Das Feuer für Schweizer Brände entfachen
Auf dem Teller ist der Trend gesetzt: Möglichst regional und saisonal. Im Glas sieht das bisweilen anders aus: Herr und Frau Schweizer trinken Whisky und Rum statt einheimischen Schnaps. Warum eigentlich?
«Die Wollsau braucht viel Platz und mag kein eintöniges Essen. Wie ich.»
Ein Schelm, wer denkt, der Titel beziehe sich auf das dynamische Duo im Bild – weit gefehlt. Wobei, so weit auch wieder nicht. Zumindest kokettiert der Herr rechts (namentlich Albi von Felten) gern damit, gewisse Parallelen zur Wollsau aufzuweisen: «Sie ist auch eine Fettrasse», sagt er und streicht sich übers Bäuchlein. «Und sie braucht viel Platz und mag kein eintöniges Essen. Wie ich.»
In fünfter Generation wacht der 48-Jährige über das Landhotel Hirschen in Erlinsbach und über das Genussimperium, das er rundherum errichtet hat. Seine Leidenschaft für die Region, sein Engagement für die Biodiversität und seine klare Vision stecken in allem drin: im Fine-dining-Restaurant, im Bistro und im Beizli, im Weinkeller, auf der Terrasse, in der Essigwerkstatt und im sagenhaft weitläufigen Garten, in dem Kräuter, Gemüse, Obst und Blumen gedeihen. Von Felten kennt kein Halten: «Ich bin ein Geschmacksjunkie», sagt er, baut aus und an, schleppt seine Entdeckungen in die Küche, zieht rare Sorten, startet ein Projekt nach dem anderen.
Einen Gleichgesinnten hat der gelernte Koch, der sich «Mensch, Gastgeber und Geniesser» nennt, in Lukas Heinzelmann gefunden. Der 33-Jährige amtet seit November als Küchenchef im «Hirschen» und fühlt sich im familiär geführten Betrieb wohl – ohne den tückischen Einstieg zu verhehlen. «Ich musste alte Muster ablegen», erzählt er. Von Feltens philosophiegetriebene Küche und sein Radikalismus sind Neuland für den jungen Mann, der zuvor als Privatkoch für eine prominente Zürcher Familie mit schier grenzenlosem Budget und einer Vorliebe für teure Lebensmittel tätig war. Im «Hirschen» stehen nun aber nicht Hummer und Gänseleber auf der Karte, sondern eben Wachtel und Wollschwein aus der Region. «Das eröffnet mir neue Perspektiven», sagt Heinzelmann, der fleissig lernt und adaptiert, wobei er wiederholt auf seinen Souschef Michael Grässler und dessen kreative Ader hinweist. «Ohne ihn ginge es nicht», sagt er. Der Chef nickt; er kennt das nur zu gut. «Ich hätte ohne meine Partnerin Silvana Lück auch keine Chance», sagt von Felten. Die nämlich hat das Händchen fürs Organisatorische, das ihm nach eigenen Angaben fehlt. «Wir ergänzen uns», so der Visionär. Und man spürt: Im «Hirschen» gilt das für die ganze Crew.
Landhotel Hirschen, Hauptstrasse 125, 5015 Erlinsbach bei Aarau, 062 857 33 33, www.hirschen-erlinsbach.ch