Das Feuer für Schweizer Brände entfachen
Auf dem Teller ist der Trend gesetzt: Möglichst regional und saisonal. Im Glas sieht das bisweilen anders aus: Herr und Frau Schweizer trinken Whisky und Rum statt einheimischen Schnaps. Warum eigentlich?
Pro Person sollte man einen Käse bereithalten – sonst gibt es schnell Streit.
Dem ersten Stück des sämigen Weichkäses möchte man sofort ein zweites nachschieben. Und ein drittes. Wären da nebst dem weitherum bekannten Galait nicht noch eine Handvoll anderer verführerischer Kreationen, die Agnès Spielhofer Beroud innert kürzester Zeit entwickelt hat. Ausschliesslich Rohmilchkäse von einer aussergewöhnlichen Qualität, sodass die junge Käserin in der Westschweizer Presse bereits als Königin der weissschimmligen Weichkäse gefeiert wird.
Im Galait, einem nussigen Weichkäse der Extraklasse, spiegelt sich denn auch die Herkunft der Waadtländerin. Die Lebensmitteltechnologin wuchs in Rougemont auf, führte schon in ihrer Kindheit die Milchlieferungen von Hand nach, wenn die Bauern in der Käserei ihres Vaters die Milch abgaben, aus der mit der Tomme Fleurette der lange Zeit wohl aussergewöhnlichste Rohmilch-Weissschimmelkäse der Schweiz produziert wurde. Und immer noch wird. «Eigentlich war schon damals klar, dass ich auch beim Käse landen würde, auch wenn ich mir den einen oder anderen Gedanken über ein Studium an der Hotelfachschule gemacht habe», erzählt Spielhofer Beroud, während sie in ihrer noch jungen Käserei in Saint-Imier den dampfenden Bruch für die nächste Charge des Galait schneidet. Ihre erste eigene Käsekreation, auch wenn sie mit ihrem Vater schon zuvor experimentiert und den im Bunker gereiften A1652 entwickelt hat. Der Käse ist nach der Nummer benannt, die das Militär den in den Berg gebauten Räumlichkeiten gegeben hatte, bevor Michel Beroud sie zum Reifungskeller für Käse umfunktionierte.
Der A1652 ist ebenfalls ein Weissschimmelkäse, aber mit einem weit stattlicheren und schwereren Laib. Seine Herstellung übernahm Spielhofer Beroud, nachdem ihr Vater vor Kurzem in Pension gegangen war und die Käserei in Rougemont an seinen Nachfolger übergeben hatte. Dennoch ähnelt der Galait dem erfolgreichsten Käse ihres Vaters, der Tomme Fleurette, auch wenn er im Teig etwas dichter und deutlich kräftiger im Geschmack daherkommt, da er noch geschmiert wird. Trotz der bemerkbaren Unterschiede haben die beiden Weichkäse zwei Gemeinsamkeiten: Sie bilden in ihrer Kategorie die heimische Spitze, und vor allem eignen sie sich überhaupt nicht zum Teilen. Pro Person sollte man einen Käse bereithalten – sonst gibt es schnell Streit.
Anfänglich stellte Spielhofer Beroud ihre Käse bei ihrem Vater her. Vor einigen Jahren verliess sie die Waadtländer Alpen jedoch und verlegte die Produktion nach Saint-Imier zu Florian Spielhofer, ihrem heutigen Ehemann, den sie während des Studiums in Zollikofen kennen gelernt hatte. Der junge Berner Käser führt mit seinem Bruder eine der grossen Käsereien des Juratals, die beiden produzieren neben Greyerzer und Tête de Moine noch gut zwei Dutzend unterschiedliche Käse, von denen viele schweizweit im Handel zu finden sind. Für Spielhofer Beroud indes war rasch klar, dass sie sich selbstständig machen will. «Als ich den Standort mit der alten Spenglerei in der Nähe des Bahnhofs von Saint-Imier fand, war der Entscheid schnell gefällt: Hier werde ich meine Weichkäseproduktion aufbauen.»
