Zwischen der Donau und der Grenze zur tschechischen Republik liegt das mittelalterliche Freistadt. Dort bin ich aufgewachsen. Während meiner Kindheit und Jugend schlummerte das 7000-Seelen-Städtchen am Rande des Eisernen Vorhangs – also der Welt – vor sich hin. Ruhe! Bloss an Schönwetterwochenenden röhrte, brummte und quietschte es auf dem Stadtplatz. Testosterongesteuerte Jungmachos aus den umliegenden Dörfern lenkten ihre lautstarken Opel Mantas und Golf GTIs über das Kopfsteinpflaster. Aus offenen Fenstern hingen Ellbogen, Duftbäume wackelten an Rückspiegeln und aus riesigen Subwoofern dröhnte Bon Jovi.
Ende August 2023 verbrachten meine Partnerin Sonja Stummerer und ich ein paar Tage in Zürich, um im Alten Botanischen Garten für die Design Biennale unseren Food-Design-Beitrag aufzubauen. Wir hatten wunderschönes Wetter und genossen unsere Zeit. Dabei stellten wir belustigt fest, dass auch in Zürich testosterongesteuerte Jung- und Altmachos lautstark durch die Stadt brettern. Einer der schönsten Orte der Welt, sprich das Ufer des Zürichsees, wird röhrend, brummend, quietschend und stinkend verunstaltet. Der Unterschied zu Freistadt liegt lediglich im Einkaufspreis der Autos. Ferrari statt Golf GTI.
Aber was hat verfehlte Verkehrspolitik in einer Kulinarikkolumne zu suchen? Ich kann Restaurants nicht ausstehen, deren Fenster auf Parkplätze weisen. Autos sind stinkende, lärmende Egoistenkisten, deren völlig überalterte Technologie alle Arten von Lebewesen krank macht und umbringt. Restaurants, Gasthäuser, Bars et cetera sind hingegen Orte der Lust, des Genusses, der Gemeinsamkeit. In Gasträumen darf geschlemmt, diskutiert, gestritten, gesungen, getanzt und geschmust werden. In Gaststätten arbeiten leidenschaftliche, hochtalentierte Menschen, die alles daran setzen, ihre Gäste glücklich zu machen. Es gibt keine bessere Erfindung als das Wirtshaus! Das Auto ist das Gegenteil davon. Es hat vor einem Restaurant nichts verloren. Von einer Terrasse aus oder durch die Fenster einer Gaststätte will ich die Gärten und Felder (und von mir aus auch die Ställe) sehen, die mir all die wunderbaren Zutaten liefern, die in der Küche zur zweithöchsten Lustbarkeit verwandelt werden.