Aufgebrüht

Am Anfang stand die Milch

Kaffee ist ein wunderbares Streitgetränk. Für die einen darf ein Cappuccino nur vor elf Uhr getrunken werden, für die anderen passt ein Latte Macchiato prima zum nächtlichen Karamellköpfli. Derweil schwören die einen aufs Rähmli im Kafi Crème, während sich die anderen auf den Moment freuen, in dem mit normaler Milch endlich der Haferdrink gemeint ist. Apropos: Ein vor Kurzem publizierter Artikel über den schwindenden Umsatz der wohl bekanntesten Haferdrinkproduzentin Oatly ruft nach einer genaueren Betrachtung ebendieses Themas. 

Im 19. Jahrhundert vertrieb der Kaffee den Alkohol vom helvetischen Frühstückstisch und diente der im Überfluss vorhandenen Milch fortan als guter Partner. Tatsächlich nämlich wurde die Schweiz durch die Milch erst zum Kaffee- und Schokoladenland: Aus der Milch wurde Milchpulver und daraus wiederum Schokolade – und parallel zur Milchpulverisierung entstand auch erstmals ein Kaffeepulver: Nescafé. In den Vierziger- bis Achtzigerjahren dann wurde die lange Tradition des Milchtrinkens in der Schweiz mit zahlreichen Marketingkampagnen untermauert: Da wies Kuh Lovely auf den hohen Kalziumgehalt hin, der für starke Knochen, Zähne und Muskeln sorgt, während sich die Kinder in den Schulen am jährlichen Tag der Milch selbst vom Geschmack des Schweizer Produkts überzeugen konnten. 

Damals waren Milchalternativen aus Hafer, Soja, Erbsen oder Reis höchstens in den unteren Gefilden der Supermarktregale anzutreffen. Inzwischen aber haben sich besonders Produkte aus Hafer zur echten Konkurrenz für Kuhmilch und andere Alternativen entwickelt. Ihre cremige Konsistenz und Vielseitigkeit machen sie attraktiv, geschätzt werden auch die gesundheitlichen Vorteile, die ihr attestiert werden, und ihre Nachhaltigkeit. 

Für jüngere Generationen sind Alternativmilchen nichts Exotisches mehr, sie sind damit aufgewachsen. Immerhin steckte die Pflanzenmilchindustrie in den letzten Jahren einen beträchtlichen Teil der Investitionen in die Bewerbung und platzierten grosse Firmen ihre Produkte in bekannten Coffeeshops, um mehr Präsenz zu erzielen. Die Bemühungen zahlten sich aus: 2022 schrieb die New York Times, die Generation Z habe 20 Prozent weniger Milchprodukte konsumiert als der nationale Durchschnitt. 

Allerdings ist der wachsende Markt eng umkämpft, da ständig neue Marken lanciert werden. Dem schafft auch die Gesetzgebung keine Abhilfe, sei das Wort Milch für Alternativen erlaubt oder nicht. Nach vier Quartalen in Folge mit negativen Umsätzen reagiert die grösste Playerin Oatly mit einer Vorwärtsstrategie und setzt künftig auf Hafer aus Bioanbau. In der Schweiz keine Neuheit: Hier bietet der Haferdrink von Gutsch längst eine lokal, biologisch und fair produzierte Lösung – die explizit für die Bedürfnisse einer Kaffeebar entwickelt wurde 

Nadja Schwarz

Kursleiterin Sensorik, Kaffeemacher GmbH
Ausgabe: Salz & Pfeffer 2/2024 / Datum: 04.04.2024


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