Mit ihrem Gatten bleibt selten Zeit, um über die Käse zu diskutieren. Die beiden Kinder sorgen dafür, dass auch noch anderes in ihrem Leben Platz hat. Intensiv ist der Austausch indes mit ihrem Vater geblieben, der in Saint-Imier wöchentlich an zwei Tagen auftaucht. Dann bringt er die reifen Käse zurück, die er in seinem Bunker in Rougemont für Spielhofer Beroud ausreifen lässt und pflegt, und packt die frischen Käse in seinen Wagen, um sie in den Reifekeller zu bringen. «Zwei Stunden Fahrtzeit ist etwas lang, aber vorläufig ist das die beste Lösung», so die Käserin. Zwar habe sie bereits einen passenden Keller im Tal gefunden, doch müsse sie diesen gemeinsam mit ihrem Mann noch austesten. Nur wenn alles passt, werden ihre Käse künftig hier reifen.
Obwohl ihr Gatte und ihr Schwager Jahr für Jahr bereits rund zwölf Millionen Liter Milch verarbeiten, bleibt in der stark von der Milchwirtschaft dominierten Region noch einiges für Spielhofer Beroud übrig. Denn nicht nur im Vallon de Saint-Imier, wie das Jura-Seitental genannt wird, sondern auch auf den umliegenden Hügelzügen grasen die Kühe, Ziegen und Schafe. «Das ist ein Vorteil, den schon mein Vater hatte: Die Lieferwege sind kurz, was für die Milchqualität sehr positiv ist», so die Käserin.
Zurzeit tüftelt sie im Auftrag der Käseaffineure der Burgdorfer Traditionsfirma Fromage Mauerhofer mit Ziegenmilch, erste Weichkäse daraus sollen in den nächsten Monaten in den Handel kommen. «Ziegenkäse, vor allem weiche, haben in der Schweiz noch ein grosses Potenzial», sagt Spielhofer Beroud, «es reizt mich sehr, mit der Ziegenmilch zu arbeiten.» Und das, obwohl die Herausforderungen stetig wachsen: Bessere Messinstrumente und präzisere Möglichkeiten zur Kontrolle der Milchqualität und der Käsereifung machen zwar einiges einfacher, bringen aber auch automatisch verschärfte Bestimmungen seitens der Lebensmittelbehörden mit sich. «Der Kontrollaufwand ist heute viel grösser als früher, doch können wir uns so auch besser gegen die drohenden Risiken absichern», so die Lebensmitteltechnologin. Ihr Studium, das sie schwergewichtig der Milch widmete, kommt ihr hier mehr als zugute. «Und natürlich die Erfahrung meines Vaters, auf die ich nach wie vor zählen kann.» Dass Michel Beroud schon seit 30 Jahren mit rohmilchigen Weichkäsen experimentiert, war für seine Tochter eine Grundvoraussetzung, diesen Schritt überhaupt zu wagen. «Ohne seine Erfahrungen hätten wir wohl zumindest zu Beginn grössere Schwierigkeiten gehabt.»
Doch zurück zu den Kreationen von Spielhofer Beroud: Mit dem Boulait, einem rötlich-weissen, 800-grämmigen Käse, der drei Monate im alten Militärbunker ihres Vaters reift, ist der begnadeten Käserin ein weiterer Wurf gelungen. Im Teig erinnert er vage an einen Vacherin Fribourgeois, mit fruchtigen, aber dennoch sehr angenehm rezenten Aromen. Und quarkig-sämig ist die mit Asche geschmierte Ziegenkäserolle, die Spielhofer Beroud erst vor Kurzem entwickelt hat. Ein Ziegenkäse, der es gut mit den bekannten südfranzösischen Kreationen aufnehmen kann. Vor allem aber ein Käse, der andeutet, was von der leidenschaftlichen Weichkäseproduzentin in den kommenden Jahren noch zu erwarten ist.
O’lait, Les Savagnières Dessous 17, 2610 Les Pontins, 079 627 11 19, olait.ch