen Büchleins stehen den Leserin­nen und Lesern von Salz & Pfeffer zur Verfügung. Wer eines haben möchte, schreibt ein Mail an redaktion@salz­-pfeffer.ch. Die Einsendungen werden der Reihe nach berücksichtigt.



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