Ausgefressen

Pasta, aber richtig

Gutes Brot rückt näher. Noch lange nicht flächendeckend, aber das Comeback ist vielversprechend. Schweizer Spitzen­restaurants setzen vermehrt auf handwerklich hergestelltes Sauerteigbrot. Die globale Backeuphorie verdrängt das assor­tierte Chörbli mit den blassen, belanglosen Weggli. Endlich! Serviert wird wieder richtiges Brot. Ein einziges. Eines mit Charakter und Geschmack.

Das nächste Craft-Ding wäre Pasta. Von Los Angeles bis Tokio rollen alle wie verrückt handgemachte Pasta aus. Pasta fatta a mano avanciert zum Lifestyle. Die neue Passion erlebt vor allem in den USA eine Hochblüte. Köche wie Evan Funke treiben die klassische Pasta-Kultur auf die Spitze. Nachdem er in Italien das Handwerk von den Sfogline genannten Meisterinnen gelernt hat, nennt er sich nun American Sfoglino. Er knetet von Hand und rollt von Hand. Funkes liebster Hashtag auf Instagram: #fuckyourpastamachine. Er ist ein Pasta-Missionar. In seiner Trattoria Felix serviert er höchst appetitliche Klassiker in beängstigender Perfektion.

Auch in Italien entstehen neue Pasta-Ateliers mit angegliedertem Esslokal. Ein Gastrokonzept, das junge Köche mit Verve umsetzen. Wie Retrobottega in Rom, das kürzlich Retropasta eröffnete. Wie der Name suggeriert, setzt man auf handwerkliche Tradition, übersetzt diese jedoch in zeitgemässe, elektrisierende Gerichte. Der Blick in das Laboratorio flösst Respekt ein und macht Appetit. Serviert wird die Pasta in der Trattoria, oder am Tresen als schneller Snack. Natürlich kann man sie auch kaufen und zu Hause zubereiten. Auch im Oltre in Bologna oder im Pastamadre in Mailand wird Pasta aufs Essentielle reduziert. Beste Zutaten und eine makellose Zubereitung machen aus einem simplen Gericht ein memorables Festessen.

Und in der Schweiz? Da werden immer noch Teigaffen als Stärkebeilage serviert. Oder mit viel Folklore und wenig Qualitäts­bewusstsein verkauft. Innovation kam zuletzt von Vapiano, was faktisch einer Bastardisierung von Pasta gleichkommt. Die richtige Formel zu finden, ist nicht einfach. Selbst Gordon Ramsay hat sich kürzlich mit einem Carbonara-Video blamiert und einen italienischen Shitstorm kassiert. Einer, der weiss, wies geht, ist Everybodys Darling Antonio Colaianni. Er kann Mamas simple Orecchiette ebenso wie zarteste Ravioloni mit flüssigem Eigelb und Trüffel. Alle sind gespannt, wo er nach dem Aus vom Gustav als Nächstes kocht. Dass er Pasta fatta a mano bei seinem neuen Projekt noch mehr ins Zentrum rückt, hat er immerhin schonverraten. Welche Vorfreude!

Claudio Del Principe

Kochbuchautor, Texter und Bonvivant, Basel
Ausgabe: 8/19 / Datum: 25.11.2019


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