Angezapft

Alles hat immer Saison

Dem technischen Fortschritt verdanken wir Neuzeitmenschen so allerhand. Das Leben ist dank Entwicklungen im Alltag ein­facher und bequemer geworden. Aus meinem Kühlschrank kann ich heute das ganze Jahr hindurch ein Sour Ale, ein Session IPA oder ein Vanilla Oatmeal Stout zaubern.

Für unsere Vorfahrinnen und Vorfahren zum Beispiel in Bayern war das Wunschdenken: Die bayerische Brauordnung von 1539 legte fest, dass im Jahr nur zwischen dem 29. September und dem 23. April Bier gebraut werden durfte. In den heissen Monaten herrschte ein Verbot. Denn das Kochen des Biers stellte eine er­höhte Brandgefahr dar. Doch die mit untergäriger Hefe vergo­renen Biere waren vor der Möglichkeit zur künstlichen Kühlung ohnehin auch ans Wetter gebunden: Die verwendete Hefe gedieh nämlich nur bei unter elf Grad Celsius richtig gut.

Um in keinem der zwölf Monate des Jahrs ohne Gerstensaft aus­kommen zu müssen, entwickelten die Brauerinnen und Brauer eine findige Idee: Sie beschlossen, bereits im März ein haltbares Bier zu brauen. Ein solches entsteht durch mehr Alkohol, mehr Hopfen und mehr Stammwürze. Letztere gibt an, wie viele Stoffe sich vor dem Gärprozess aus Malz und Hopfen im Wasser gelöst haben. Das Bier lagerten die Menschen anschliessend in Felsen­kellern, versehen mit Eis aus umliegenden Gewässern. Bis zu sechs Monate lagen die Flaschen in der Kühle, also im Lager. Darauf geht auch die Bezeichnung Lagerbier für alle unter­gärigen Biere zurück. Das sogenannte Märzenbier kam dann besonders bei den spätsommerlichen Feierlichkeiten auf den Tisch. Den Start des neuen Braujahrs Ende September begossen die Menschen mit den Resten ihres eingelagerten Märzenbiers. Diese Feiern hiessen Oktoberfeste.

Märzenbiere präsentieren sich in der Regel dunkler, malziger und gehaltvoller als ein Pils und weniger hopfig. Obwohl sie bern­steinfarben oder dunkel sein können, sind sie in erster Linie ein blonder Stil. Die Biere zeichnen sich durch eine malzige Süsse aus. Dazu passt gebratenes Wurzelgemüse, das die Karamellnote verstärkt. Oder aber Sie wählen als Kontrast eine salzige Speise. Dann wirkt diese der Süsse entgegen und spielt mit ihr. Wie auch immer ein Märzen kombiniert wird: Ein wenig Demut sollte beim Genuss des Biers mitschwingen. Schliesslich dürfen wir heute am Ergebnis von früherem Erfindergeist nippen.

Carole Gröflin

Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt
Ausgabe: Salz & Pfeffer 1/2024 / Datum: 13.02.2024


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