Angezapft

Some like it expensive

Eigentlich hätten wir es an jenem Dienstagabend besser wissen müssen. Ich war mit einer Bierfreundin und einem Bierfreund in Zürich unterwegs. An diesem Abend waren wir bereits in zwei anderen erlesenen Bierbars eingekehrt. Nun wollten wir das Treffen mit einem besonders geschmackvollen Schlummerbecher krönen und begaben uns hierfür in Bierbar Nummer drei. Kompetent wurden wir am Tresen beraten und bald fündig. Unsere Biere gefielen uns, doch es war noch nicht das gewünschte Spektakel zum Schluss. Also begaben wir uns nach der ersten Runde erneut an die Theke.

Den ordinären Bieren an den Zapfhähnen schenkten wir dieses Mal kein Interesse. Der Bierfreund übernahm das Zepter und fragte nach einem Imperial Stout, einem beliebten Bierstil in unserer Runde. Da für die Herstellung Röstmalz verwendet wird, hat das Stout eine tiefschwarze Farbe und herrliche Kaffee- und Schokoladennoten. Ein perfektes Dessertbier!

Der Bartender nannte uns aus dem Stegreif einige Stouts, die er feilzubieten hatte. Ganz entzückt ob der Auswahl wählten wir nach kurzem Austausch eines aus. Die Servicekraft schwieg und griff in eine etwas weiter entfernte Schublade. Aha, da haben wir ein spezielles Bier gewählt, dachte ich triumphierend. Die Flasche war stattlich, perfekt zum Teilen. Das Bier mundete uns allen. Beschwingt entschied ich mich für das Begleichen dieser Rechnung. Mein Lächeln an der Kasse erkaltete, als ich den verrechneten Preis unseres letzten Genusses des Abends hörte: Die Flasche Imperial Stout schlug mit 46 Franken zu Buche. Ich schluckte leer, bezahlte und freute mich insgeheim auf die Reaktionen meiner Begleitpersonen.

Wie erwartet, erntete ich von meiner Freundin ein nervöses Lachen mit den Worten «Wow, das ist Zürich!» und ein Augenrollen meines Freundes. Unsere Stimmung wechselte auf dem Nachhauseweg von totaler Bestürzung («So was müssen sie einem doch beim Bestellen sagen!») zu kompletter Amüsiertheit («Der hat sich doch gedacht, die zock ich jetzt noch richtig ab!»). Zu Hause wurmte mich dann gar nicht der stolze Preis des Bieres. Vielmehr imponierte mir die Nonchalance, mit der ein derart teures Genussmittel über die Theke gereicht wird.

Wegen teurerer Rohstoffe müssen Bierfreundinnen und Bierfreunde in den nächsten Monaten höhere Preise in Kauf nehmen. Die Bierszene kommuniziert transparent über das Dilemma. Das finde ich fair, und so werde ich auch weiterhin Bier konsumieren. Anders wäre das, wenn es im Biermarkt auf einmal eine Shrinkflation geben würde: So wird Abfüllen einer geringeren Menge bei gleichbleibendem Preis genannt.

Auf die Bar hege ich übrigens keinerlei Groll. Mein Bierfreund stellte letzthin nämlich treffend fest: «Mit diesen 46 Franken hast du uns nicht nur ein formidables Bier spendiert. Du hast dazu auch gleich noch eine richtig gute Anekdote bekommen.» Recht hat er.

Carole Gröflin

Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt
Ausgabe: Salz & Pfeffer 4/2022 / Datum: 29.08.2022


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