Immer wieder werden meine Partnerin Sonja Stummerer und ich zu künstlichem Fleisch befragt. Meist erwartet unser Gegenüber eine euphorische Antwort, Begeisterung für diese aufkommende Technologie. Immer müssen wir enttäuschen. Wir halten überhaupt nichts davon.
Die Haltung von Nutztieren gilt als besonders klimaschädlich. Speziell Rinder produzieren verschiedene Gasverbindungen und Kohlendioxyd beim Verdauen jenes sogenannten Kraftfutters auf Mais- oder Sojabasis, das ihnen, in Verbindung mit verschiedenen Antibiotika, während der Mast in Massen vorgesetzt wird. Sie rülpsen und furzen uns die Atmosphäre kaputt. Zudem verbraucht die Haltung von Nutztieren viel Trinkwasser. Es werden weltweit Wälder abgeholzt, um Rinder zu halten oder um Futterpflanzen anzubauen. Ein weiteres Argument ist das Tierwohl. Konventionell gehaltene Rinder, Schweine und Hühner erfahren im Leben und beim Sterben Leid. Sie werden verstümmelt, fristen ihr Leben in unzumutbaren Käfigen, mit fragwürdigem Futter und ohne entsprechenden Kontakt zu ihren Artgenossinnen respektive Artgenossen. Sie sterben unter grossem Stress und werden viel zu oft von Menschen vorsätzlich gequält.
Künstliches Fleisch verspricht die Abschaffung der Nutztierhaltung und damit eine essenzielle Reduktion von Klimagasen, Boden- und Wasserverschmutzungen unweit der Halteanlagen sowie das Ende von Tierleid. Allerdings ist die Herstellung von künstlichem Fleisch an hoch technologisierte, zentralisierte Anlagen, an Patente und an das Gewinnstreben beteiligter Investoren und Investorinnen gebunden. Künstliches Fleisch führt zur Monopolisierung und damit möglicherweise auch zum Machtmissbrauch. Produktions- und Arbeitsbedingungen, Hygiene, Zutaten, chemische Prozesse, Energieaufwand, Preise und Verteilungsgerechtigkeit werden von einer Handvoll Managerinnen und Managern entschieden. Bäuerinnen und Bürger verlieren Souveränität. Wollen wir das?
Abgesehen davon, wird ein erschreckend hoher Anteil des derzeit verfügbaren Fleisches von den verarbeitenden Betrieben weggeworfen und verbrannt. Bis zu 40 Prozent des Fleisches jedes geschlachteten Tieres werden nicht verkauft, da es dem gängigen Narrativ des guten Produkts nicht entspricht. Zu fette, zu sehnige, zu knochige Fleischteile landen gar nicht erst im Handel. Diese Stücke gelten als ekelhaft (zu sehnig), ungesund (zu fett) oder schlicht minderwertig (Organe oder Füsse). Die Esskultur verlangt nach Filets, Schnitzeln und Keulen. Der Rest ist in keiner Verkaufsvitrine mehr zu finden. Essen wir mal auf, bitte!